Comedy zum Wohlfühlen, Science-Fiction, schwarzer Humor viele Produktionen von Apple TV+ setzen sich von Netflix und Co. ab. Darunter auch die derzeit beste Serie.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wer kennt das nicht: ein typischer Feierabend auf der Couch, der Fernseher läuft und zeigt den Startbildschirm des favorisierten Streaming-Anbieters an. Für die meisten ist das Prime Video oder Netflix, mit tausenden Titeln. Man scrollt durch die Vorschaubilder, Minute um Minute vergeht, die Entscheidung zieht sich hin und irgendwann ist man so genervt, dass man lieber ins Bett geht. Das liegt daran, dass die beiden Marktführer ständig so viele neue Titel produzieren oder einkaufen, dass Zuschauer kaum noch mitkommen. Oder gelangweilt von den immer gleichen Produktionen über Serienmörder, reiche Teenager und datende Realitystars abschalten.

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Es gibt allerdings einen Anbieter, dessen Marktanteil in Deutschland so klein ist, dass er in manchen Statistiken nicht einmal vorkommt. Die Rede ist von Apple TV+, das sich per App oder mit Set-Top-Boxen streamen lässt. Der Anbieter ist seit 2019 am Start, konnte Hochkaräter wie Natalie Portman, Reese Witherspoon und Jennifer Aniston für sich gewinnen und produziert seit Jahren einige der interessantesten Filme und Serien auf dem Markt.

So gewann "Coda" zum Beispiel 2022 als erste Produktion eines Streaming-Anbieters den Oscar für den besten Film. In "Wolfs" brachte der Streaming-Dienst George Clooney und Brad Pitt zusammen vor die Kamera. Wer Abwechslung von der Serien-Einheitskost sucht, findet hier aktuell einige der besten Titel. Wir zeigen Ihnen vier aktuelle Beispiele, warum der Streaming-Anbieter gerade der beste auf dem Markt für Serienfans ist.

"Severance": Als hätte David Lynch "Stromberg" gedreht

Die Zukunft? Die Gegenwart? Irgendein Paralleluniversum? So richtig klar ist das in "Severance" nicht. Mark Scout (Adam Scott) beginnt nach dem Tod seiner Frau, im Büro von Lumon Industries zu arbeiten. Das Unternehmen hat eine ganz neue Technik entwickelt: Durch ein Implantat im Gehirn werden die Erinnerungen von Privat- und Arbeitsleben getrennt. Sobald sich die Aufzugtüren vor Mark öffnen, ist er ein "Innie".

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Irgendwie er selbst, aber doch ein vollkommen eigenständiger Mensch. Was er bei Lumon macht, weiß er selbst nicht so genau. Er und seine Kollegen sitzen den ganzen Tag vor antiquierten Computerbildschirmen und schieben Zahlen in Container. Generell wirkt hier alles bizarr. Die Gänge sind klinisch weiß, die Farben blass, die Vorgesetzten schmeißen seltsame Partys mit geschnitzten Wassermelonen-Köpfen. Als Mark an dem, was er dort tut, zu zweifeln beginnt, bröckelt die Fassade.

"Severance" wirkt, als habe David Lynch versucht, seine Version von "Stromberg" zu drehen. Neben Adam Scott ("Parks and Recreation") sind John Turturro und Christopher Walken Teil des Casts, Produzent und Regisseur der Serie ist Komiker Ben Stiller, der hier ein visuell und narrativ beeindruckendes Stück Serie geschaffen hat, die ganz eigen ist und einen Sog entwickelt, der einen lange nicht loslässt. "Severance" ist aktuell eine der besten Serien überhaupt, Apple TV+ streamt jeden Freitag eine neue Folge der zweiten Staffel.

"Silo": Nach der Apokalypse

Die Zukunft scheint Apple TV+ besonders am Herzen zu liegen, viele Eigenproduktionen sind im Science-Fiction-Genre angesiedelt. Besonders angenehm geht es in keiner davon zu. In "Silo" fristet die Menschheit ihr Dasein nach einer globalen Katastrophe unter der Erde. 144 Stockwerke tief fräst sich das Silo in den Untergrund. Warum die Menschen hier leben, weiß keiner mehr, genauso wenig, wie diese leuchtenden Dinger am Nachthimmel heißen, wenn sie durch das einzige Fenster der Anlage nach außen schauen.

Klar ist nur: Wer die Anlage verlässt, stirbt. Deshalb gilt das "Säubern", also das Wischen des Sichtfensters von außen, als höchste Strafe. Obwohl alle im Silo gleich sein sollen und nach strengen Regeln leben, gibt es drastische Unterschiede zwischen den Bewohnern, je nachdem, in welchem Stockwerk sie leben. Als die Mechanikerin Juliette Nickels (Sarah Ferguson) zum Sheriff aufsteigt, findet sie bei der Untersuchung des Todes ihres Vorgängers heraus, dass das Silo mehr Geheimnisse hat, als die Bewohner ahnen.

Die Serie, die 2023 ihre Premiere feierte und deren zweite Staffel im Winter startete, beruht auf der gleichnamigen Romanreihe von Hugh Howey. Das Set-Design ist herausragend, die Stimmung klaustrophobisch. Was sich in Staffel eins langsam aufbaut, erweitert sich in der zweiten Season in vollkommen unerwartete Richtungen. Eine Fortsetzung ist bereits beschlossen. "Silo" ist nicht nur ein Tipp für Fans von düsteren Dystopien.

"Bad Sisters": Schwager aus der Hölle

Jeder kennt das Gefühl, wenn eine Freundin oder ein Familienangehöriger einen Partner mit nach Hause bringt, von dem sofort jeder denkt: was für ein, pardon, Arsch. In "Bad Sisters" ist das John Paul (Claes Bang), für den dieses Schimpfwort noch viel zu freundlich ist. Das Scheusal nennt seine Frau Grace (Anne-Marie Duff) "Mami", lässt sich von ihr von vorne bis hinten bedienen, verbietet ihr jeden Spaß und kontrolliert sie auf Schritt und Tritt. Für ihre Schwestern Eva (Sharon Horgan), Ursula (Eva Birthistle), Bibi (Sarah Greene) und Becka (Eve Hewson) ist es eine Qual, das mitzuerleben. Zumal John Paul sich immer wieder neue Abscheulichkeiten ausdenkt, um sie zu terrorisieren. Also beschließen sie in der ersten Staffel der schwarzen Comedyserie, ihren Schwager umzubringen. Doch der erweist sich als widerstandsfähiger als gedacht.

Einen fieseren Charakter als John Paul hat es im Fernsehen wohl schon lange nicht mehr gegeben. Als Zuschauer wartet man geradezu darauf, wann es das Ekel endlich erwischt. Die Produktion basiert auf der belgischen Serie "Clan" und startete 2023, die zweite, etwas schwächere Season, erschien Ende 2024. Die Geschichte der "Bösen Schwestern" ist damit eigentlich auserzählt trotzdem kursieren weiterhin Gerüchte, dass die Serie fortgesetzt werden könnte. Verdient hätte sie es auf jeden Fall. Kleiner Fun Fact: Becka wird von der Tochter des U2-Sängers Bono gespielt.

"Shrinking"

Jimmy (Jason Segel) ist Therapeut und seit dem Tod seiner Frau depressiv. Er betäubt sich mit Alkohol und Tabletten, feiert mit fremden Frauen Partys. Als das nicht hilft, versucht er, seinen Patienten direkt zu sagen, was er von ihnen denkt. So schlägt er beispielsweise Stammpatientin Grace vor, endlich ihren übergriffigen Mann zu verlassen. Als die das wirklich tut und sich wie befreit fühlt, macht er mit seiner radikalen Methode weiter. Ganz zum Entsetzen seines Kollegen Paul (Harrison Ford).

Serien, die irgendwie gute Laune machen, ohne flach zu sein, sind selten. "Shrinking" ist eine davon. Erfunden wurde sie von Showrunner Bill Lawrence, der ein rares Talent in dieser Kategorie ist. Mit "Scrubs - Die Anfänger" schuf er Anfang der Nullerjahre einen Klassiker, für Apple TV+ feierte er mit der Irgendwie-Fußball-Comedy "Ted Lasso" große Erfolge. "Shrinking" fällt wieder in diese Kategorie.