Tom Daley hat bei seinen fünften Olympischen Spielen schon wieder eine Medaille geholt. Einer breiten Öffentlichkeit außerhalb Großbritanniens ist er als der strickende Olympionike bekannt. Dabei ist Daley so viel mehr als das.
Tom Daley ist ein mutiger Mann. Das muss man wahrscheinlich sein, wenn man sich regelmäßig aus zehn Metern Höhe mit vielen Umdrehungen in ein Becken stürzt. (Die Autorin dieses Textes hat Höhenangst, auf sie wirkt das wie absoluter Irrsinn.)
Daleys Karriere ist durchzogen von Momenten, in denen er mutig war – teilweise mutiger als andere. Für seinen Sport wird er in der Schule gehänselt und gemobbt. Seine Peiniger nennen ihn "Speedo Boy", ältere Jungs fragen, wie hoch seine Beine versichert wären, damit sie sie ihm brechen können.
Mit 19 Jahren – im Jahr 2013 – macht er seine Homosexualität öffentlich. Da ist er längst ein "national treasure", eine Art Nationalheiligtum in Großbritannien. Nachdem er mit 14 Jahren bei den Olympischen Spielen 2008 noch ohne Medaille bleibt, holt der Posterboy der Spiele von London 2012 Bronze. Er tritt im Fernsehen auf, startet 2010 seinen Youtube-Kanal, der inzwischen 1,2 Millionen Abonnenten hat. Wasserspringen ist eigentlich kein Sport, der Superstars hervorbringt. Doch Daleys Nahbarkeit, seine spitzbübische, authentische Art führen dazu, dass England und ganz Großbritannien vor dem Fernseher sitzt, wenn er springt.
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Als Daley 2011 seinen Vater zu Grabe tragen musste, trauerte ganz England mit ihm. Robert Daley wurde gerade einmal 40 Jahre alt. Ein Hirntumor verhinderte, dass er seinen Sohn in London springen sehen konnte. "Haben wir schon unsere Tickets?", war einer der letzten Sätze, die Daleys Vater zu seinem Sohn sagte. Am nächsten Tag hielt Tom die Hand seines Vaters bei dessen letztem Atemzug.
Dass Daley nur ein Jahr später bei Olympia antrat und auch seine Nahbarkeit nicht unter dem schweren Schicksal gelitten hat, wird Daley hoch angerechnet. Obwohl er in London "nur" Bronze holte. Ein Trauma für Daley. Er hatte das Gefühl, die Nation enttäuscht zu haben. Als er in Tokio die Goldmedaille gewinnt, kann er seine Tränen nicht zurückhalten. Endlich Gold. "Ich bin unglaublich stolz, sagen zu können, dass ich ein schwuler Mann und gleichzeitig Olympiasieger bin", sagte er damals.
Seine Beliebtheit hilft auch bei der Akzeptanz seiner Sexualität in der breiten Öffentlichkeit. Natürlich erfährt auch Daley Online-Belästigung, Trolle machen auch vor Nationalheiligtümern nicht Halt. Doch Daley lässt sich nicht einschüchtern. Seit Jahren nutzt er seine Beliebtheit im Kampf für die LGBTQ+-Community. Für die BBC reist er in die homophobsten Länder des Commonwealth. "In diesen Ländern wäre ich illegal", sagt Daley sichtlich angefasst in der Doku. Seit 2017 ist er mit dem amerikanischen Filmemacher Dustin Lance Black verheiratet. Sie haben inzwischen zwei Kinder, die beide von einer Leihmutter ausgetragen wurden.
Dass er seine fünften Olympischen Spiele bestreitet, liegt auch an ihnen. "Meine größte Errungenschaft ist es, vor den Augen meines Mannes und meiner beiden kleinen Kinder zu springen", sagte Daley am vergangenen Montag nach dem Gewinn der Silbermedaille im Turm-Synchronspringen mit seinem Partner Noah Williams.
Tom Daley, der strickende Olympionike
In Ländern außerhalb Englands ist Tom Daley jedoch vor allem für eine Sache bekannt: Er ist der strickende Olympionike. Beim Synchronfinale der Frauen vom Drei-Meter-Brett am Samstag war zu sehen, wie der 30-Jährige auf der Tribüne an einem Pullover mit den britischen Nationalfarben und seinem Namenszug strickte. Zwischendurch legte er die Stricknadeln auch beiseite und jubelte über Bronze für seine Teamkolleginnen Yasmin Harper und Scarlett Mew Jensen.
Daley hatte in der Corona-Zeit mit dem Stricken begonnen und sieht darin auch eine Möglichkeit der Entspannung. Für den Tokio-Olympiasieger ist es mittlerweile aber mehr als nur ein Hobby: Seine Werke präsentiert Daley auf einem eigenen Instagram-Account mit 1,3 Millionen Followern.
Ob er 2028 seine sechsten Olympischen Spiele erleben wird, hat Daley bislang offen gelassen. Dann finden die Spiele in Los Angeles statt, wo er inzwischen mit seiner Familie lebt. Es "wären praktisch meine zweiten Heimspiele".
Verwendete Quellen
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