Wer war Napoleon Bonaparte? Der Verfilmung von Ridley Scott zufolge mehr als nur ein großer Feldherr und Tyrann. "Napoleon" zeigt die menschlichen Seiten der Legende: seine Unsicherheit, seine Unangepasstheit und seine Fähigkeit, bedingungslos zu lieben.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Leon Kottmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Frankreich 1793, die französische Revolution hat eine Terrorherrschaft hervorgebracht. Die Guillotine ist im Dauereinsatz, das Land droht, im Chaos zu versinken. Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) ist zu dieser Zeit General in der französischen Armee. Bei der Einnahme von Toulon zeigt er Mut und taktisches Geschick und macht sich einen Namen in Paris.

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Weniger Mut und Geschick zeigt er bei seinen ersten Annäherungsversuchen an die junge Witwe Josephine. Napoleon ist der geheimnisvollen Schönheit (Vanessa Kirby) von Anfang an verfallen. Bei einem Fest am französischen Hof starrt er sie unentwegt an. Zu Napoleons Glück bemerkt Josephine den etwas unbeholfenen General und verführt ihn nach Strich und Faden.

Und so steht nach einem brutalen Beginn des Films nun die komplizierte Beziehung von Napoleon und Josephine im Vordergrund. Während eines Feldzugs in Ägypten ist Napoleon mit dem Kopf in Frankreich bei seiner Frau. Die antwortet nicht auf seine Briefe und hält es mit der Treue nicht so genau.

In der Liebe geht es um Macht

Napoleon kehrt körperlich unversehrt und doch schwer verletzt aus Ägypten zurück. Sogar in der Zeitung muss er lesen, dass Josephine sich mit anderen Männern vergnügt. Ungläubig und hilflos fragt er seine Frau, ob sie denn nicht wisse, was sie ihm mit ihrer Untreue angetan habe.

Diese Hilflosigkeit ist Napoleon zuwider und er versucht, das Machtgefüge in der Beziehung wieder geradezurücken. Josephine gibt sich zunächst reuevoll, nur um kurze Zeit später den Spieß umzudrehen und dem General zu zeigen, wer hier in Wahrheit von wem abhängig ist.

Zeitgleich schreitet Napoleons politischer Aufstieg voran. Mithilfe des Militärs putscht er sich an die Spitze der Republik. Er lässt sich zum Kaiser und Josephine zur Kaiserin krönen. Voller Pathos versichert er, nur das Beste für die Franzosen zu wollen – und scheint selbst daran zu glauben.

Doch im Laufe seiner Herrschaft muss er sich ausgerechnet zwischen seinem Pflichtgefühl dem Land gegenüber und seiner Liebe zu Josephine entscheiden.

Warum führt Napoleon Krieg?

Als Kaiser macht Napoleon weiter das, wofür er heute noch bekannt ist: Kriege führen und erobern. Angeblich will er den Krieg nicht, aber am Ende scheint er doch immer nötig. Nach Einschätzung vieler Historiker waren Napoleons Kriege vor allem innenpolitisch getrieben.

Die Legitimität seiner Macht basierte vor allem auf militärischen Erfolgen, und so konnte er es sich nicht leisten, durch Frieden Schwäche zu zeigen. Besonders ausführlich zeigt der Film die Schlacht bei Austerlitz (1805), den Russland-Feldzug (1812) und die berühmte Schlacht bei Waterloo (1815).

Die diplomatischen Wirrungen der Zeit werden dagegen eher knapp abgehandelt. Bei kurzen Gesprächen mit Kaiser Franz von Österreich und dem russischen Zaren Alexander tritt Napoleon stets mit Überzeugung auf, ist dabei aber wenig erfolgreich.

Napoleon war nicht wie die anderen Herrscher

Es ist seine Unangepasstheit, die potenzielle außenpolitische Partner die Nase rümpfen lässt. Anders als die anderen Herrscher kommt Napoleon "aus der Gosse". Seine Gegenüber sind dagegen stets adlig und vornehm. Sie wurden von klein auf zum Herrschen erzogen.

Joaquin Phoenix arbeitet Napoleons Macken hervorragend heraus. Sei es durch seltsame Geräusche, seinen leicht irren Blick oder den unverhohlenen Genuss an guten Speisen und Wein. Phoenix gelingt es, wie schon bei seiner Darstellung des Jokers, dass der Zuschauer Sympathie für einen streitbaren Charakter empfindet, indem er ihn durch Kleinigkeiten menschlich macht.

Man kann dem Film deshalb durchaus vorwerfen, ein allzu schmeichelhaftes Bild der historischen Person Napoleons zu zeichnen. Vorsorglich werden im Abspann deshalb die schockierenden Todeszahlen der Napoleonischen Kriege eingeblendet. Den Film selbst macht aber gerade die facettenreiche Darstellung Napoleons interessant und sehenswert.

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