Margrethe II. wird das Zepter am 52. Jahrestag ihres Amtsantritts an ihren Sohn Frederik übergeben. Doch was steckt hinter der überraschenden Abdankung der dänischen Königin und warum wird es am 14. Januar keine aufwendige Krönungszeremonie geben? Wir haben bei Adelsexperte Michael Begasse nachgefragt.

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Die Silvesteransprache der dänischen Königin Margrethe II., in der sie ihren Rücktritt angekündigt hatte, war laut Michael Begasse "ein royaler Überraschungscoup". Denn entgegen ihrer bisherigen Maxime ("Ich bleibe auf dem Thron, bis ich tot umfalle") informierte sie die Bevölkerung im TV über den bevorstehenden Thronwechsel, der am 14. Januar auf Schloss Christiansborg in Kopenhagen vollzogen wird. Wir haben bei dem Adelsexperten, der über das historische Ereignis live vor Ort für RTL berichten wird, über die Gründe und Hintergründe dieser Entscheidung gesprochen.

Adelsexperte: Wer behauptet, Margrethe wolle ablenken, kennt die Königin nicht

Im Rahmen der Ansprache hatte die 83-Jährige Bezug auf ihre Rückenoperation im vergangenen Jahr genommen, die zwar gut verlaufen sei, die sie jedoch zum Nachdenken über ihre Zukunft gebracht habe. Trotz dieses deutlichen Hinweises der Monarchin wird weiter spekuliert, sie wolle ihrem ältesten Sohn nur auf den Thron verhelfen, um von dessen Fremdgeh-Gerüchten abzulenken.

Zuvor wurde berichtet, dass der 55-Jährige seine Ehefrau Mary (51), die baldige Königin Dänemarks, mit einer Schauspielerin betrogen haben soll. Begasse erteilt dieser Schlussfolgerung eine Absage und stellt klar: "Jeder, der behauptet, dass Margrethe ihren Sohn mit dem eigenen Rücktritt in ein besseres Licht rücken wollte, kennt die Königin nicht. Was auch immer an diesen Gerüchten um Frederik dran sein mag: Sie haben nichts mit der Abdankung zu tun."

Eine selbstbewusste Frau mit klarer Haltung

Margrethe II., die am 14. Januar 1972 als Monarchin auf ihren verstorbenen Vaters, König Frederik IX., gefolgt war, sei eine selbstbewusste Frau, die ihre Entscheidungen zunächst mit sich selbst ausmache, ehe sie damit an die Öffentlichkeit gehe. Sie tue nichts, um irgendjemandem zu gefallen oder gar einen Gefallen zu tun – nicht einmal ihrem eigenen Sohn.

Um seine Einschätzung zu untermauern, verweist der Adelsexperte auf ein Ereignis aus der jüngeren Vergangenheit: "Vor rund zwei Jahren hat sie ihrem jüngeren Sohn Joachim, dessen Ehefrau Marie und den Kindern des Paares die königlichen Hoheitstitel weggenommen – ohne das im Vorfeld mit Frederik oder den betreffenden Personen zu besprechen. Dieses Beispiel zeigt: Margrethe ist eine Frau, die eine ganz klare Vorstellung davon hat, wie eine Königin zu reagieren und zu regieren hat." Sie sei Keine, die sich erst einmal viele Meinungen einhole, um auf diese Weise Kompromisse zu finden.

Margrethe, die "100-Prozent-Königin"

Für Begasse kam die Nachricht über die Abdankung der "100-Prozent-Königin" Margrethe "nur halb überraschend", wie er erläutert: "Sie hat im Verlauf der Jahre feststellen müssen, dass sie diese 100 Prozent, die sie von sich selbst einfordert, körperlich nicht mehr erreichen kann. Sie ist nicht mehr in der Situation, ihre Rolle als Königin so auszuüben, wie sie es bisher getan hat."

Die vergangenen Neujahrsempfänge musste Margrethe im Sitzen abhalten. "Und das gefiel ihr gar nicht." Eine sitzende Königin sei alleine vom Bild her schon problematisch. "Man muss sich das einmal vorstellen: Die Monarchin muss zu den Diplomaten aufschauen, während diese auf sie herabblicken. Wer mag es ihr verdenken, dass ihr dieses Bild wehgetan hat?"

Im vergangenen Jahr hörte die Königin auf Anraten ihrer Ärzte mit dem Rauchen auf. Jahrzehntelang galt Margrethe II. als Kettenraucherin – ein Einschnitt für die Frau, die laut Begasse "nicht nur hochintelligent und blitzgescheit" ist ("sie spricht sechs Sprachen fließend"), sondern die auch "die schönen Dinge des Lebens in vollen Zügen genießt".

Die dänische Regentin ist klug genug, um ihre Wirkung auf die Bevölkerung einschätzen zu können. Sie weiß, was sie will – und was nicht. "Ich erinnere mich noch gut an die Geschichte im vergangenen Sommer, als der norwegische König Harald bei einem Staatsbesuch vor Margrethes Füßen gestürzt ist", sagt Begasse und führt aus: "So etwas will sie niemals erleben. Daher hat sie aus meiner Sicht völlig zurecht gesagt: Ich gehe jetzt in die royale Rente."

Gibt es eine geheime Absprache unter den skandinavischen Monarchen?

Mit Blick auf die skandinavischen Monarchien ist Harald V. von Norwegen mit 86 der älteste Monarch, gefolgt von der drei Jahre jüngeren Margrethe II. von Dänemark und dem 77-jährigen Carl XVI. Gustaf von Schweden. Infolge der Abdankungsankündigung aus Kopenhagen wurde kolportiert, dass die drei Staatsoberhäupter eine Rücktrittsabsprache getroffen haben könnten.

Danach gefragt, ob Harald und Carl Gustaf in absehbarer Zeit Margrethes Beispiel folgen könnten, um der jeweils nächsten Generation den Vortritt zu lassen, antwortet Begasse: "Es gab keine geheime Absprache, aber sicherlich einen privaten Austausch, der bei den beiden Männern zum Nachdenken führt."

Eine Signalwirkung hält er demnach für möglich. Immerhin sitzt Carl Gustaf seit nunmehr über 50 Jahren auf dem Thron (und nur zwei Jahre weniger als die jetzige dänische Majestät), Kronprinzessin Victoria steht bereits in den Startlöchern.

Ähnliches gilt für den norwegischen Thronfolger Haakon, dessen Amtsübernahme nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint. "In Norwegen sehe ich eine Abdankung definitiv als die bessere Alternative für den wirklich kranken König an. Ein freiwilliger Abgang wäre mit Blick auf das Image für die Krone und nicht zuletzt für Harald selbst besser, als wenn wir ihn noch einmal auf dem Boden liegen sehen müssten", analysiert Begasse.

Dieses Beispiel zeigt: Eine vorzeitige Abdankung kann nicht schaden

Margrethe II. hat einem Szenario wie diesem nun also aus freien Stücken vorgegriffen. Dass ein Rücktritt einer Monarchin der richtige Schritt sein kann, erläutert der langjährige Beobachter der Königshäuser am Beispiel von Königin Beatrix.

Deren selbstbestimmte Abdankung vor zehn Jahren nach 30 Jahren auf dem niederländischen Thron bezeichnet er rückblickend als "königliche Geste". Begasse: "Mit ihrer damaligen Entscheidung, freiwillig in die royale Rente zu gehen, hat sie ihrem Sohn Willem-Alexander die Bürde genommen, das Amt in einer Phase der Trauer übernehmen zu müssen."

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Zudem habe sie sich diesen Ruhestand redlich verdient – genauso wie die dänische Königin heute: "Warum sollte eine Königin oder ein König in einem gewissen Alter nicht freiwillig in die Rente gehen können – auf dem Höhepunkt der Beliebtheit? Margrethe hat Zustimmungswerte von Mitte 80 Prozent. Sie geht mit ganz viel Liebe von ihrem Volk getragen in den Ruhestand. Herrlich! Besser kann man es nicht machen."

Das unterscheidet die skandinavischen Monarchien von anderen

Die Option, vorzeitig abdanken zu können, ist in gewisser Weise ein Privileg der skandinavischen Regenten. Anders als in Großbritannien oder Spanien fußen die Monarchien in Dänemark, Norwegen und Schweden nicht auf Religion und Kirche.

"Die verstorbene Queen Elizabeth II. konnte nicht einfach so abtreten, weil sie ihre Königswürde als von Gott gegeben angesehen hat. Ihrem Selbstverständnis nach stand es ihr nicht zu, eine Würde, die sie von Gott bekommen hat, abzulehnen", ordnet Begasse ein. "Für die skandinavischen Royals gilt das nicht – weder juristisch noch moralisch und auch nicht von der Historie her."

Warum gibt es keine aufwendige Krönungszeremonie?

Dieser Unterschied erklärt im Übrigen auch, warum es am 14. Januar auf Schloss Christiansborg keine große Krönung geben wird: "Die Königswürde wird nicht von Gott, sondern vom Volk gegeben. Dementsprechend ist die Ministerpräsidentin (Mette Frederiksen; Anm. d. Red.) auch diejenige, die die Abdankung von Margrethe II. entgegennehmen wird."

Der Ablauf ist bis ins kleinste Detail geplant: Um 14:00 Uhr steht eine Sitzung des Staatsrats auf der Agenda, im Rahmen derer Margrethe – im Beisein der Ministerpräsidentin – die Abdankung unterschreiben wird. Damit werden Frederik und Mary offiziell zu König und Königin.

Die Proklamation des neuen Regenten sieht vor, dass Frederiksen um 15:00 Uhr den neuen König auf dem Balkon ausrufen wird. Anschließend wird der Monarch seinen Leitspruch sprechen – so wie seine Mutter vor dann genau 52 Jahren, die damals den Wahlspruch "Gottes Hilfe, des Volkes Liebe, Dänemarks Stärke" mit der Bevölkerung teilte.

"Es ist ein rein politischer Akt, dass das Staatsoberhaupt wechselt. Mit dem Unterschied, dass dieses neue Staatsoberhaupt bis zum Lebensende das Amt bekleiden kann - sollte Frederik nicht dem Beispiel seiner Mutter folgen und vorzeitig abdanken", erläutert Begasse.

Er weist auf die Besonderheit dieses Ereignisses hin: "Zum ersten Mal seit mehr als 500 Jahren kommt es in Dänemark zu einer Abdankung. Bei Margrethe dürfen wir eines nicht vergessen: Sie ist erst auf den Thron gekommen als Königin aus eigenem Recht, nachdem die Verfassung vor 54 Jahren geändert worden ist. Sonst hätte sie gar nicht Königin werden dürfen."

Als Adelsexperte stimme es ihn allerdings ein wenig traurig, dass die Welt ab diesem Sonntag keine Königin aus eigenem Recht mehr haben werde: "Die nächste Königin wird Victoria von Schweden sein, sofern in den anderen europäischen Monarchien bis dahin nichts Unvorhergesehenes mehr passiert."

Geheimhaltung war ein "kleines Meisterwerk"

Dass es Margrethe II. gelungen ist, ihre Abdankungsabsichten so lange geheim zu halten, bezeichnet Begasse als "kleines Meisterwerk" – zumal diese Silvesteransprache nicht live ausgestrahlt, sondern aufgezeichnet worden war.

"Diese Pläne waren bis kurz vor dieser Silvesteransprache nur im Kopf der Königin. Ich bin sehr sicher, dass sie Frederik und Mary sowie die restliche Familie erst an Weihnachten informiert hat. Aber das ist typisch für Margrethe. Sie kennt sich mit Theater und Inszenierungen eben aus", gibt der Journalist schmunzelnd zu bedenken.

Mit Blick auf die Zukunft der dänischen Monarchie wisse die scheidende Regentin, dass das Feld bestellt sei und dass die – dem Vernehmen nach – älteste Monarchie der Welt frische Energie braucht. Der "royale Überraschungscoup" kam für die 83-Jährige offenbar alles andere als überraschend. Sie bleibt, um es mit den Worten Begasses zu sagen, als eine Frau und Königin in Erinnerung, die immer "eine ganz klare Vorstellung davon hatte, wie eine Königin zu reagieren und zu regieren hat".

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