Als das Weltkriegsdrama "Im Westen nichts Neues" im September Premiere hatte, deutete wenig darauf hin, dass der Film als einer der Favoriten in die Oscar-Verleihung am kommenden Sonntag gehen würde. Der Streamingdienst Netflix hat in den vergangenen Monaten weitaus teurere und prestigeträchtigere Filme produziert als Edward Bergers deutschsprachiges Kriegsdrama. Außerdem wartet die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques 1929 veröffentlichtem Erfolgsroman nicht mit strahlenden Helden und Happy End auf.
Nichtsdestotrotz zählt "Im Westen nichts Neues" mit neun Nominierungen zu den Favoriten der Gala in der Nacht zum Montag. Und er wurde nicht nur als bester internationaler Film, sondern als erster deutscher Film überhaupt für den Preis in der Hauptkategorie "Bester Film" nominiert.
Auch auf die Auszeichnung für das beste adaptierte Drehbuch und in den Kategorien Kamera, Ton, Filmmusik, Szenenbild, visuelle Effekte sowie Make-Up und Frisuren kann sich die
Dafür, dass ein deutscher Kriegsfilm solche Anerkennung erfahre, sei er "sehr dankbar", fügte der Regisseur hinzu. Bergers Werk ist die dritte Film-Adaption von Remarques Anti-Kriegsroman und es war Berger wichtig, das Buch erstmals in der Originalsprache Deutsch zu verfilmen. Wäre von ihm verlangt worden, eine weitere englischsprachige Version zu drehen, hätte er "sofort nein" gesagt, sagt er.
Zu seinem Glück ist Netflix daran interessiert, möglichst viele Märkte in aller Welt zu bedienen. Das Produktionsbudget von "Im Westen nicht Neues" in Höhe von 20 Millionen Dollar (18,8 Millionen Euro) ist für Netflix relativ niedrig, für einen deutschen Film aber eine stattliche Summe. "Vor fünf Jahren hätten wir so ein Budget, das man für einen solchen Film braucht, nicht bekommen", meint Berger.
Bemerkenswerterweise ist der Film im Ausland erfolgreicher als in Deutschland, wo er von vielen Kritikern verrissen wurde. Sie stießen sich insbesondere daran, dass der Film stark von der Vorlage abweicht.
So thematisiert er anders als das weltweit rund 50 Millionen Mal verkaufte Buch die schwierigen Waffenstillstandsverhandlungen mit den französischen Generälen. Dafür lässt er die Darstellung weg, wie einer der Helden vom Schlachtfeld heimkehrt und dort nicht mehr mit dem normalen Leben klarkommt. "Ich habe mich berechtigt gefühlt, Änderungen vorzunehmen", sagt Berger. "Warum sollte man dasselbe nochmal machen?"
Dass sein Film im Ausland anders wahrgenommen wird als in Deutschland, wo viele "Im Westen nichts Neues" schon in der Schule lesen, schildert Berger anhand einer Szene, in der eine der Hauptfiguren von hinten mit einem Bajonett erstochen wird. Berger hat die Szene als brutal und herzzerreißend angelegt, wegen der Bekanntheit der Buchvorlage aber nicht unbedingt als überraschend. Bei der Filmpremiere in Toronto habe das Publikum dennoch laut nach Luft geschnappt.
"Ich war so überrascht, weil ich das nicht geplant habe", sagt Berger. "In Deutschland ist das nicht passiert." Anders als etwa in Amerika rechne ein Deutscher bei einem in der Heimat produzierten Kriegsfilm gar nicht mit einem strahlenden Helden. Und auch als patriotischer Film ist "Im Westen nichts Neues" nicht gedacht. "Wir wollten einen sehr deutschen Film machen - aber wir machen ihn nicht für das Land", sagt Berger.
Damit ist er auf Erfolgskurs in Hollywood. "Sind wir überrascht? Natürlich", sagte der Regisseur AFP. "Ich meine, mit so etwas kann man nicht rechnen."
© AFP
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