Bei der Ski-WM in St. Moritz häufen sich die schlimmen Stürze, gerade in den Speed-Disziplinen. Sind die Strecken zu brutal oder einige Fahrer schlicht überfordert? Die Sicherheitsdebatte hat längst wieder Fahrt aufgenommen - eine Lösung der Probleme ist aber trotzdem kaum in Sicht.
Jetzt auch noch
Gut stürzte beim Einfahren auf der eisigen Piste und musste mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden. Die bittere Diagnose: Kreuzbandriss und eine Meniskusverletzung am linken Knie.
Die 25-Jährige ist das prominenteste "Opfer" einer ganzen Serie von Stürzen bei dieser WM, die die Sicherheitsdebatten im alpinen Ski-Zirkus von neuem entfachen.
Schwere Verletzungen häufen sich
Der Kasache Martin Khuber war beim Abfahrtstraining der Herren am Dienstag schwer gestürzt und hatte sich eine "instabile Fraktur im Halsbereich" zugezogen. Miriam Puchner aus Österreich zog sich nach ihrem Sturz einen Schien- und Wadenbeinbruch und eine schwere Gehirnerschütterung zu.
Ebenfalls am Mittwoch hob der Monegasse Olivier Jenot beim Super-G der Herren so unglücklich ab, dass er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Jenot, der seit fast einem Jahrzehnt im Weltcup-Zirkus mitfährt und als erfahrener Fahrer gilt, zog sich innere Blutungen zu und musste notoperiert werden.
Drastische Worte aus Österreich
Es sind Nachrichten wie diese, die die Diskussionen um die Gratwanderung zwischen Spektakel und Sicherheit bei alpinen Großveranstaltungen wieder aufleben lassen. "Es ist nicht schön zu sehen, wenn sich junge Leute fast umbringen", formulierte es ÖSV-Rennleiter Hannes Trinkl vielleicht eine Spur zu martialisch. Im Grunde hat Trinkl aber wohl Recht und bekam sofort Unterstützung von Ex-Ski-Star Hans Knauss: "Bei diesen vielen Übergängen und Wellen kommt es auf Erfahrung an. Ich dachte mir gestern: Gut, dass ich da nicht mehr runter muss. Mich hat es gewundert, dass die Top-Gruppe das gesund überstanden hat", sagte Knauss nach dem Super-G, bei dem vor allem Läufer mit höheren Startnummern erhebliche Probleme hatten und sich die Stürze häuften.
Pisten angeblich in Ordnung
Die Zwischenbilanz aus medizinischer Sicht nach drei Rennen und einer Hand voll Trainingsläufen: neben einem Unterschenkelbruch, inneren Blutungen und einer Gehirnerschütterung eine ausgekugelte Schulter, Prellungen, Zerrungen und eine Wirbelfraktur.
Der Internationale Ski-Verband FIS hat in den letzten Jahren einiges unternommen, um die Risiken zu minimieren beziehungsweise die Läufer bei Stürzen noch besser zu schützen. Seit gut zwei Jahren sind so genannte Airbags für den Nacken in den Speed-Disziplinen im Einsatz. Ein solcher Airbag verhinderte eine schwere Verletzung von Erik Guay nach dessen Horrosturz in Garmisch vor zwei Wochen. Vor wenigen Tagen konnte der Kanadier deshalb überhaupt am Super-G bei der WM teilnehmen und diesen auch fast schon sensationell gewinnen.
Dass die Pisten in St. Moritz aber zu glatt, zu brutal oder zu direkt gesetzt wären, wollen die Veranstalter nicht gelten lassen. Wenige Stunden vor dem Renn-Wochenende mit den beiden Abfahrten bei den Damen und den Herren sorgen vielmehr die Debatten über den Qualifikationsmodus für Aufregung.
Quali-Modus ändern - auf Kosten der Exoten?
Starter aus 80 Nationen will die FIS bei ihren Königsdisziplinen am Start sehen, das soll auch in Zukunft so bleiben. Aber zu welchem Preis? "Bei der WM treten immer Nationen an, die überhaupt keine Erfahrung im Abfahrtssport haben. Die haben zwar die 80 FIS-Punkte, aber diese 80 Punkte gelten über ein Jahr", sagt DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier.
Maier plädiert dafür, die Qualifikationshürden für die so genannten Exoten zu verschärfen, um auf den schwierigen Pisten einer WM wirklich auch nur jene Athleten fahren zu lassen, die mit den Bedingungen auch zurecht kämen. Maier fordert deshalb, die gefordert Punktzahl innerhalb einer WM-Saison und nicht innerhalb eines Kalenderjahres einfahren zu müssen. Dann würden einige Fahrer die geforderte Norm nicht schaffen.
Andererseits weiß auch Maier, dass dadurch auch automatisch ein gewisser Reiz immer mehr verloren ginge. "Es würde den sogenannten elitären Klub noch elitärer machen", sagt er und hat einen anderen Rat an die Exoten: "Lasst es einfach! Du siehst ja auch in Kitzbühel keinen Kasachen rumfahren und keinen aus Monaco. Aber ich kann sie ja verstehen ..."
Maiers Vorschläge sind nachvollziehbar, aber aus unterschiedlichsten Gründen kaum realisierbar. Die FIS braucht den bunten Reigen an Fahrern, um den Wettbewerb vielfältig bleiben zu lassen und die Sponsoren in aller Welt zu befriedigen.
Strecke soll machbar sein
Die praktische Umsetzung der Pläne ist kaum möglich, weil der logistische und letztlich auch finanzielle Aufwand gerade für die kleinen Nationen, die dann in der Saison eines Großereignisses alle Punkte einfahren und dafür fast alle Rennen bestreiten müssten, schlicht zu groß ist.
Für die Herren-Abfahrt am Samstag mit den kniffligen Sequenzen Mauer, Freier Fall und Romiger-Sprung wäre das ohnehin alles viel zu spät. 58 Fahrer haben das Training am Freitag absolviert und überstanden. Darunter so illustre Namen wie Sven van Appen aus Chile, Albin Tahiri aus dem Kosovo oder der Ungar Marton Kekesi.
"Die Strecke ist nicht zu gefährlich", versichert Maier. Vielleicht ist es seine feste Überzeugung oder aber auch ein bisschen das Pfeifen im Walde. So oder so bleibt die Hoffnung, dass von Startnummer eins bis zum letzten Läufer alle heil ins Ziel kommen. Wer dann am Ende gewinnt, ist fast schon nebensächlich.
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