Deutschland gewinnt im kleinen Finale gegen Spanien die Bronzemedaille im olympischen Fußballturnier der Frauen. Möglich macht das erneut eine starke Teamleistung, im Mittelpunkt steht trotzdem vor allem einer: Horst Hrubesch. Dabei will der das gar nicht.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Annika Becker (FRÜF) sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am Ende lagen Marina Hegering, Kathrin Hendrich und Alexandra Popp vor Freude und Erleichterung weinend am Boden, ihre Mitspielerinnen bildeten eine große Jubelraube und das Trainer*innen-Team lag sich in den Armen.

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Die DFB-Frauen hatten gegen die amtierenden Weltmeisterinnen aus Spanien erneut leidenschaftlich verteidigt und besaßen auch das nötige Glück, um von den immer besser in die Partie kommenden Spanierinnen kein Gegentor zu kassieren.

Gwinn verwandelt Strafstoß souverän

In der Offensive ging bei Deutschland nicht viel, bis in der 62. Minute die mexikanische Schiedsrichterin Katia Garcia auf den Elfmeterpunkt zeigte: Spaniens Torfrau Cata Coll, die mit Nasenbeinbruch, aber ohne schützende Gesichtsmaske spielte, foulte die allein auf sie zu sprintende Giulia Gwinn und ging dabei nicht zum Ball. Vielleicht war es eine reflexartige Schutzreaktion, jedenfalls verwandelte Gwinn den berechtigten Elfer souverän in der 65. Minute selbst.

Deutschland gewinnt die Bronzemedaille im olympischen Fußballturnier der Frauen. © picture alliance/dpa/Marcus Brandt

Lea Schüller hätte in der 71. Minute allein vor Coll alles klar machen können, aber die Torhüterin parierte dieses Mal mit dem Fuß. Und so musste Deutschland bis zum Ende zittern, rennen, blocken, grätschen.

Das Drama nahm eine weitere Wendung als in der siebten und letzten Minute der Nachspielzeit Garcia erneut einen Strafstoß pfiff – dieses Mal gegen Deutschland. Janina Minge hatte die eingewechselte Lucía García am Fuß getroffen.

Berger hält erneut Elfmeter

Die ehemalige Weltfußballerin Alexia Putellas trat zum Elfmeter an, während Aitana Bonmatí hinter ihr mit großspurigen Gesten den deutschen Fans signalisieren wollte, sie mögen sich nicht so aufregen. Doch Ann-Katrin Berger hielt den Strafstoß (90.+9), sie war bereits gegen Kanada zur Elfmeter-Heldin des Turniers geworden.

Berger widmete den gehaltenen Schuss Horst Hrubesch, als Dankeschön für das in sie gesetzte Vertrauen, sie für das Turnier zur Nummer Eins im Tor zu machen.

Horst Hrubesch gab, so wie er das schon die ganze Zeit über tat, in der abschließenden Pressekonferenz das Dankeschön an seine Spielerinnen zurück. Dafür, dass sie ihn überhaupt als Interimstrainer dabei haben wollten, für ihren Einsatz und Zusammenhalt und ihre Beständigkeit trotz aller Widrigkeiten.

Hrubesch betonte während des Turniers stets, wie wichtig für ihn seine Mitstreiter Britta Carlson, Thomas Nörenberg und alle anderen seien. Und dass er seine Spielerinnen bei jeder Entscheidung mit einbeziehe. Er tat also alles, um nicht allein im Mittelpunkt zu stehen.

Horst, der Große

Trotzdem ging es von Anfang an vor allem um ihn: Darf Hrubesch nochmal ins Olympische Dorf – nach Paris – reisen? Kann er sich mit einer Medaille verabschieden? Kann er, das "Kopfballungeheuer", Spielerinnen wie Lea Schüller, die schon zig Kopfballtore in ihrer Karriere gemacht hat, noch etwas beibringen?

Hrubesch, so viel steht fest, hat mit seinem Charisma und seiner Erfahrung viel zu dem Erfolg der deutschen Fußballfrauen beigetragen. Zugleich verwundert es, dass viele nun so tun, als sei die Bronzemedaille ausschließlich ihm zu verdanken. Was er ja selbst völlig anders sieht.

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Es gäbe viel zu erzählen

Denn Anlässe für schöne Geschichten gäbe es viele: Janina Minge, die kurzfristig in die Fußstapfen von Lena Oberdorf treten musste und das mit wechselnden Partnerinnen im Mittelfeld hervorragend geschafft hat. Marina Hegering, die trotz kaum vorhandener Spielpraxis für das Turnier eine Punktlandung hinlegte.

Sjoeke Nüsken, die das deutsche Mittelfeld in den nächsten Jahren vermutlich prägen wird. Felicitas Rauch, die ihren Stammplatz eigentlich lange verloren hatte – und sich dann durch Sarai Linders Krankheit von Spiel zu Spiel weiter hinbiss.

Alexandra Popps zweite olympische Medaille nach Gold 2016 in Rio. Britta Carlson, die ihre eigenen olympischen Geschichten zu erzählen hätte und im letzten Jahr vor Hrubesch ebenfalls für zwei Spiele in der ersten Reihe stand. Oder die bereits erwähnte Elfmeter-Heldin Ann-Katrin Berger im Tor.

Manchmal könnte ein wenig mehr Wertschätzung für all jene, die auf dem Platz standen, nicht schaden.

Verwendete Quellen

  • Interviews aus der Mixed Zone
  • PK nach dem Spiel
  • Interviews während der für Medien öffentlichen Trainings vor Ort
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