• Seit 2020 verfolgt der frühere Weltklasse-Skifahrer Fritz Dopfer das Geschehen von außen, unter anderem als Co-Kommentator bei Eurosport.
  • Gemeinsam mit Felix Neureuther garantierte Dopfer ein knappes Jahrzehnt lang deutsche Podestplätze im Slalom und Riesenslalom.
  • Vor der WM in Courchevel setzt sich Dopfer im exklusiven Interview mit unserer Redaktion mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Skisport auseinander, mit den deutschen Chancen bei der WM und tollen Typen im Weltcup. Und er dankt Neureuther dafür, ihn als Fahrer immer besser gemacht zu haben.
Ein Interview

Herr Dopfer, erinnern Sie sich an Ihre erste Fahrt auf Kunstschnee?

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Fritz Dopfer: Ich bin in Schongau in Oberbayern aufgewachsen und habe das Skifahren am "weltberühmten" Steckenberg in Unterammergau gelernt. Dort kann ich mich erinnern, dass es vor 30 Jahren auch schon Schwierigkeiten mit dem Naturschnee gab. Erst, als dort später auch Kunstschnee produziert wurde, konnten wir mehrere Skitage im Winter absolvieren.

Fahren Sie also lieber auf einer Piste, die die Natur beschneit hat?

Wenn ich die Brille des Rennfahrers aufsetze, dann ist es umgekehrt. Eine mit Kunstschnee präparierte Piste ist um einiges kompakter, fester und stabiler. Darauf herrschen für Skirennen fairere Bedingungen. Aus meiner heutigen Sicht, der eines Freizeitsportlers und Genussskifahrers, ist es mir andererseits schon wichtig, dass es weiß ist, wenn ich in die Berge fahre und sich nicht nur ein Schneeband ins Tal schlängelt. Ausreichend Naturschnee neben der Skipiste hat einen großen Charme.

Dopfer: "Der Rennfahrer ist primär glücklich, wenn faire Skirennen stattfinden können"

Bedeutet: Der Rennfahrer braucht diesen Charme nicht unbedingt.

Der Rennfahrer ist primär glücklich, wenn faire Skirennen stattfinden können. Wenn er seine vielen, harten Stunden, die er in der Vorbereitung in der Kraftkammer, auf dem Fahrrad oder in den Bergen verbracht hat, endlich auch in einem sichtbaren Umfeld, im Rennen, zeigen kann. Das Ziel eines Leistungssportlers ist, auf der Skipiste schnell vom Start bis ins Ziel zu kommen.

Natürlich sind Bilder wie letztens in Adelboden nicht das, was wir sehen wollen, als neben der Skipiste kein Schnee lag. Trotz allem war die "Arbeitsgrundlage", die Rennstrecke, gut! Der Leistungssportler kann filtern und sich aufs Wesentliche konzentrieren. Die negativen Aspekte werden für den Moment ausgeblendet. Das Schönste für einen Sportler ist, wenn er mit den Fans im Ziel, wie beispielsweise neulich in Adelboden oder auch in Garmisch, ein Skifest feiern darf und die Zuschauer eine gute Zeit erleben.

Stichwort Adelboden. Es ist ein Mekka des Skisports, vermittelt jedes Jahr die ganze Begeisterung der Menschen für den Skisport. Das ist doch etwas anderes als bei Olympia in Peking Ski zu fahren.

Natürlich gibt's immer die Idealvorstellungen, dass Rennen nur auf traditionsreichen Strecken mit Historie sowie großer Zuschauerbegeisterung ausgetragen werden sollen. Das wünscht sich jeder Athlet: coole Strecken, perfekte Piste und das Spüren einer Verbindung zu den Zuschauern. Ich erinnere mich an einige Rennen in meiner Karriere, bei denen ich gemerkt habe: Die Organisatoren stehen voll dahinter, aber die Bevölkerung nicht.

Ein Beispiel war ein Parallelrennen in Moskau 2013. Da waren vielleicht 200 Zuschauer vor Ort. Das ist etwas anderes als in Schladming, wenn während der Besichtigung der Piste bereits 30.000 Zuschauer live an der Strecke stehen. Gleichzeitig kann aber nicht jedes Wochenende nur in der Schweiz, in Österreich oder in Deutschland gefahren werden. Um dem internationalen Skisport gerecht zu werden, ist es auch notwendig, in Regionen zu gehen, die vielleicht noch nicht so begeistert sind, wo sich aber etwas entwickeln kann.

Kommt es zum Bruch im Skirennsport?

Aktuell existiert genau dieser Konflikt zwischen der Fis und deren Präsidenten Johan Eliasch und den Verbänden Österreichs, Deutschlands und der Schweiz, was die Internationalisierung und die Vermarktung des Skisports angeht. Es könnte deshalb zum Bruch und dazu kommen, dass es bald keine Weltcup-, sondern nur noch Europacuprennen gibt.

Diese Diskussionen, die hinter verschlossenen Türen geführt werden, kenne ich zu wenig. Allgemein finde ich es wichtig, dass die Wurzeln des Skisports gepflegt und gestärkt werden. Trotz allem sollten auch punktuell Regionen in Betracht gezogen werden, in denen Potenzial besteht. Wie das dann konkret aussieht, wird in Arbeitsgruppen der Fis erarbeitet.

In diesen Arbeitsgruppen sitzen auch Vertreter des Deutschen Ski-Verbands. Dort kommen viele verschiedene Interessen auf den Tisch. Das führt zu Kompromisslösungen. Da müssen unterschiedlichste Vorstellungen unter einen Hut gebracht werden. Das ist ein fortlaufender Prozess.

Rennen überall dank Kunstschnee?

Heißt: Wir können überall fahren, weil wir in der Theorie überall Kunstschnee produzieren können.

Die Highlights des Weltcup-Kalenders sind gesetzt. Und die verändern sich auch hoffentlich auf absehbare Zeit nicht. Wir sprechen von den Kernmonaten Januar und Februar. Wengen, Adelboden, Schladming, Kitzbühel und Garmisch-Partenkirchen bilden das Grundgerüst des Weltcups.

Die Frage ist, was im November, Dezember und auch noch im März passiert. Da geht es um sinnvolle Reiserouten. Dass es in dieser Saison zweimal nach Amerika geht, im November und Ende Februar nochmal, damit ist keiner der verschiedenen Stakeholder zufrieden. Das verursacht Kosten und einen Aufwand, der mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht zu vereinbaren ist.

Klimawandel: Das muss sich ändern

Was muss sich in den Köpfen normaler Ski-Fans und Ski-Touristen in Zeiten des Klimawandels ändern?

Ich bin ein Freund kleiner Schritte und von organischem Wachstum. Jeder einzelne sollte sich in dieser Richtung selbst hinterfragen: Lebe ich im Einklang mit den Vorstellungen, die ich mir selbst setze und die mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammenpassen?

Was ich sagen kann, ist: Die einzelnen Akteure innerhalb der Wintersportstruktur, seien es die Organisationskomitees und die Tourismusregionen, die nationalen Skiverbände oder auch die Industrie, setzen bereits sehr viele Initiativen in Richtung Nachhaltigkeit um. Gleichzeitig ist neben einem Tätigkeitsnachweis auch ein Wirkungsnachweis empfehlenswert. Wichtig ist, sich Ziele zu setzen, die realistisch sind, dahinter verbindliche Maßnahmen zu setzen und diese im Nachgang zu evaluieren.

Kommen wir von der mittel- und langfristigen Perspektive zur kurzfristigen und zum Sportlichen. Ich behaupte, die deutsche Mannschaft kann bei der WM in Courchevel im Februar in jedem Rennen eine Medaille holen.

Das wäre ein Traum. Die Vorleistungen der Athletinnen und Athleten in den einzelnen Disziplinen waren hervorragend. Sei es im Slalom bei den Damen und bei den Herren, sei es im Riesenslalom bei den Herren, sei es im Super-G- und Abfahrts-Bereich. Für die meisten deutschen Athletinnen und Athleten sind internationale Titelkämpfe kein Neuland.

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Sie kennen die Situation aus eigenem Erleben sehr gut. Sie waren gemeinsam mit Felix Neureuther in Slalom und Riesenslalom irgendwann immer ein Kandidat auf Medaillen. Ist es letzten Endes nur eine Frage der Tagesform und des Kopfes?

Klingt abgedroschen, ist aber tatsächlich so. In speziellen Situationen, wie bei einer Weltmeisterschaft, geht es darum, einfach zu denken, einfach zu handeln und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Man muss auf seine Intuition und seine Stärken zählen und im richtigen Moment explodieren. Es gibt keinen Schönheitspreis zu gewinnen, und es geht nicht darum, technische Feinheiten in den Schnee zu zaubern.

WM: Deutsche Erfolgsaussichten

Linus Straßer und Lena Dürr haben in dieser Saison im Slalom bereits große Erfolge gefeiert und ihre Konstanz nachgewiesen.

Beide können befreit in die Weltmeisterschaft starten. Ihre Leistungen in dieser Saison waren schon bis hierhin beeindruckend. Linus hat eine Beständigkeit und gleichzeitig eine Lockerheit gezeigt, die ihresgleichen sucht. Und Lena hat in Spindlermühle gerade erst ihren ersten Weltcupsieg im Slalom gefeiert. Beide agieren aus einer unfassbar komfortablen Situation heraus. Die Saison ist schon genial, und sie kann noch genialer
werden.

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Aber beide lechzen nach der Einzel-Medaille beim Großereignis.

Beide haben mit der Team-Medaille bei Olympia in Peking schon ein Statement gesetzt. Ich bin immer ein Freund davon, sich vor solchen Titelkämpfen auf die positiven Dinge zu konzentrieren und diesen Schwung mitzunehmen. Ich bin 2015 im Slalom aus einer sehr guten Form heraus in die WM in Vail gestartet. Da war ich ein Stück weit ruhiger, gelassener und entspannter. Gleichzeitig ist es am Tag X auch wichtig, alles auszublenden und sich vor Augen zu führen: Ich darf hier mitfahren und meine eigene persönliche Geschichte weiterschreiben.

Sie sind bis zum 19. Lebensjahr für Österreich gefahren. Dort herrscht vor einer WM nochmal ein ungleich höherer Erwartungsdruck auf die Athletinnen und Athleten als in Deutschland. Vor allem in der momentanen Situation ausbleibender Ergebnisse, explizit im Damen-Bereich.

Ich bin hier zu weit weg und kann hier keine Einschätzung abgeben. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, dass Athletinnen, Betreuer und Verband zusammenstehen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, dass sie bald wieder ihr Potenzial abrufen können.

Generationswechsel im Slalom: "Lucas Braathen ist ein spannender Typ"

Bei den Männern erleben wir gerade im Slalom einen Generationswechsel. Wie gefallen Ihnen Typen wie Lucas Braathen?

Lucas Braathen ist ein spannender Typ. Auf der Skipiste fasziniert mich seine Professionalität und sein großes Verständnis vom Skisport in jungen Jahren. Seine Analysen in den Interviews sind präzise und sehr reflektiert. Neben der Piste ist er ein Charakterkopf, der seinen Drang nach Unabhängigkeit gerne zeigt. Gleichzeitig symbolisiert er diese moderne Generation im Weltcup. Er bringt neben Erfolgen auch Geschichten ein und ist deshalb für den Skisport sehr wichtig. Das erweckt zusätzliches Interesse. Ich finde total gut, dass es solche Typen gibt.

Apropos Typen. So einer ist ja auch Braathens norwegischer Landsmann Henrik Kristoffersen, dem er den Rang ablaufen will. Kristoffersen arbeitet heute mit dem Hirscher-Lager zusammen, hat auch als früherer Gegner von Marcel Hirscher schon immer sein eigenes Ding gemacht, außerhalb der norwegischen Mannschaft. Wie haben Sie solche Typen früher erlebt, die für das gleiche Land fahren, aber nicht mit dem Team trainieren?

Die Themen Teamgedanke und Teamdynamik sind unfassbar wichtig. Ich habe das selbst miterlebt. Ich habe Felix viel zu verdanken. Nur durch seine Präsenz in den Trainings und Rennen, wo er mir täglich "um die Ohren gefahren" ist, habe ich diese Orientierung gehabt, wo ich tatsächlich stehe. Das hat mich motiviert. Die Teamkollegen sind mindestens genauso wichtig wie die Trainer innerhalb eines Teams. Nur durch das gegenseitige Sich-Anstacheln, durch positive Konkurrenz kannst du an dein Limit gehen - oder auch darüber hinaus.

Gleichzeitig ist der Teamgeist auch in einem Einzelsport wie dem Skisport enorm wichtig. Man ist 200 bis 250 Tage im Jahr zusammen unterwegs. Und in dieser Zeit kannst du nicht 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche nur an den Skisport denken. In einem funktionierenden Team kann man viel Spaß haben und abschalten. Daraus schöpfst du Energie für die nächsten Herausforderungen.

Zu Jahresbeginn hat die Menschen der Verlust Rosi Mittermaiers erschüttert, weit über Deutschlands Grenzen und die des Skisports hinaus. Wie haben Sie diese Nachricht als Freund der Familie aufgenommen und verarbeitet?

Ich war schockiert und tief berührt, habe natürlich Felix sofort geschrieben. Mir tut das nach wie vor im Herzen weh. Rosi ist ein großer Verlust für uns alle. Sie hatte eine große Herzlichkeit und Natürlichkeit ausgestrahlt. So wird sie uns allen in Erinnerung bleiben.

Zur Person:
Fritz Dopfer gehörte während seiner aktiven Zeit in Slalom und Riesenslalom zur Weltspitze. An der Seite von Felix Neureuther entwickelte sich Dopfer zum konstanten Podestfahrer. 2007 gab Dopfer, der bis dahin für Österreich gefahren war, sein Weltcup-Debüt, allerdings für den Deutschen Skiverband. Bis zu seinem Rücktritt im März 2020 belegte Dopfer insgesamt 13 Podestplätze im Weltcup, vier davon mit dem Team, gewann jedoch kein Einzelrennen. Bei der WM 2015 in Vail/Beaver Creek errang er vor Neureuther Silber im Slalom und beendete die Saison auf Rang fünf des Gesamt-Weltcups. Zwei Jahre zuvor in Schladming hatte Dopfer mit der Mannschaft, zu der auch Neureuther gehörte, die WM-Bronzemedaille herausgefahren.
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