Wie kaum ein anderer Spieletitel wurde "The Last Of Us Part 2" von der Community sehnsüchtig erwartet. Mehrere Verschiebungen heizten die Vorfreude auf den Titel von Naughty Dog ("Uncharted") zusätzlich an. Nun ist der PS4-Exklusivtitel in aller Hände und Munde. Doch neben euphorischen Reaktionen auf der einen Seite hagelt es auch Kritik. Die Gründe: mannigfaltig bis diskriminierend.

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Eine Warnung vorab: Der Artikel verrät ein Detail des Plots der Story. Man sollte daher nur weiterlesen, wenn man einen Spoiler in Kauf nimmt.

Die Presse ist weitestgehend einer Meinung und bezeichnet die in den verfallenen Staaten von Amerika angesiedelte Rachegeschichte "The Last Of Us Part 2" als Meisterwerk.

Beim Meinungsaggregator Metacritic spiegelt sich das in einem Score von 95 von 100 möglichen Punkten wider. Aber auch User dürfen ihre Wertung abgeben - und dort stapeln sich erstaunlich viele Negativ-Einträge, was den User-Score auf 3,9 von 10 Punkten drückt.

Zwar ist die schweigende Mehrheit wohl glücklich mit der Fortsetzung des Endzeit-Epos für Erwachsene, doch beißen sich kritische Stimmen an mehr oder weniger dubiosen Details fest und führen fadenscheinige Begründungen für eine 0-Punkte-Wertung auf.

Denn während manche Argumente durchaus nachvollziehbar erscheinen, wirken andere kleinkariert oder gar absurd. Die schlimmsten Kritiken aber entlarven sogar diskriminierende Tendenzen. Dass es vor allem bei Letzteren gar nicht um "The Last Of Us Part 2" selbst geht, sondern um die eigene Lebenseinstellung, legt der Umstand nahe, dass unzählige Negativwertungen bereits wenige Stunden nach Veröffentlichung des Action-Adventures gepostet wurden - lange bevor sich die User also ein Gesamtbild von dem Game machen konnten.

Auch die schiere Masse an Kommentaren und Wertungen spricht für ein sogenanntes "Review Bombing" - also dem Versuch einer gezielten Meinungsbeeinflussung. Die gute Nachricht für diejenigen, denen es um den realen Inhalt geht: Den Verkaufszahlen scheint die Negativ-Kampagne nichts anzuhaben. "The Last of Us Part 2" stellt derzeit munter Absatzrekorde auf.

Mit diesen Vorwürfen sieht sich der Entwickler konfrontiert:

Schlechte Arbeitsbedingungen?

"Crunch Time" - das Buzzword bringt Menschen in der Gamesbranche auf die Palme. Denn Mitarbeiter fürchten diese Stoßzeit kurz vor der Veröffentlichung eines Titels. Überstunden und Arbeiten am Limit sind in der Branche in dieser kritischen Produktionsphase keine Seltenheit. Hat Naughty Dog die Deadline über die Bedürfnisse der Mitarbeiter gestellt? Das behaupten zumindest manche Kritiker.

Ein erfahrener Ex-Mitarbeiter allerdings behauptet das genaue Gegenteil: Jonathan Cooper, der im Bereich Animationen für Naughty Dog arbeitete, kommentiert per Twitter: "Ein erfahreneres Team hätte TLOU2 bereits vor einem Jahr veröffentlicht."

Attacke gegen die Meinungsfreiheit?

Leaks sind vielen Entwicklern ein Dorn im Auge, denn sie schüren entweder völlig falsche Erwartungen an ein kommendes Spiel oder sie verraten Details, welche die Macher gern zu einem anderen Zeitpunkt offiziell präsentiert hätten. Naughty Dog hat auf Leaks zu "The Last Of Us Part 2" teils sehr empfindlich reagiert. Beispielsweise wurden YouTube-Kanäle sanktioniert. Stecken hinter den Kritik-Bomben möglicherweise Racheaktionen der betroffenen Leaker? Das bleibt Spekulation.

Erfolgsrezept einfach kopiert?

Nachdem die Geschichte von Joel und Ellie im ersten Teil einen runden Abschluss fand, hofften manche Gamer bei der Fortsetzung auf frische Charaktere mit einem völlig neuen Plot.

Ein Wiedersehen mit Ellie und Joel wird von dieser Klientel als unnötig angesehen oder gar als Versuch gedeutet, möglichst viel Geld aus der erfolgreichen Grundidee zu ziehen, indem man diese einfach recycelt. Gegenargument: Die neue Story um Ellie ist völlig anders als die Motivation im ersten Teil. Von einer Kopie der Originalidee kann keine Rede sein.

Zu wenig asiatisch?

Geradezu hanebüchen die Vorwürfe aus der Fernost-Ecke: Einige Hardcore-Fans der japanischen Popkultur kritisieren den westlichen Stil der Charaktere, der Animationen und des Gamedesigns, der im Vergleich zur künstlerischen, farbenfrohen und comicartigen Überzeichnung im Manga- und Anime-Stil bewusst realistisch wirkt. Diese Kritiker-Fraktion empfindet die Visualisierung von "The Last Of Us Part 2" als zu nüchtern und sachlich. Das allerdings ist lediglich eine Geschmackssache und nicht wirklich etwas, was man den Entwicklern zum Vorwurf machen könnte.

Ein bisschen bi zuviel?

Besonders ärgerlich sind die Kritiker, deren Abneigung gegen "The Last Of Us Part 2" lediglich auf Ressentiments gegen andere Lebensmodelle basiert. Homophobe Menschen tragen ihren Argwohn gegen die bisexuelle Veranlagung der Protagonistin teils unverhohlen zur Schau. Noch fieser: negative Bewertungen, die andere Gründe als Deckmantel nutzen, aber eigentlich dem Image des Games aus weltanschaulichen Gründen schaden sollen: nämlich der Aversion gegen Ellies geschlechterübergreifende Offenheit für die Liebe.

Doch nicht nur Schwulen- und Lesbenhasser diskreditieren diesen Aspekt des Storytellings und des Hauptcharakters: Kritik kommt auch aus den Reihen der Queer-Community selbst. Dass die weibliche Figur ihren Rachefeldzug aufgrund des Todes ihrer Herzensdame startet, erscheint manchen in der LGBTQ-Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer) als arg klischeehafter Plot. Dass Homosexuelle in dem Spiel leiden und sterben müssen, wird von manchen ebenfalls kritisiert, da sie dahinter die versteckte Botschaft vermuten: Es ist Menschen mit dieser sexuellen Veranlagung nicht vergönnt, eine glückliche Beziehung zu führen. Anhänger dieser These verweisen gern darauf, dass Ellie bereits im DLC "Left Behind" den schmerzhaften Verlust eines geliebten Menschen hinnehmen musste. (tsch)  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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