Torben Liebrecht ist in dem von Veronica Ferres produzierten Film "Entführt – 14 Tage Überleben" (14. September, RTL, 20.15 Uhr) zu sehen, der sich mit einem der spektakulärsten Entführungsfälle der deutschen Nachkriegszeit befasst. Wir haben mit dem Schauspieler über die Hintergründe des Falls und seine Rolle gesprochen. Zudem blickt der 45-Jährige auf den Erfolg der Serie "Gestern waren wir noch Kinder" sowie auf die anhaltenden Streiks in Hollywood.

Ein Interview

Herr Liebrecht, der Spielfilm "Entführt – 14 Tage Überleben" erzählt die Entführung von Johannes Erlemann aus dem Jahr 1981. Sie waren damals erst drei Jahre alt und damit acht Jahre jünger als das Entführungsopfer. War Ihnen die Geschichte dennoch ein Begriff?

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Torben Liebrecht: Ich wurde Ende der 1970er Jahre geboren und verbinde mit dieser Zeit eher die Berichte über Anschläge der RAF und die Bilder von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten, die am Sachsenwald standen, wo ich aufgewachsen bin. Tatsächlich war mir der Entführungsfall von Johannes Erlemann so nicht bekannt. Diese Geschichte ist auf vielen Ebenen unglaublich berührend und vertrackt, sodass ich nach dem Lesen des Drehbuchs umso erstaunter über meine Bildungslücke war.

Was macht diesen Fall aus Ihrer Sicht so spannend, dass er letztlich für filmreif befunden wurde?

Die Gesamtkonstellation. Jemand, der wirtschaftlich wahnsinnig erfolgreich ist (Joannes' Vater Jochem Erlemann, gespielt von Torben Liebrecht; Anm.d.Red.), kommt wegen eines vermeintlichen Steuerbetrugs in Untersuchungshaft. Das gesamte Vermögen wird eingefroren, der ältere der beiden Söhne erkrankt schwer an Krebs und nahezu parallel dazu wird der jüngste Sohn entführt. Zunächst glauben die Behörden den Eltern nicht und gehen von einem vorgetäuschten Verbrechen aus – von einem Versuch der Eltern, mithilfe des Lösegelds wieder liquide zu werden. Der Fall ist ein Stück bundesdeutscher Zeitgeschichte. Er ist voller faszinierender und zugleich erschreckender Details und durchzogen vom Überlebenswillen eines elfjährigen Jungen.

Faszinierend ist auch die Tatsache, dass der inzwischen über 50-jährige Johannes Erlemann beratend zur Seite stand. Wie haben Sie ihn erlebt?

Mich hat vor allem beeindruckt, dass Johannes von sich selbst nie als Opfer spricht. Er bezeichnet sich als Überlebenden. Das ist ein starkes Bekenntnis zur eigenen Kraft und dazu, dass er sich bestimmte Dinge nie hat nehmen lassen. Ich durfte einen Menschen kennenlernen, der mit einer großen Neugier und Zuneigung auf uns alle geblickt hat. Er hat sofort verstanden, wie wichtig es uns war, ihm und seiner Geschichte gerecht zu werden. Daher hat es uns Johannes ermöglicht, dass wir ihm Fragen stellen, einen Einblick in sein großes Archiv erhalten und so unter anderem den Erpresserbrief sichten durften. Dafür bin ich ihm sowie der gesamten Produktion sehr dankbar.

Als Produzentin zeichnete Veronica Ferres verantwortlich. Ist sie auf diesem Gebiet ähnlich begabt wie als Schauspielerin?

Ja, Veronica ist fantastisch. Sie ist längst viel mehr als "nur" reine Schauspielerin und hat bereits zahlreiche internationale Filme produziert, darunter "The Unforgivable" (an der Seite von Sandra Bullock und Graham King; Anm.d.Red.), einen der bis heute international erfolgreichsten Titel für Netflix. Ich ziehe den Hut davor, wie klug sie sich aufstellt – über den großen Teich und weit über den eigenen Tellerrand hinaus. Das machen nicht viele. Veronica hat eine klare Vision und die unbedingte Leidenschaft für gute Geschichten – sie spielt nicht Produktion, sie ist Vollblutproduzentin.

Wer und wie war dieser millionenschwere Investor Jochem Erlemann, der 2009 verstarb und in dessen Rolle Sie nun geschlüpft sind?

Jochem Erlemann war ein hochintelligenter Mann mit Charisma und großer Lebensfreude. Bereits in relativ jungen Jahren gelang es ihm, Steuersparmodelle zu finden, darunter das "Bauherrenmodell". Dafür nutzte er mitunter gewisse Hebeleffekte und Schlupflöcher. Ob die Gesellschaft davon profitiert hat, steht sicher auf einem anderen Blatt. Er rückte dann ja auch ins Fadenkreuz der Finanzbehörden. Dennoch steht außer Frage, dass er sehr fleißig und umtriebig war. Mit 29 baute er in New York seinen ersten Wolkenkratzer, Donald Trump war damals sein Vertriebsmitarbeiter, also sein Angestellter. Dass die Erfolgsserie "Dallas" ins deutsche Fernsehen kam, hatte auch mit seinem Investment zu tun. Zudem fungierte er als Präsident des Eishockey-Klubs Kölner Haie. Ein Hansdampf in allen Gassen!

Was reizt Sie grundsätzlich an Kriminalfällen? In der ZDF-Serie "Gestern waren wir noch Kinder" spielten Sie einen Anwalt, der seine Frau ermordet hat …

Zunächst einmal freue ich mich sehr über den riesigen Erfolg. Die Serie verzeichnet bis heute über 23 Millionen Abrufe in der ZDF-Mediathek. "Gestern waren wir noch Kinder" wurde zudem gerade in zwei Kategorien (Bestes Buch Fiktion und Bester Mehrteiler) für den Deutschen Fernsehpreis und als beliebteste Serie beim "Blauen Panther", dem Bayerischen Fernsehpreis, nominiert.

Für mich ist die Serie allerdings kein klassischer Krimi, sondern ein Familiendrama, das auch einen Kriminalfall enthält. Familiengeschichten haben in Deutschland eine große Tradition. Man erinnere sich an Klassiker wie "Die Wicherts von nebenan" oder "Ich heirate eine Familie", die ich mitunter heute noch gerne sehe. Damals fanden diese Familienserien in einem sehr heilen Raum statt, während heute eher auf eine dramatisch-horizontale Erzählweise auf der Höhe der Zeit gesetzt wird.

"Diese Dichte an Beziehungstaten erschreckt mich und ist ein Problem, über das wir als Gesellschaft sprechen müssen."

Torben Liebrecht

Die große Qualität von "Gestern waren wir noch Kinder" ist, dass die Serie sich ernsthaft mit der Frage "Was tun sich Menschen in diesem an sich geschützten Raum Familie an?" auseinandersetzt und sie in den richtigen Momenten immer wieder gekonnt mit Humor bricht. Peter Klettmann, den ich verkörpere, will für seine Familie eigentlich nur das Beste, driftet aufgrund diverser Verkettungen jedoch genau ins Gegenteil ab. Das war für mich als Schauspieler eine dankbare Vorlage.

Auch wenn die Geschichte fiktiv ist: Von ähnlichen Tragödien, mit denen im Umfeld niemand gerechnet hat, liest man immer wieder.

In Deutschland wird an jedem dritten Tag das Leben einer Frau durch einen Partner oder Ex-Partner ausgelöscht. Diese Dichte an Beziehungstaten erschreckt mich und ist ein Problem, über das wir als Gesellschaft sprechen müssen. Häufig werden Menschen zu Tätern, von denen man es nie erwartet hätte – etwa der unscheinbare nette Nachbar, der immer freundlich gegrüßt hat.

Wie hat diese Erfolgsserie Ihr Leben verändert? Werden Sie inzwischen noch häufiger auf der Straße erkannt?

Auf mich kommen manchmal Leute zu und sagen: "Wir kennen uns doch irgendwoher." Das passiert eher, als dass man mich direkt mit einem Film oder einer Serie in Verbindung bringt. Aber ja, "Gestern waren wir noch Kinder" fällt in die Kategorie Leuchtturm-Projekt, das die Menschen zuordnen können. Mich freut, dass sehr viel und sehr positives Feedback gekommen ist. Die Serie hat sowohl die Generation TikTok als auch die Zuschauer im Alter von 60+ abgeholt, die darin vielleicht Anteile ihrer eigenen Familiengeschichte entdecken konnten. Was meinen Bekanntheitsgrad angeht, bin ich froh, dass ich weiterhin Bus fahren kann, ohne mir eine Kapuze über den Kopf ziehen oder eine Sonnenbrille aufsetzen zu müssen. Ich habe meine Ruhe.

Sie gehören also nicht zu denjenigen, die sich mehr "Fame" wünschen?

Nein, ich möchte in Ruhe arbeiten und ich möchte spannende Geschichten erzählen – ganz egal, ob in der Rolle eines Guten oder eines Antagonisten. Auch wenn ich in der Vergangenheit häufiger den Bösen gespielt habe als den klassischen Guten, hat es sich zuletzt ganz gut die Waage gehalten.

Würden Sie nicht gerne mal das Blatt wenden und häufiger der Gute sein?

Die Sehnsucht, der Gute zu sein, der Ermittler, der den Fall am Ende löst, ist urmenschlich. Wenn man aber genau hinschaut, sind die Bögen der antagonistischen Figuren oft interessanter. Die emotionalen Ausschläge sind mitunter radikaler. Und das macht es natürlich spannend, weil man mehr zeigen darf.

Sie sind zudem als Synchronsprecher aktiv. Unter anderem leihen Sie regelmäßig Tom Hardy Ihre Stimme. Was ist für Sie das Reizvolle an dieser Arbeit?

Eine Synchronarbeit ist für mich die Freude, große internationale Produktionen schon sehr früh sehen und mich künstlerisch mit ihnen auseinandersetzen zu können. Hinzu kommt dieser Moment der vollen Hingabe und Konzentration darauf, zu verstehen, was der Schauspieler im Original macht, welche Entscheidungen er als Künstler getroffen hat. Das ist ein sehr intimer und fordernder Prozess. Ich bin dankbar, dass ich diese Eindrücke bekomme und das alles genießen darf.

Sind Sie Tom Hardy oder anderen Darstellern, die Sie sprechen, jemals begegnet? Wissen die von Ihnen?

Ich möchte diese Schauspieler weiterhin aus der Ferne bewundern können und halte es im Zweifelsfall mit dem Motto "Never meet your idol".

In Hollywood wird nach wie vor gestreikt. Wie beurteilen Sie diese Situation als jemand, der auch in internationalen Produktionen wie "Operation Finale" oder "Altered Carbon" mitgespielt hat?

Das amerikanische System ist ein anderes als das deutsche. Und dennoch handelt es sich in vielerlei Hinsicht um eine Blaupause, die uns auch hierzulande betreffen wird. Dieser Arbeitskampf, der sich gerade in den USA abspielt, ist essenziell.

"Das Geschichtenerzählen bestimmt unser Wesen und sichert unsere Identität als Menschen. Ich will nicht, dass Algorithmen sie wiederkäuen, verfälschen und manipulieren."

Torben Liebrecht

Wir stecken mit KI inmitten der radikalsten industriellen Revolution aller Zeiten, die im Grundsatz sämtliche künstlerisch-schöpferischen Prozesse bedroht. Es geht um die Zukunftssicherheit von Arbeitsplätzen und den Schutz von kreativer Leistung sowie geistigem Eigentum. Das Geschichtenerzählen bestimmt unser Wesen und sichert unsere Identität als Menschen. Ich will nicht, dass Algorithmen sie wiederkäuen, verfälschen und manipulieren.

Warum stellt die KI gerade für die Filmbranche eine so große Gefahr dar?

Wir alle erinnern uns noch an die riesigen Kampagnen der Filmindustrie gegen Raubkopien. Alle Studios und Verleiher haben sich damals zu Recht stark gemacht. Die KI ist vereinfacht gesagt nichts anderes als eine riesige digitale Raubkopie von geistigem Eigentum ohne kreative Eigenleistung. Es wird das Werk von Menschen – sei es in Form von Geschichten, Stimmen, Bildern oder Drehbüchern – beliebig vervielfältigt und manipuliert, ohne sie um Erlaubnis zu fragen oder an entstehenden Gewinnen zu beteiligen. Das ist nicht tragbar.

Sehen Sie weitere Gefahren über die KI hinaus?

Die KI ist der eine Teil der digitalen Revolution, Streaming ist der andere. Es werden Sachen produziert, die auf einmal rund um die Welt in 150 Ländern laufen. Hat nicht derjenige, der einen signifikanten, kreativen Beitrag dazu geleistet hat, ein Anrecht auf eine angemessene Form der Vergütung? Es geht nicht um die großen Stars, sondern um den breiten, unsichtbaren Mittelbau. Viele Menschen können von diesem Beruf kaum noch leben, geschweige denn überleben. Die Gewerkschaft SAG-AFTRA hat es gut auf den Punkt gebracht: Man kann nicht das Geschäftsmodell grundlegend ändern und dann erwarten, dass die Rahmenverträge die gleichen bleiben. Wenn man jetzt am falschen Ende nachgibt, dann wird man das im Leben nicht mehr einholen. Von daher befinden wir uns inmitten des wichtigsten Kampfes, den wir als Kunst- und Kulturschaffende je geführt haben.

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