Die ÖSV-Adler starten mit Neu-Trainer Heinz Kuttin in eine ungewisse Zukunft. Aus dem Nachwuchsbereich drängeln einige Talente nach vorne. Nach Thomas Morgensterns Abgang ruhen die Hoffnungen auf kurzfristige Erfolge aber wohl besonders auf einem etablierten Springer.

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Am 26. September kam der Schock in Form einer kurzen Presseerklärung: Thomas Morgenstern verkündete seinen Rücktritt vom aktiven Sport. Einer von Österreichs erfolgreichsten Skispringern hört auf - mit gerade einmal 27 Jahren.

Dem ÖSV-Team um Cheftrainer Heinz Kuttin fehlt ab sofort seine große Konstante. Das wirft unweigerlich die Frage auf, wie es mit Österreichs Adlern in der kommenden Saison weitergeht. Wenn Mitte November in Klingenthal die Saison mit einem Team- und einem Einzelwettbewerb startet, gehören die heimischen Starter mit zu den Favoriten. Beim Sommer Grand Prix zeigten die Springer ordentliche Leistungen, für die Weltspitze dürfte das aber nicht reichen.

Gregor Schlierenzauer wird die Mannschaft anführen. Aber auch der Routinier ist noch nicht stabil in seinen Leistungen. Bei der Generalprobe in Klingenthal etwa sprang Schlieri nur knapp an seinem Schanzenrekord vorbei und gewann den zweiten Durchgang. Im ersten Versuch aber hatte er sich lediglich auf Rang 25 im Feld der Abgeschlagenen eingereiht. 52 Weltcupsiege hat Schlierenzauer gefeiert, dazu zweimal den Gesamtweltcup gewonnen. Er ist damit der erfolgreichste Springer aller Zeiten. Und trotzdem gilt er für die kommende Saison nicht als einer der Topfavoriten.

Vergangene Saison war der Abstand auf Gesamtsieger Kamil Stoch enorm: Der Pole hatte am Ende fast 500 Punkte mehr als der sechsplatzierte Schlierenzauer auf dem Konto - und mehr als doppelt so viele wie Thomas Diethart, die Nummer zwei beim ÖSV. Dass die Nationenwertung an Österreich ging, war zumindest ein kleiner Trost.

Vierschanzen-König Diethart gehört neben Schlierenzauer und Stefan Kraft, Michael Hayböck und Routinier Andreas Kofler der Nationalmannschaft an. Dahinter lauern im A-Kader Manuel Poppinger, Manuel Fettner und Wolfgang Loitzl. Auch für sie gilt: Vereinzelt sind herausragende Ergebnisse möglich. So sprang Kraft in Klingenthal mit 144,5 Metern einen neuen Schanzenrekord. Es fehlt aber allen an Konstanz.

Heinz Kuttin hat viel Arbeit vor sich

Nach zehn Jahren mit Alex Pointner als Cheftrainer tritt Nachfolger Kuttin eine heikle Mission an. Pointner prägte die erfolgreichste Ära im österreichischen Skispringen, er war Architekt des Teams und Förderer einzelner Springer zugleich. Die erste Saison unter Kuttin - und nun auch ohne Morgenstern - wird auch ein Experimentierfeld.

An den schnellen Erfolg glaubt Kuttin selbst nicht so recht. Er fordert Zeit und Geduld ein. "Wir wollen uns nicht nur am Erfolg messen lassen. Es gehört auch Spaß zur Arbeit. Ich werde mir die nötige Zeit deshalb auch nehmen, damit wir dann ähnliche Erfolge erzielen können", sagte er bereits bei seinem Antritt Mitte April.

Neue Gesichter warten auf ihre Chance

Neben Morgenstern hat auch Martin Koch seine Karriere beendet. Das bietet noch mehr Chancen für die Springer aus der zweiten Reihe - oder die eine oder andere Nachwuchskraft. Bei den Young Guns haben sich zuletzt Elias Tollinger, Patrick Streitler, Philipp Aschenwald oder Thomas Hofer hervorgetan. Sie bieten eine Perspektive für die Zukunft - in der Gegenwart sind aber noch andere gefragt.

Allen voran Schlierenzauer, der zuletzt auf Konfrontationskurs mit dem Verband lag, nach seiner schöpferischen Pause aber wieder voll durchstarten will. "Mit dem neuen Cheftrainer hat sich einiges geändert. Für mich ist das ein Neustart. Ich habe acht Jahre unter Alex Pointner gearbeitet. Das ist zuletzt immer das gleiche Radl gewesen. Da hat es keine neuen Inputs mehr gegeben", sagt Schlierenzauer.

Das Thema Trainer bleibt aber ein sensibles beim ÖSV. Mit Werner Schuster (Deutschland), Alex Stöckl (Norwegen) und Richard Schallert (Tschechien) arbeiten drei Österreicher sehr erfolgreich für die Konkurrenz. Auch deshalb hat Kuttin in der Vorbereitung wieder verstärkt auf das Stützpunkttraining gesetzt. Das fordert den Einzelnen und fördert die Gemeinschaft. "Es ist auf jeden Fall mehr Teamspirit zu spüren. Die Mannschaft ist um einiges mehr zusammengewachsen. Jeder ist für jeden da, jeder legt alles offen. Wir wollen gemeinsam gescheit marschieren, um im Winter richtig stark zu sein", kündigt Schlierenzauer an.

Sein Chef wird das gerne hören. Denn natürlich steht Kuttin in der Skisprung-Nation Österreich unter selbst ganz spezieller Beobachtung. Angst vor dem großen Schatten seines Vorgängers hat er deshalb aber nicht. "Alex Pointner hat mit seiner Art und Weise sensationelle Erfolge gefeiert", sagt er. "Heinz Kuttin wird es mit seiner Art probieren."

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