- Shamil Borchashvili wollte nach seinem Bronezemedaillengewinn im Judo gar nicht mehr aufhören zu reden.
- Der ehemalige Flüchtling drückt dabei viel Liebe für seine Familie aus.
- Bundestrainerin Yvonne Bönisch attestiert dem 26-Jährigen eine großartige Entwicklung.
"Ich weiß nicht, was ich hier so labere, stoppt mich, sonst höre ich gar nicht mehr auf", meinte Shamil Borchashvili nach dem Olympia-Bronzemedaillengewinn im Judo. Bloß nicht, versicherte die Journalistin, das sei alles ganz wunderbar. Hatte der 26-Jährige - gebürtiger Tschetschene, leidenschaftlicher Österreicher - doch gerade große Dankbarkeit gegenüber vieler Frauen ausgesprochen: Seiner Mutter, Nationaltrainerin Yvonne Bönisch, Sabrina Filzmoser und der Prinzessin.
Filzmoser: "Extrem viel Respekt vor seiner Mum"
Freilich dankte er auch dem Stützpunktrainer, Vereinstrainer, seinen Trainingspartnern und dem österreichischen Judoverband. Aber es sind dann doch die Frauen, die hier hervorgehoben werden. So zum Beispiel die Mutter. "Er hat extrem viel Respekt vor seiner Mum, ohne der die gesamte Großfamilie nicht funktionieren würde. Sie holt ihn fast immer wieder auf den Teppich zurück, wenn er abheben will", verriet Filzmoser der APA. Sie selbst ist seit Jahren Unterstützerin, Wegbegleiterin und auch "die große Schwester", wie Borchashvili über die in Tokio zurückgetretene verdienstvolle Judoka preisgab.
Dabei hat er bereits fünf Schwestern daheim. "Selima, sie ist sieben Jahre alt, ist unsere Prinzessin", sagte er mit glänzenden Augen. Dazu kommen die zwei ebenfalls judokämpfenden Brüder. Alle mit viel Talent gesegnet. "Ich hoffe, ich konnte meinen älteren Bruder Kimran motivieren, er ist sehr stark, bringt es im Wettkampf aber zu selten auf die Matte. Im Training schlägt er jeden. Mein jüngerer Bruder Wachid hat leider zu viele Verletzungen. Aber er ist mental sehr stark."
Die Frau, die ihm sagte, "Shamil, so einen Tag wirst du nicht oft im Leben bekommen, genieß ihn", ist Bönisch, deutsche Olympiasiegerin von 2004 und seit Jahresbeginn die Nationaltrainerin in Österreich für Frauen und Männer. Das ist weltweit einzigartig und vielbeachtet. "Er hat sich sehr genau vorbereitet. An einem gutem Tag, wenn er im Flow ist, kann er jeden schlagen. Er ist noch grün hinter den Ohren, er ist erst seit drei Jahren im Profisport, aber er hat sich enorm entwickelt", sagte Bönisch.
Borchashvili hat kein Problem mit weiblicher Führung
Das war am Dienstag im Budokan deutlich zu sehen. Borchashvili hört sehr genau auf die Frau, die den Ton angibt. "Yvonne gibt ihm die exakte Richtung vor und er hält sich dran. Dazu gehört viel gegenseitiger Respekt und Vertrauen, das immer wieder aufs Neue erarbeitet werden muss", weiß Filzmoser. "Mit der empathisch genialen neuen Führung von Yvonne hat er alles widerlegt was vorher gedacht wurde." Nämlich, dass so spezielle Typen wie er mit einer weiblichen Leader-Funktion eventuell Probleme haben könnten.
Das Gegenteil ist der Fall, was Bönisch sagt, wiegt schwer. Und was Filzmoser für ihn getan hat, wird der Flüchtling nie vergessen. Für die Österreicherin mit dem fürsorglichen Herzen eine Selbstverständlichkeit. Für den jungen Mann, der als Zehnjähriger mit seiner Familie aus Tschetschenien flüchtete, alles andere als das. "Sie hat uns von zu Hause abgeholt, ins Training gebracht, finanziell unterstützt. Ich bin ihr sehr dankbar. Das ist eine, die man nicht so leicht findet."
Borchashvili hat harten Weg hinter sich
Shamil habe sich den Weg nicht leicht gemacht, aber selbst gewählt, sagte Filzmoser über den Maschinenbau-HTL-Absolventen und Heeressportler. "Er hat professionell wie kein anderer am detaillierten Kraft-Konditionsaufbau gearbeitet, sich sehr viel erst aneignen müssen, was viele im Nationalteam schon jahrelang vorher gelernt haben. Bis hin zu Ernährung und dem mentalen Fokus hat er alles scheinbar richtig gemacht."
Er habe gezeigt, was es bedeute, für etwas zu kämpfen, das viel mehr sei als diese Medaille. "Es war ein sehr langer, herausfordernder Weg vom Flüchtling bis zum Staatsbürger und ein nicht minder intensiver zum verdienten Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen im Heimatland des Judosports", war auch Filzmoser ergriffen.
"Bronze bei den ersten Spielen. Das ist unglaublich", hört Borchashvili nicht auf zu sagen. "Ich hoffe, mit dieser Medaille glauben mehr Nachwuchs-Judokas, dass es möglich ist, hier mitzumischen, obwohl wir aus Österreich sind. Und in Österreich Judo nicht so gefragt ist. Ich glaube, mit dieser Medaille werde ich alle dazu motivieren. Ich werde weiterhin Gas geben." © APA
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