Das Skispringen versinkt nach einem Manipulationsskandal im Chaos. Erhält Andreas Wellinger nachträglich WM-Gold?
Dreist manipulierte Anzüge, Zoff zwischen den Nationen, WM-Gastgeber Norwegen plötzlich am Pranger und der Weltverband unter Schock: Ein mutmaßlicher Betrugsskandal rund um ein anonymes Video hat das Skispringen zum WM-Abschluss in seine tiefste Krise seit Jahren geführt. "Das ist ein Desaster. Das macht mich wütend und traurig", sagte DSV-Sportdirektor Horst Hüttel an einem schwarzen Wochenende,
Auslöser des größten WM-Skandals seit der Blutdoping-Razzia 2019 in Seefeld waren Bilder wie aus einem Agentenkrimi. Offenbar durch abgeklebte Fenster eines Hotelzimmers sind Näharbeiten an einem Sprunganzug zu sehen, Norwegens Cheftrainer Magnus Brevig schaut zu. "Die Videos weisen ganz klar einen extrem hohen Manipulationsverdacht auf", sagte Hüttel.
Die Folge war verheerend: Drei Nationen legten noch während des Wettkampfs von der Großschanze Protest ein. Der Norweger Marius Lindvik, Sieger von der Normalschanze, holte dennoch zunächst Silber, bei der folgenden Kontrolle wurde aber ein unerlaubter Eingriff festgestellt – Lindvik und zwei weitere Norweger wurden disqualifiziert. "Ich bin schockiert. Mit so etwas hätten wir nicht gerechnet", sagte Renndirektor Sandro Pertile von der Fis.
Die Norweger haben offenbar eine nicht erlaubte Naht angebracht, die für mehr Stabilität sorgen soll. Die zusätzliche Stabilität hilft den Springern beim Fliegen in der Luft. "Anscheinend haben sie vom Knie weg bis zum Schritt auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht – das ist nicht erlaubt und das bewirkt eher, dass es steifer wird", beschrieb Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl. Norwegens Aktion sei zwar "clever, aber nicht im Reglement drin".
Norwegens Verband weist Manipulation zurück: "Das ist kein Betrug"
In Norwegen war das Entsetzen groß, auf die bis dahin so großartigen Weltmeisterschaften fiel ein Schatten. "Unsere WM endet im reinsten Chaos. Lindvik ist Weltmeister, bleibt aber als Betrüger in Erinnerung", schrieb der Rundfunk NRK. Die Zeitung VG kommentierte: "Wer spricht jetzt noch von der Gold-Party in Granasen? Die Vorfälle müssen Konsequenzen haben."
Norwegens Verband räumte zwar Fehler ein, wies den Vorwurf gezielter Manipulation aber zurück. "Wir haben einen Regelverstoß begangen", sagte Brevig vor Pressevertretern: "Es tut uns leid, dass für den norwegischen Skisport so gute Weltmeisterschaften so enden." Sportdirektor Jan Erik Aalbu betonte: "Das ist kein Betrug, das ist kein Doping."

Großer Imageschaden für das Skispringen
Pikant: Lindvik hatte sechs Tage zuvor Gold von der Normalschanze vor
Pikant außerdem: Am Freitag war der norwegische Kombinierer Jörgen Graabak disqualifiziert worden – wegen einer manipulierten Bindung. Bei den Springern sollen die Norweger dagegen die innen liegenden Nähte mit festem Material verstärkt haben, was die Steifheit der Anzüge und damit die Flugfähigkeit erhöht. Ein gutes Bild gab der WM-Gastgeber wahrlich nicht ab.
Die Ethikkammer des Ski-Weltverbands Fis hat mittlerweile eine Untersuchung eingeleitet. Dies teilte die Fis am Sonntag mit. Zudem ermittelt die Kammer wegen der Disqualifikation des norwegischen Kombinierers Jörgen Graabak im Teamwettbewerb von Trondheim.
Nach Fis-Angaben besteht bei den disqualifizierten Springern Marius Lindvik und Johann Andre Forfang der Verdacht auf "illegale Manipulation der Ausrüstung durch das norwegische Team". Die Fis untersucht nun "die Umstände der Präsentation während der Materialkontrolle".
Das Thema wird aktuell bleiben: Bereits ab Mittwoch macht der Weltcup in Oslo Station. Der Imageschaden für das Skispringen ist zumindest jetzt schon gewaltig. Auf die Frage, ob dies ein schwarzer Tag für das Skispringen sei, antwortete Hannawald bei der ARD: "Wenn es eine dunklere Farbe als Schwarz geben würde, würde ich die nehmen." (SID/dpa/bearbeitet von tas)