Angesichts des aktuellen Konfrontationskurses von Donald Trump ist die Oscar-Verleihung mit auffallender politischer Zurückhaltung über die Bühne gegangen.

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Hollywood hätte die Chance gehabt, US-Präsident Donald Trump frontal anzugreifen und zu verärgern. Schließlich war Sebastian Stan bei den Oscars für seine schmierige Trump-Verkörperung im Biopic "The Apprentice – The Trump Story" nominiert. Doch die Branche, die sich im vergangenen Wahlkampf - wenn sie sich öffentlich äußerte - fast geschlossen gegen den Republikaner und für die Demokraten ausgesprochen hatte, war bei der Oscar-Verleihung wenig auf Krawall gebürstet.

Moderationen und Reden blieben, wenn sie politischer ansetzten, eher allgemein. Am deutlichsten wurde noch der israelische Journalist Yuval Abraham, einer der Regisseure des oscarprämierten Dokumentarfilms "No Other Land", der die Nahostpolitik der USA anging.

Den Namen des Präsidenten sprach jedoch - anders als in früheren Verleihungen - niemand aus. Wer bei den Oscars nach Trump-Kommentaren suchte, fand sie in den ausgezeichneten Kinofilmen.

Gesellschaftskritische Filme statt politische Reden bei den Oscars

Die US-Filmakademie setzte in den wichtigen Kategorien auf Werke mit klarer gesellschaftskritischer Haltung. Neben dem Fünffach-Gewinner "Anora" war das etwa "Der Brutalist". Beide hinterfragen das Amerika der großen Unterschiede zwischen Arm und Reich.

Sowohl in "Anora" als auch in "Der Brutalist" geht es um Menschen mit Migrationshintergrund, die am amerikanischen Traum scheitern. Die Sympathie der Filmemacher liegt klar bei den Unterdrückten, niemals bei den Reichen.

"Anora", mit fünf Oscars der größte Gewinner des Abends, handelt von der Sexarbeiterin Ani (Mikey Madison), die in New York einen russischen Oligarchen-Sohn namens Vanya (Mark Eydelshteyn) kennenlernt. Die beiden heiraten nach kurzer Zeit - zum Ärger von Vanyas Familie, der Ani daraufhin Paroli bietet.

Das mit drei Preisen bedachte monumentale Drama "Der Brutalist" erzählt von einem jüdischen Architekten und Holocaust-Überlebenden namens László Tóth (Adrien Brody), der in den USA ein neues Leben beginnen will und in die Abhängigkeit einer superreichen Familie gerät.

Regisseur Brady Corbet sagte dem Magazin "Variety", er habe "Der Brutalist" während Trumps erster Amtszeit geschrieben. Dabei habe er im Kopf gehabt, dass es das Ziel rechtskonservativer Politik oft sei, die Zeit in die 1950er Jahre zurückzudrehen. Doch die 50er seien "sehr, sehr schwierige Jahre" gewesen.

Moderator O'Brien macht Putin-Anspielung und rügt Sandlers Outfit

Auch den zweifach ausgezeichneten Musical-Film "Wicked" - die fantasievolle und poppig daherkommende "Zauberer von Oz"-Vorgeschichte mit Cynthia Erivo und Popsängerin Ariana Grande - kann als Kritik an faschistischen Systemen gedeutet werden.

Komplett unpolitisch blieb es während der mehrstündigen Gala nicht. Allerdings musste man öfter eine gewisse Interpretationsleistung aufbringen, um die politischen Seitenhiebe gegen die Trump-Regierung zu hören.

Moderator Conan O'Brien erhielt für einen markigen Satz über den Widerstand gegen einen "mächtigen Russen" Zustimmung, der als Seitenhieb auf Trump und dessen Haltung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der seit drei Jahren Krieg gegen die Ukraine führt, zu verstehen war. Als er über die ersten Auszeichnungen für "Anora" sprach, sagte er: "Ich denke, Amerikaner sind begeistert, dass jemand endlich einem mächtigen Russen die Stirn bietet."

Auch Preisträger Brody wurde am Ende seiner langen Dankesrede politisch und sagte in Anspielung auf seine zweite Auszeichnung in einer Filmrolle als unterdrückter Jude: "Noch einmal bin ich hier, um die anhaltenden Traumata und Auswirkungen von Krieg und systematischer Unterdrückung offenzulegen, von Antisemitismus, Rassismus und Fremdbestimmung."

Er bete "für eine gesündere, glücklichere und inklusivere Welt. Und ich glaube, wenn uns die Vergangenheit etwas lehren kann, dann ist es die Mahnung, den Hass nicht unkontrolliert zu lassen."

Anspielung auf Selenskyj?

Zudem rügte O'Brien scherzend den Schauspieler Adam Sandler für sein Outfit - er saß mit Shorts und lässiger Sweatshirt-Jacke im Publikum. Für solch eine Nacht sei es wichtig, sich gut zu kleiden. Sandler fragte er: "Was hast du an?"

Das spielte vielleicht auf den beispiellosen Eklat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor einigen Tagen im Weißen Haus an. Dort wurde Selenskyj - der üblicherweise Pullover trägt -, gefragt, wieso er keinen Anzug trage. Doch ob O'Brien sich tatsächlich darauf bezog, wurde nicht ganz klar.

Vielleicht, mutmaßte der "Hollywood Reporter" kürzlich in Hinblick auf die auffallende Stille der Branche im Angesicht von Trump, hat sich Amerikas Filmbranche entschieden, still zu bleiben, weil die lautstarke Unterstützung für Kamala Harris am Ende nicht das erwünschte Ergebnis brachte.

Möglicherweise hat die Branche auch Angst vor einem steigenden Einfluss gewisser mit Trump verbündeter Multimilliardäre auf die Filmbranche. Immerhin spielte die Gala auf die Übernahme der James-Bond-Reihe durch den Tech-Konzern Amazon an. O'Brien scherzte in seiner Moderation, dass ein Amazon-Manager neuer 007 werde. (dpa/bearbeitet von vit)

Teaserbild: © Getty Images/Kevin Winter