Max Franz' Sieg in Gröden lässt einige schon wieder von der Rückkehr der ÖSV-Speed-Cracks in die Weltspitze träumen. Aber dafür ist es wohl noch zu früh. Es wartet noch jede Menge Arbeit.
651 lange Tage hat es gedauert, eine unfassbar lange Zeit. Zumindest für eine Ski-Nation wie Österreich. Und dann kam die Wildsau - und mit ihr die Hoffnung auf Besserung.
Seit März 2015 gingen die heimischen Skirennläufer in der Abfahrt leer aus. Kein einziger Sieg für die Supermacht des alpinen Skisport, und auch vor dem Klassiker in Gröden deutete wenig auf ein Ende der Misere hin. Bis sich Max Franz den Hang hinab stürzte und die Konkurrenz in Grund und Boden fuhr.
Der Sieg des 27-Jährigen überraschte nicht zuletzt ihn selbst. 90 Rennen hatte der Kärntener zuvor bestritten, zweimal schaffte er es auf Rang zwei. Jetzt die Explosion. Und die Befreiung.
Vorsichtiger Optimismus
"Ich habe es eigentlich nicht richtig geglaubt", sagte Franz beinah überwältigt von seinem ersten Sieg im Weltcup. "Da fällt eine Last runter, das ist unglaublich. Ein richtig schönes Gefühl. Alles tut mir weh vom Schreien, aber das hat raus müssen."
Er siegte - und das auch noch auf der Saslong in Gröden, wo seit zuletzt Michael Walchhofer in der Abfahrt ganz oben auf dem Stockerl stand. Das war vor acht Jahren.
Der Knoten ist geplatzt, die Speed-Cracks können aufatmen. Aber ist dieser eine Sieg schon die Trendwende? Die Platzierungen der anderen ÖSV-Athleten geben Grund, daran zu zweifeln: Romed Baumann wurde 11., Klaus Kröll 16. und
Von einem starken ÖSV-Abschneiden kann also keine Rede sein. Die strukturellen Probleme im Vergleich mit den anderen Top-Nationen wischt auch dieser Triumph nicht zur Seite. Italiener, Norweger, Franzosen und die Schweizer stellen die geschlosseneren Teams, punkten und siegen zuverlässiger als die Österreicher.
Immer noch einige Probleme
In der abgelaufenen Saison war Reichelt als Zehnter bester Österreicher in der Abfahrtswertung und hatte am Ende 166 Punkte Rückstand auf Gesamtsieger Peter Fill aus Italien. Das sind nicht die Standards, an die man sich im österreichischen Lager gewöhnen mag.
Es fehlt immer noch an echten Spitzenfahrern in den Speed-Disziplinen, und damit zwangsläufig auch an Sportlern, an denen sich der Rest der Mannschaft orientieren und hochziehen kann. Matthias Mayer könnte so einer sein, ist aber nach seiner Verletzung gerade erst zurückgekehrt.
Darunter leidet auch der Konkurrenzkampf. Früher gab es ein Hauen und Stechen unter den ÖSV-Fahrern, um überhaupt in den Weltcup-Kader zu rutschen. Heute stellen sich in vielen Rennen die Teilnehmer fast schon selbst auf.
Diese innerbetriebliche Qualität muss erst wieder aufgebaut werden, sie fördert dann automatisch den Kampf um die Plätze und damit in jedem Training die Leistungen der Fahrer.
In der Materialschlacht der Verbände muss der ÖSV das Niveau mindestens halten - wenn möglich sogar wieder verbessern. Und dass im Sommer zu wenig auf Schnee trainiert wird, anders als zum Beispiel die Norweger auf fern entlegenen Gletschern, ist eine längst formulierte Kritik.
Österreichs Mannschaft hat immer noch den höchsten Etat aller Nationen, es gibt trotz der Fluktuation überragender Trainer zu anderen Verbänden immer noch genug eigene Talente, die die Fahrer besser machen und für Erfolge stehen können. Dafür müssen aber alle an einem Strang ziehen und in jedem Bereich auch wirklich auf jede Nuance achten.
Bloß keine Selbstzufriedenheit
"Ich hoffe, dass uns der Sieg Auftrieb gibt", sagt Gröden-Sieger Franz. "Ich habe es schon gesagt, dass eigentlich jeder einmal wieder ein gutes Ergebnis braucht. Es ist aber auch gut für das Team, denn wenn einer schnell ist, dann wissen wir in den Trainings: Halt, der ist vorn dabei! Dann wissen wir, wie das Trainingsniveau ist. Jetzt wissen wir, dass wir eigentlich ganz vorne dabei sind."
In der Vergangenheit verließen sich einige Fahrer offenbar zu sehr auf ihr Talent und ruhten sich auf dem einen oder anderen ordentlichen Rennen aus. Dass dieser Trugschluss nicht auch nach dem Franz-Triumph von Gröden gleich wieder einreißt, wird oberste Pflicht der Trainer sein.
Sonst ist es mit der österreichischen Speed-Herrlichkeit schneller wieder vorbei, als dass diese hätte Fahrt aufnehmen können. Einer, der es wissen muss, sieht Österreich aber zumindest auf einem guten Weg. "Für das österreichische Team war Franz' Sieg sehr wichtig", sagt der norwegische Abfahrtsveteran Aksel Lund Svindal. Trotzdem kann das nur der Anfang gewesen sein für den ÖSV.
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