Österreichs Skisprung-Legende Toni Innauer hat sich zum Skisprung-Skandal der Norweger geäußert. Für ihn ist das ein "richtiger Totalschaden".
Norwegens Skispringer haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Nach dem bei der Nordischen Ski-WM im eigenen Land aufgeflogenen Skandal um manipulierte Anzüge bezweifeln Experten die Erklärungen der Skandinavier und prangern die erfolgreichste nordische Nation an. "Sie haben moralisch alles in den Sand gefahren", sagte Österreichs Skisprung-Legende Toni Innauer am Montag in Sport und Talk auf ServusTV. "Das ist ein richtiger Totalschaden."
Anonym gefilmte und am Samstag veröffentlichte Videos zeigten, wie das norwegische Team im Beisein von Cheftrainer Magnus Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise bearbeitet, um damit die Stabilität im Flug zu verbessern.
Der ursprünglich zweitplatzierte Marius Lindvik und Johann André Forfang wurden nach dem Bewerb auf der Großschanze disqualifiziert, Lindvik behielt aber seine Goldmedaille von der Normalschanze. Beide Springer beteuerten ebenso wie Sportdirektor Jan Erik Aalbu, nichts von den Vorgängen gewusst zu haben. Aalbu sagte zudem, dass nur die zwei Anzüge wissentlich manipuliert worden seien. Brevig gab den "Betrug" zu und wurde am Montag suspendiert.
Stecher: Verdacht auf mehr Manipulation
"Dass man nichts gewusst hat, ist nicht zu glauben", meinte ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher auf ServusTV. Er fordert, dass alle Sprung-Ergebnisse der Norweger, also im Skispringen und der nordischen Kombination, annulliert werden. "Beweise hin oder her - wenn man es schafft, bei zwei Anzügen zu manipulieren, liegt der Verdacht sehr, sehr nahe, dass über die ganze WM manipuliert worden ist", sagte Stecher.
Innauer ist skeptisch, dass der ÖSV mit seiner Forderung Erfolg haben wird. "Sportrechtlich ist es nicht so einfach. Moralisch ist es einfach, man kann eins und eins zusammenzählen", sagte er.
Be- und getroffen ist
Wellinger war Zweiter auf der Normalschanze, bei einer Disqualifikation von Sieger Lindvik würde er nachträglich Gold erben. Es wäre aber nur ein schwacher Abklatsch. "Steht mir Gold zu oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber selbst wenn ich die Goldene heimgeschickt bekomme, dann war ich nicht bei der Siegerehrung, habe keine Hymne gehört, die Bilder gibt es nicht, die Emotionen. Das kann mir keiner mehr geben, selbst wenn ich die Goldene kriegen sollte, was ich nicht glaube", sagte der Olympiasieger von 2018.
Wellinger mit wenig Vorfreude auf Oslo
Am Mittwoch geht es für Wellinger zurück nach Norwegen, stehen doch die Weltcupbewerbe in Oslo auf dem Programm. Die Vorfreude hält sich in engen Grenzen. "Ich habe relativ wenig Lust, Norwegern an der Schanze zu begegnen. Weil diese Manipulation so übers Ziel ist, und für alle anderen Skispringer eine Verarsche ist", erklärte er.
Auch der österreichische Kombinierer Johannes Lamparter macht sich so seine Gedanken. Dreimal Gold und einmal Bronze holten Norwegens Männer. "Bei den Kombinierern sind keine Beweise gefunden worden, aber natürlich macht das auch mit unseren Emotionen was. Wir möchten Klarheit haben. Wir wollen davon ausgehen, wenn wer gewinnt, dann dass er fair gewinnt. Einen fahlen Beigeschmack hat es natürlich", sagte der zweifache Medaillengewinner mit dem Team.
Ex-DSV-Coach Schuster: Aussagen völlig unglaubwürdig
Heftige Kritik setzte es vom Tiroler Werner Schuster. Spekulationen und gegenseitige Anschuldigungen habe es schon immer gegeben. "Jetzt haben wir eine neue Dimension, es hat ein Level erreicht, auf dem man - das ist zumindest der erste Eindruck - von einer systematischen Manipulation sprechen kann. Jeder zeigt nun mit dem Finger auf die Norweger. Aber das ist nicht nur ihr Problem, sondern eines des gesamten Skispringens", erklärte der TV-Experte von Eurosport.
Auch der langjährige Cheftrainer der deutschen Skispringer glaubt weder Funktionären noch den Sportlern. "Jeder, der sich im Skispringen auskennt, weiß, dass seine (Anm.: Sportdirektor Aalbu) Aussagen völlig unglaubwürdig sind. Die Geschichte, dass nur zwei Anzüge für diesen einen Tag manipuliert worden seien und die Athleten nichts gewusst hätten - das ist mir sauer aufgestoßen. Das war ganz nach dem Motto: Wir geben nur das zu, was man uns zu 100 Prozent nachweisen kann", erklärte Schuster.
Hannawald mit "Würgreiz"
Einig in ihrem Urteil sind sich auch die deutschen Olympiasieger
Dem schloss sich Schmitt an. Er glaube nicht, "dass Lindvik und Forfang als Weltklasse-Springer Änderungen im Spannungsverhalten ihres Anzuges nicht bemerken", so Schmitt. Unglaubwürdig ist das Duo auch für den einstigen ÖSV-Star Andreas Goldberger. "Sie sind ja tagtäglich in so einem Sprunganzug drin. Und wenn dann plötzlich ein anderer Sprunganzug da ist, sollte man das schon spüren", sagte der Oberösterreicher im ORF-TV-Interview.
Wie reagiert die FIS?
Schuster sieht nun auch die FIS in Zugzwang. Der Ski-Weltverband "ist nicht ganz unschuldig in dieser Angelegenheit. Die Verantwortlichen müssen sich fragen: Wie konnte es so weit kommen? Das Regelwerk muss überarbeitet, der Dialog mit den Verbänden gesucht werden", meinte der Tiroler.
Auch Stecher sieht die FIS gefordert: "Es wäre wichtig, Klarheit zu schaffen vonseiten der FIS. Das ist man den Athleten und Nationen schuldig." Zudem sollten die Kontrollen weiterentwickelt werden, mit mehr Personal, mehr Scannern und besserer digitaler Unterstützung. "Aber was da passiert ist, ist ganz schwer zu erkennen, war ganz gefinkelt gemacht", erklärte Stecher. (APA/bearbeitet von pak)