Geschichten, wie sie das Ödland schreibt: Nach dem Erfolg des mit Kickstarter-Millionen finanzierten zweiten Teils kehrt Rollenspiel-Experte inXile ins "Wasteland" zurück. Teil 3 der Traditionsserie kokettiert wieder mit alten Rollenspiel-Tugenden und ganz viel Entscheidungs-Freiheit.

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Natürlich wartet die Rollenspielwelt gebannt auf "Cyberpunk 2077", aber nicht jeder hartgesottene Genre-Fan wird mit dem kommenden Blockbuster aus der polnischen "Witcher"-Fabrik etwas anfangen können.

Manche haben es gerne taktisch, tabellarisch und bürokratisch - wie in den Anfangstagen des Genres, bevor technischer Schnickschnack und Action-Elemente die Spielegattung Massenmarkt-tauglich gemacht haben.

Zum Glück gibt es für Liebhaber der alten Rollenspiel-Schule immer noch ehrgeizige Projekte aus kleinen Studios - darunter die "Wasteland"-Reihe von Branchen-Urgestein Brian Fargo und seiner Games-Schmiede inXile. Die haben 2014 mit "Wasteland 2" einen der ersten großen Kickstarter-Erfolge gelandet und damit einen Klassiker von 1988 fortgesetzt.

"Wasteland 3": Kämpfe für kühle Köpfe

Nach dem Erfolg des zweiten Teils legt inXile jetzt mit einem deutlich imposanter präsentierten "Wasteland 3" für PC, Xbox One und PS4 nach - aber im Kern hat sich nicht viel verändert: Einmal mehr wird die "Fallout"-verwandte Endzeit-Kulisse von schräg oben gezeigt und ackert sich eine bis zu sechsköpfige Heldentruppe im eisigen Colorado durch klassisch inszenierte Zug-um-Zug-Kämpfe - denen aus der beliebten "XCOM"-Reihe von Firaxis und 2K nicht unähnlich.

Darum will - selbst auf dem niedrigsten von drei Schwierigkeitsgraden - jeder Schritt gut geplant sein. Jede Aktion kostet Punkte. Sind die aufgebraucht, ist die nächste Figur oder der Feind dran.

Die perfekte "Wasteland 3"-Party besteht neben einem eingangs ausgewählten oder individuell erstellten Power-Paar aus einer ausgewogenen Mixtur von Nah- und Fernkämpfern und deckt möglichst jeden Bereich des weit verzweigten Fertigkeitenbaums ab: von den verschiedenen Kampf-Skills über kuriose "Makel" bis hin zur Fähigkeit, einen Toaster zu knacken - denn der fungiert in der schrägen "Wasteland"-Welt als Behältnis für fette Beute.

Blindes Vorstürmen ins feindliche Projektil-Gewitter ist ebenso wenig effektiv wie stumpfsinniges Dauerfeuer. Nur das richtige Verhältnis aus In-Deckung-gehen, vorsichtigem Vorrücken und cleverem Einsatz der richtigen Fähigkeiten lässt einen die knüppelharten Duelle gegen Mutanten, Roboter und anderes Endzeit-Getier überstehen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: ein gepanzertes Vehikel namens Kodiak, das mit seinen gewaltigen Kanonen eine der wichtigsten Waffen des Spielers ist.

Geschichten, wie sie das Ödland schreibt

Der wirkliche Reiz der Ödland-Odyssee liegt aber nicht in den Runden-Gefechten. Vielmehr sind es all die kleinen und großen Geschichten, die unter dem Staub und Schnee der verstrahlten Staaten von Amerika schlummern. Sie sorgen dafür, dass der Spieler allen Widrigkeiten trotzt. Und die mitunter krude Grafik-Kulisse gerne in Kauf nimmt.

Geschichten wie die eines mächtigen Postapokalypse-Patriarchen, der den Spieler und seine Helden mit der Auslöschung seiner eigenen durchgeknallten Sprösslinge beauftragt - denn die sind auf bestem Wege, Papa den Rang abzulaufen. Natürlich darf man sich alternativ auf die Seite der Patriarchen-Kinder schlagen.

Oder wie die Erzählung von Ronald Reagans digital gespeichertem Bewusstsein, das nun - je nachdem, welcher Fraktion man in die Hände spielen will - entweder auf den Körper eines Reagan-Kultisten oder aber auf ein anderes Computersystem überspielt werden soll.

Entscheidungsfreiheit ist Trumpf

Mit Entscheidungs-Situationen angereicherte und nicht selten vor Sarkasmus triefende Stories wie diese sind es, die den wesentlichen Reiz von "Wasteland 3" ausmachen und auch jene Rollenspieler zum Reinschnuppern motivieren könnten, die sonst vergleichsweise leichtgängige und actionlastige Genre-Vertreter bevorzugen. Außerdem sorgen sie dafür, dass der Spieler die Entwicklung des Szenarios mit beeinflussen kann - bis zu dem Punkt, an dem wegen seiner Beschlüsse ganze Fraktionen oder Städte der Vernichtung anheimfallen.

Schade nur, dass inXile keine jederzeit in alle Richtungen begehbare Open-World präsentiert. Stattdessen gibt's ein in viele, vergleichsweise kleine Instanzen unterteiltes Szenario. Und die - wenngleich umfangreiche - Aufschlüsselung der Spielmechanismen verströmt den Charme einer Tabellenkalkulation.

Darum werden - aller Story-Reize zum Trotz - am Ende nur jene die gesamten 80 bis 100 Stunden Spielzeit am Ball bleiben, die schon Ende der 80er Jahre ins erste "Wasteland" gereist sind.

(tsch)  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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