In der Schlammschlacht mit Anna Fenninger gerät ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erheblich in die Bredouille. In 25 Jahren hat der Selfmade-Millionär den Verband zu einem florierenden Unternehmen umgebaut, den einen oder anderen Skandal überstanden und nebenbei sein privates Unternehmensimperium immer weiter ausgebaut. Die Geschichte eines streitbaren Geistes - der nun womöglich vor seiner schwersten Niederlage steht.
Schröcksnadel hat ganz sicherlich einen der gefährlichsten Jobs des Landes. Wer der stolzen Skifahrer-Nation vorsteht, wer über das Wohl und Wehe der Rennläuferinnen und Rennläufer entscheidet und seit Jahrzehnten dem permanenten Erfolgsdruck ausgesetzt ist, hat sich auf einen Schleudersitz begeben.
Österreich ist Ski alpin
Peter Schröcksnadel hat sich vor einem Vierteljahrhundert dafür entschieden, Präsident des österreichischen Ski-Verbands zu werden. Deutschland ist Fußball, Kanada ist Eishockey, Indien ist Cricket. Und Österreich ist eben Ski alpin. Die Nation definiert sich über die Erfolge ihrer Rennläufer wie allenfalls vielleicht noch der Nachbar Schweiz. Nur noch schriller, emotionaler, ausufernder.
Präses Schröcksnadel verwaltet also nicht weniger als das Nationalheiligtum. Noch. Denn in den Wirren der Schlammschlacht mit Anna Fenninger ist der bald 74-Jährige voll in die Schusslinie geraten.
Man kann nicht behaupten, dass er sich 1990 aus dem Nichts zum Herrscher des Österreichischen Ski-Verbands aufschwang.
Bereits damals war Schröcksnadel ein schlauer Unternehmer, immer mit dem richtigen Riecher für eine einfache Idee und einem unglaublichen Timing, wann genau diese Idee wo am besten funktionieren könnte. Alles begann mit Pistenmarkierungstafeln, die er in die Skigebiete der Alpen pflanzte und sich dafür im Gegenzug die Werbeflächen an Seilbahnmasten und in Gondeln sicherte.
Was klein begann, ist heute ein globales Multi-Millionen-Euro-Imperium. In 1000 Skigebieten in fünf europäischen Ländern, den USA, Kanada und Japan ist Schröcknadels Firma mit ca. 60.000 Werbeflächen präsent. Dabei hatte er die ursprüngliche Idee gar nicht selbst, sondern sie einem offenbar nicht besonders weitsichtigen Schweizer abgekauft.
Er erfand später das Wetterpanorama-Fernsehen, kaufte sich in immer mehr Skigebiete ein, verknüpfte seine Unternehmen und wuchs und wuchs und wuchs. Der Schritt, sich Anfang der 90er Jahre dann zum Boss des ÖSV zu krönen, war da nur konsequent.
"Ecclestone des Skisports"
Schröcksnadel hat aus dem darbenden Verband eine Top-Marke gebastelt, er hat seine Athleten zu Höchstleistungen getrieben und die Ski-Organisation in einen florierenden Betrieb umgewandelt. Aus 38 Millionen Schilling Jahresbudget hat er über 40 Millionen Euro gemacht.
Die Liste seiner Beinamen ist ebenso lang wie einprägsam. Vom "Alpen-Napoleon" bis zum "Ecclestone des Skisports" ist da fast alles vertreten. Er ist der Herr der Lifte und Pisten und der Alleinherrscher im ÖSV. Eine echte Opposition gibt es im Verband nicht. Und auch die Freunde aus Politik und Wirtschaft halten im Zweifel die Füße still. Leise hielten sich immer wieder Vorwürfe der Vorteilsnahme und -gewährung. Bewiesen wurde nie etwas.
Schröcksnadel hat in seiner Amtszeit als Mitglied des FIS-Council drei Weltmeisterschaften ins Land geholt. Dass im Gegenzug, vor allen Dingen bei der letzten WM 2013 in Schladming, hunderte Millionen Euro aus den Landesetat zugesteuert werden mussten: ein Kollateralschaden. Am Ende machte der ÖSV einen ordentlichen Reibach.
Die Skandale um die so genannten Blutbeutelaffären bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City und Turin überstand Schröcknadel nahezu ohne Kratzer, der Präsident wurde von einem Gericht in Italien freigesprochen. Selbst hanebüchene Auslassungen wie sein legendäres "Österreich ist ein zu kleines Land, um ordentliches Doping zu betreiben" blieben ohne Folgen.
Stattdessen wurde er nacheinander mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol, des Landes Steiermark, dem Großen Ehrenzeichen der Republik Österreich und für sein Lebenswerk zu Österreichs Sportler des Jahres gekürt.
Der mehrfache Alpin-Senioren-Weltmeister und passionierte Fliegenfischer ist in Österreich längst eine eigene Marke und das Maß aller Dinge, wenn es um die Vermarktung des populärsten Sports des Landes geht. Die - naturgemäß - immer kleiner werdenden Wachstumsraten in den ÖSV-Bilanzen, die Stagnation der Alpin-Herren, die im Prinzip von Marcel Hirscher abhängig sind, und sein zweifelhaftes Verhalten vor den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr haben nun aber dann doch Spuren hinterlassen.
Ein paar flapsige Sprüche konnten ihm vor zehn, zwanzig Jahren nichts anhaben. Im Zeitalter der Sozialen Medien ist aber schnell ein Sturm entfacht. Und jetzt wirbelt der Orkan Fenninger. In der öffentlichen Wahrnehmung stehen Schröcksnadel, seine Helfer und der ÖSV als die bösen Buben da. Dass die Sitzungsprotokolle des angeblichen Burgfriedens von Anif im Nachgang vom Verband frisiert und mit zusätzlichen Passagen ausgestattet worden seien, macht die Lage für den Präsidenten nur noch prekärer.
Peter Schröcksnadel steht vor dem schwierigsten Kampf seiner Laufbahn als ÖSV-Präsident. Und zum ersten Mal überhaupt steigt er nicht (mehr) als Favorit in den Ring.
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