Im "Tatort: Meta" wähnt sich Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) einer Verschwörung auf der Spur. Das Ziel: die Organisation Gehlen, der Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND). Vorläufer? Oder eher eine Art Schattendienst, der immer noch existiert und für den BND die "Drecksarbeit" erledigt, wie eine von Karows Hypothesen im Film lautet?
Klar ist: Die Organisation Gehlen hat es gegeben. Sie ist benannt nach dem Generalmajor Reinhard Gehlen, der im Oberkommando der Wehrmacht als Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) für Erkenntnisse über die Rote Armee zuständig war - und zwar von April 1942 bis April 1945, wie es auf der Webseite des Bundesnachrichtendienstes (BND) heißt.
Gehlen wusste also viel über das sowjetische Militär. In der Nachkriegszeit war ihm das von Nutzen. Als Generalmajor im Oberkommando der Wehrmacht war er noch ein Feind der Alliierten gewesen. Nach 1945 und vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Ost-West-Konfliktes war er Berater der USA in Sachen Sowjets.
Ex-Mitglied der Wehrmacht wird erster BND-Präsident
Seine unter US-amerikanischer Führung betriebene Aufklärungseinheit hatte den Codenamen "Operation Rusty" und ihren Sitz in Oberursel im Taunus. Da Gehlen die Gruppe leitete, etablierte sich der Name "Organisation Gehlen".
Im Dezember 1947 zog sie aus dem Taunus nach Pullach bei München um. Zwei Jahre später übernahm die noch junge Central Intelligence Agency (CIA) die Führung der Organisation Gehlen vom US-Militär. Sie hieß jetzt "Operation Zipper".
Unter Kanzler Adenauer plante die damalige Regierung der Bundesrepublik Deutschland "im Interesse der äußeren Sicherheit" einen deutschen Auslandsnachrichtendienst aufzubauen. Gehlen bemühte sich darum, mit seiner Organisation den Kern dieses Dienstes zu bilden. Und so geschah es auch: Laut BND-Chronik fasste die Bunderegierung am 11. Juli 1955 den Kabinettsbeschluss "zur Einrichtung einer Dienststelle 'Bundesnachrichtendienst', die dem Bundeskanzleramt angegliedert wird und in der die Organisation Gehlen aufgehen soll". Ein Jahr später wurde Gehlen der erste BND-Präsident. Er blieb es bis 1968.
Doch was hat die "Organisation Gehlen" eigentlich gemacht? Historiker und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom weiß es. Es habe sich vor allem um Spionage gegen die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), die Sowjetunion und deren Satellitenstaaten in Ostmitteleuropa gehandelt, erklärt er dem Deutschlandfunk.
Insbesondere während der Berlin-Blockade 1948 hätten Gehlen und seine Agenten über ihre "guten funktechnischen Aufklärungsmöglichkeiten" die US-Amerikaner darüber unterrichtet, was die sowjetischen Luftstreitkräfte im Luftraum der DDR oder SBZ getan haben. "Sie waren damit für das Aufrechterhalten der 'Luftbrücke' unverzichtbar."
Spioniert hat die Organisation Gehlen allerdings auch im Inland, wie die Unabhängige Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND (UHK/BND) vor einigen Jahren herausfand. Ob das allerdings illegal war, ist bis heute nicht abschließend geklärt - auch weil nicht alle Unterlagen vorhanden sind, die zu einer Klärung nötig wären.
Bis zu 400 Gehlen-Mitarbeiter in SS-Machenschaften verstrickt?
Nicht mehr bezweifelt wird indes, dass in der "Operation Gehlen" zahlreiche Alt-Nazis unterkamen. Neuere Aktenfunde hätten ergeben, "in welchem Umfang SD-, Gestapo-Leute, und zwar auch solche, denen Kriegsverbrechen nachzuweisen sind, in die 'Organisation Gehlen' eingetreten sind", so der Historiker Schmidt-Eenboom.
In einem nicht unerheblichen nämlich, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor einigen Jahren unter Berufung auf den US-Historiker Kevin C. Ruffner schrieb. Ruffner gehe davon aus, dass etwa zehn Prozent aller Gehlen-Mitarbeiter der Frühphase in Machenschaften der SS verwickelt gewesen seien, bis hin zum Holocaust. "Bei einer vermuteten Stärke der Organisation Gehlen von 4.000 Mann im Sommer 1949 wären das etwa 400 Mann gewesen."
Michael Müller, der Autor des Buches "BND – Gegen Freund und Feind" sagte dazu dem Deutschlandfunk, dass Gehlen beim Aufbau "seines" Geheimdienstes natürlich auch auf geschultes Personal habe zurückgreifen müssen. "Und deswegen, glaube ich, hat Gehlen das einfach ohne große Skrupel genutzt, um an Personal zu kommen.
Existiert die Organisation noch heute?
Nun aber zum Kern der Gehlen-Thematik im "Tatort": Wie realistisch ist es, dass die Organisation als Geheimbund innerhalb (oder auch außerhalb) des BND weiter existiert?
Der Historiker Gerhard Sälter, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der UHK/BND hält dies für unrealistisch. Gegenüber der "Bild"-Zeitung erklärt er: "Aus der Organisation Gehlen wurde 1956 der Bundesnachrichtendienst. Schon von daher ist es absurd, dass die OG Gehlen neben dem BND weiter existierte." Auch mit Blick auf die Alt-Nazis der Organisation sei ein Fortbestehen bis heute mehr als unwahrscheinlich. "Wenn diese heute noch aktiv wären, wie im Film angedeutet, müssten sie 100 Jahre und älter sein."
Die "Tatort"-These findet in der Realität also wenig Halt.
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