Alle erwarteten den Sieg von ihr - und 400-Meter-Läuferin Cathy Freeman lieferte ihn bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney. Aber nicht nur der Druck war enorm, sondern auch das Gefühlschaos in ihrem Kopf. Eine Olympialegende im Porträt.
Als es geschafft war, als sie die Erwartungen nicht nur der 110.000 Besucher im Stadium Australia in Sydney, sondern auch ihrer knapp 20 Millionen Landsleute erfüllt hatte, setzte sich Cathy Freeman auf die Tartanbahn, minutenlang.
"Es war ohne Zweifel ein magischer Augenblick, aber auch traumatisch", sagte sie vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem "Münchner Merkur". Freemans Sieg über 400 Meter am 25. September 2000 war von den Olympia-Machern fest eingeplant. Von diesem Rennen hing ab, ob die Spiele in Sydney sehr schön oder nur okay werden würden.
Es wurden dann sehr schöne Spiele, weil Freeman mit einer Zeit von 49,11 Sekunden den Rest des Feldes hinter sich ließ. Es war nicht ihr schnellstes Rennen, aber angesichts des riesigen Drucks, der auf ihr lastete, sicherlich ihr bestes.
"Ich habe vor dem Rennen nichts gehört, nichts wahrgenommen", sagte sie in einem TV-Interview vor wenigen Jahren. "Dann habe ich vor dem Start einmal ganz tief Luft geholt, um den Stress loszuwerden. Das hat funktioniert."
Freeman kämpft für die Rechte der Aborigines
Cathy Freeman war das Gesicht der Spiele in Sydney. Dies hing mit ihrer Herkunft zusammen: Freeman ist eine Aborigine, gehört also zu den Ureinwohnern Australiens. Die Aborigine waren und sind immer noch eine unterdrückte Minderheit in Australien.
Die Erwartungen an Freeman waren von beiden Seiten riesengroß: Einerseits sollte sie der personifizierte Beweis dafür sein, dass die Ureinwohner auf diesem Kontinent Erfolg haben können. Andererseits sollte sie diese Minderheit bestmöglich repräsentieren und auch auf ihr Leid aufmerksam machen.
Vor allem aber sollte Cathy Freeman, damit all das von größtmöglicher Wirkung war, dieses 400-Meter-Rennen gewinnen.
Hinterher hat Freeman immer wieder gesagt, dass der Triumph zwar süß geschmeckt, aber auch unter belastenden Vorzeichen gestanden habe. Sie meinte dabei weniger ihre gesellschaftspolitische Rolle im Kampf für die Rechte der Aborigines, die sie bis heute mit viel Leidenschaft ausfüllt. Sie meinte vielmehr private Dinge, die sie in ihrer Autobiografie ("Cathy: My Autobiography") publik machte.
Ihr Freund verließ sie wegen einer anderen Läuferin
Freeman erzählt darin nicht effekthaschend, sondern rührend offen von ihrem Leben, das alles von ihr abverlangte. Ihr Vater war ein Alkoholiker, der die Familie früh verließ. Ihre Schwester verstarb mit 24 Jahren. Und gerade in ihrer sportlichen Hochphase hatte Cathy Freeman große Beziehungsprobleme.
Ihr langjähriger Freund und Manager, Nick Bideau, verließ sie wegen der Mittelstreckenläuferin Sonia O'Sullivan. 1999 heiratete Freeman den Nike-Manager Alexander Bodecker. Dabei litt sie immer noch unter der Trennung von Bideau und beschäftigte ihn auch deshalb weiter als Manager. In dieser emotional völlig chaotischen Situation lief sie das Rennen ihres Lebens.
In ihrer Autobiografie schrieb sie: "Neben einem bestimmten von Gott gegebenen Talent war der Grund für meinen sportlichen Erfolg, dass ich durch das Laufen aus meinem chaotischen Leben flüchten konnte. Die Leichtathletik war meine Zuflucht, ich konnte mich in ihr verlieren. Ich war immer am glücklichsten auf der Laufbahn. Als ich dann eines Tages merkte, dass ich das Laufen nicht mehr genießen kann, wusste ich, dass es vorbei ist."
Im Juli 2003 erklärte Freeman ihren Rücktritt. Heute ist sie mit dem Börsenmakler James Murch verheiratet und Mutter einer fünf Jahre alten Tochter. "Ich bin heute glücklicher als damals, das ist die Wahrheit", sagte sie dem "Merkur".
Cathy Freeman hat das Chaos hinter sich gelassen.
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