Im letzten Dortmunder "Tatort" starb Kommissarin Martina Bönisch in den Armen des verliebten Peter Faber (Jörg Hartmann) – ausgerechnet, nachdem sie sich endlich näher gekommen waren. Und weil sie ihren depressiven Kollegen so gut kennt, rang Martina Bönisch ihm ein Versprechen ab: "Du bleibst hier!"
"Du bleibst hier" handelt von Fabers verzweifeltem Bemühen, sein Versprechen einzulösen. Hierzubleiben. Weiterzumachen. Erst einmal tut er das in typisch rastloser Faber-Manier: Sieht aus wie ein Penner, schläft in seinem klapprigen Manta, fährt durch Straßen, rennt durch Wälder und springt in Stauseen.
Die Kollegen Rosa Herzog (
Aber ihre Ermittlungen führen zu einem vermissten Immobilienhai, dessen Spezialität die Umwandlung von Mietwohnungen in Luxuseigentum ist. Und in einer dieser bedrohten Mietwohnungen treffen sie Josef Faber (Wolfgang Rüter) – den Vater des Kommissars. Als er zum Verdächtigen wird, schaltet sich der Sohn trotz Krankschreibung natürlich in die Ermittlungen ein.
Der vordringliche Untersuchungsgegenstand in diesem "Tatort" ist allerdings der Umgang mit Verlust. Wir gucken Faber beim Trauern zu. Um Bönisch, aber auch um das verloren gegangene Verhältnis zum Vater. Faber-Fans können sich über einen tiefen Einblick in die Kindheit der geschundenen Kommissarenseele freuen.
Der Trauer wird überhaupt viel Raum gelassen – zu viel. Faber ist ja nicht der Einzige, der leidet. Auch Rosa hat mit traumatischen Erinnerungen an den letzten Fall zu kämpfen. Und Pawlak befindet sich in der Wer-weiß-wie-vielten Trauerphase um seine Ehe. Es geht um Freundschaft, Loyalität und gegenseitige Schuldgefühle.
Einzig die gewohnte Ruppigkeit des Dortmunder "Tatort" schützt vor zu viel Melodramatik. Hier spielt Wut immer eine größere Rolle als Schwermut, und dank des Friseursalons Engel, der Vater Fabers bestem Freund Martin (Andreas Schröders) gehört und in dem bei Sekt und Apfelkuchen immer noch dieselben munter schwatzenden Kundinnen bedient werden wie vor dreißig Jahren, darf sogar gelacht werden.
Trotzdem geht die Emotionalität zulasten des Kriminalfalles und des Tempos. Indem "Du bleibst hier" (Regie: Richard Huber) seinen aufgewühlten Kommissaren so viel Raum zum Trauern gibt, zieht sich die Handlung dahin und verliert alle Spannung und Dringlichkeit, die "Liebe mich!" zu so einer starken Geschichte gemacht hat.
"Du bleibst hier" ist dagegen ein seltsamer "Tatort". Das Drehbuch hat Darsteller
Die Krimigeschichte wirkt überladen und vernachlässigt zugleich – außer dem Immobilienhai ist da noch seine getrennt lebende Frau, ihr ans Bett gefesselter Sohn, ein ebenfalls verschwundener Drogenhändler und eine aufmüpfige Teenagerclique im Park. Diese Figuren werden wie Alibis über die Handlung verstreut, wie zum Beweis, dass das zu klärende Verbrechen nicht vergessen wurde.
Aber es geht eben nicht wirklich um den Kriminalfall – es geht um eine intensivere Beschäftigung mit den in der letzten Folge aufgerissenen Wunden. Wer "Liebe mich" nicht gesehen hat, sollte das mithilfe der ARD Mediathek deshalb unbedingt noch tun, bevor er sich "Du bleibst hier" widmet.
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