Norwegen hat betrogen - darüber wurde die Skisprungwelt am Wochenende aufgeklärt. Die Manipulation an den Anzügen zieht weite Kreise. Der deutsche Verband zeigt sich geschockt, Österreich fordert weitreichende Konsequenzen und Norwegens Skisprung-Stars sind selbst "am Boden zerstört".
Der Deutsche Skiverband (DSV) ist von dem Ausmaß des norwegischen Betrugs im Skispringen vollkommen geschockt. "Das macht einen schon sprachlos, wenn man sich vor Augen führt, wie hier offensichtlich ohne jegliche Skrupel manipuliert wurde", teilte Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach auf dpa-Anfrage mit. Der Verband fordert eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse und die damit verbundenen Konsequenzen.
Anonym gefilmte und veröffentlichte Videos sorgen im Skispringen seit Samstag für große Aufregung. Auf den Bewegtbildern ist zu sehen, wie das norwegische Team im Beisein von Cheftrainer Magnus Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise bearbeitet. Sportdirektor Jan Erik Aalbu hatte am Sonntag bei einer Pressekonferenz eingestanden, dass der Verband bei zwei Anzügen wissentlich betrogen habe.
Das wahre Ausmaß des Skandals ist bislang nicht absehbar. "Fakt ist, dass die Vorwürfe und Verdachtsmomente, die seit gestern im Raum stehen, deutlich weiterreichen als das, was von norwegischer Seite nun eingeräumt wurde", sagte Schwarzbach weiter.
Österreich fordert weitreichende Konsequenzen
Die Österreicher gehen noch einen Schritt weiter als der DSV und wollen den norwegischen Teams von Skisprung und Kombination alle WM-Medaillen aberkennen. Nach der Pressekonferenz von Norwegens Aalbu schimpfte Geschäftsführer Christian Scherer. "Es gab null Einsicht. Das war sehr eigentümlich, arrogant und nicht sehr glaubwürdig. Auf die wesentlichen und offensichtlichsten Fragen hat er keine Antworten gegeben", sagte Scherer. Aalbu betonte, vorab nichts von den Machenschaften gewusst zu haben.
Das reicht Scherer nicht. "Diese Arroganz gehört abgestraft. Wenn jemand seine Disziplin nicht im Griff hat, dann ist er reif für einen Rücktritt", forderte der ÖSV-Funktionär. Er legte den Norwegern nahe, im Laufe der Ermittlungen alle Verantwortlichen bis auf Weiteres zu suspendieren.
Norwegens Skistars "am Boden zerstört"
Norwegens Skisprungstars Marius Lindvik und Johann Andre Forfang bestreiten derweil, bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim vorsätzlich mit manipulierten Anzügen gesprungen zu sein. In einer Stellungnahme des norwegischen Skiverbandes erklärten sie am späten Sonntagabend: "Wir sind beide absolut am Boden zerstört. Keiner von uns wäre mit Anzügen gesprungen, von denen wir wussten, dass sie manipuliert waren."
Lindvik, der am Samstag WM-Silber von der Großschanze nachträglich verloren hatte, und Forfang betonten, sie hätten "immer großes Vertrauen in das Betreuerteam gehabt", dieses hätte "immer hart daran gearbeitet, wettbewerbsfähige Ausrüstung zu entwickeln."
Zugleich räumten sie ein, dass alle Athleten eine gewisse Verantwortung für ihre Ausrüstung trügen, allerdings hätten sie "keine Routine, die Arbeit des Betreuerteams zu überprüfen, zum Beispiel was die Nähte angeht. Daraus müssen wir lernen."
Der 26-jährige Lindvik, der bei der Heim-WM in Trondheim zuvor Gold von der Normalschanze vor Andreas Wellinger gewonnen hatte, und der drei Jahre ältere Forfang forderten laut ihrer Stellungnahme "volle Transparenz über die Vorgänge, wir freuen uns auf das Gespräch mit den FIS-Ermittlern". (dpa/sid/bearbeitet von ska)