Jakob Johnson bekommt die Kälte und Härte des NFL-Business gerade deutlich zu spüren. Bei den New York Giants pendelt er zwischen festem Kader, Trainingsteam und Arbeitslosigkeit. Und dabei ist seine Geschichte kein Einzelfall.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Jakob Johnson weiß, wie das Geschäft funktioniert. Die NFL ist ein unbarmherziges Business. Für Sentimentalitäten ist da kein Platz. Der Deutsche bekommt das im Moment bei den New York Giants sehr deutlich zu spüren. Denn das NFL-Team schiebt den 29-Jährigen munter hin und her zwischen dem festen Kader und dem sogenannten Practice Squad, zwischendurch wurde der Fullback sogar entlassen.

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Für einen Profi ist das eigentlich eine unsägliche Situation. Unmenschlich, nennen das die Kritiker. Doch in der NFL ist das gang und gäbe. "Hire and Fire": In der besten Football-Liga der Welt wird das täglich praktiziert. Johnson, der in seiner Karriere zuvor für die New England Patriots und Las Vegas Raiders gespielt hat, wurde in der vergangenen Saison bereits von den Raiders entlassen und wieder verpflichtet.

Johnson rennt nicht woanders hin

Die Verantwortlichen machen in der Regel keinen Hehl daraus, was sie vorhaben. "Mir wurde schon gesagt, dass es dieses Jahr einige Male hoch- und runtergehen kann", sagte Johnson Anfang September im Gespräch mit "sport.de" und "RTL/ntv": "Aber ich will hier dabei sein. Ich will ein Teil vom Team sein. Das heißt, ich renne jetzt nicht sofort woanders hin."

Deshalb macht Johnson seit ein paar Wochen bei den Giants eine wilde Fahrt mit. Am 16. August schloss er sich den Giants an, nachdem er zuvor längere Zeit ohne Team war. In der Vorbereitung auf die neue Saison absolvierte er zwei Spiele für das Franchise, wurde dann aber am 27. August bei der Verkleinerung des Kaders von 90 auf 53 Spieler gestrichen.

Ein verrücktes Hin und Her

Einen Tag später verpflichteten die Giants Johnson für den Practice Squad, eine 16-köpfige Trainingsgruppe, die mit dem Hauptkader zusammen trainiert. Die Profis aus der Gruppe können an Spieltagen in den Hauptkader hochgezogen werden. Was die Giants mit Johnson wiederum nur einen Tag später auch taten, weil sich Center Austin Schlottmann verletzt hatte.

Am 1. September folgte dann zunächst die Entlassung, nachdem das Team Cornerback Adoree Jackson verpflichtet hatte. 24 Stunden später ging es für Johnson wieder in die Trainingsgruppe, am 10. September dann wieder in den 53-Mann-Kader. Zwei Wochen lang war Ruhe, dann wurde er wieder entlassen. Zwei Tage später, am 26. September, wurde er erneut für die Trainingsgruppe verpflichtet und wieder einen Tag später in den 53-Mann-Kader berufen. Applaus für den, der da noch den Überblick behält.

Die Gründe für die irre Situation

Unter dem Strich kommt er so auf drei Einsätze in dieser Saison für die Giants. Nun wird es ein wenig kompliziert, denn unendlich oft hin- und herschieben zwischen 53-Mann-Kader und Practice Squad können die Giants Johnson nicht. Nach dem dritten Mal hat er seinen Platz im festen Team nämlich sicher. Allerdings wurde er bislang faktisch nur einmal direkt aus dem Practice Squad in den Hauptkader berufen.

Doch warum gibt es dieses wilde Hin und Her überhaupt? Bei Johnson kommen verschiedene Dinge zusammen. Die Giants haben von vier Spielen drei verloren, im "Big Apple" herrscht also Druck. Personell wird daher viel ausprobiert. Weitere Gründe: "Die Verantwortlichen schauen sich die Gegner an und entscheiden dann: 'Brauchen wir einen Fullback, oder nicht?'", erklärt Ex-Profi Kasim Edebali bei ran. "Dann kommt es auch auf die Special Teams an, was für Nicht-Superstar-Spieler immer das Ticket ist, um am Gameday aktiv zu sein. Wie wichtig ist er in den Special Teams? Wie wichtig ist er an Game Days für das Team?"

Als Außenstehender denke man vielleicht, dass es einen Grund gebe, wieso Johnson jede Woche gefeuert werde, erklärt Edebali, der aber den umgekehrten Gedanken empfiehlt: "Warum wird er jede Woche wieder aufgenommen? Weil er Wert hat." Doch diesen Wert nutzt das Team kompromisslos für sich aus. Denn im Milliarden-Geschäft NFL geht es nicht um Befindlichkeiten, Sentimentalitäten oder Menschlichkeit.

Gewinnen und als Business funktionieren

"In der NFL geht es um zwei Dinge: Du musst gewinnen und du musst als Business wirtschaften. Alles, was diesen beiden Faktoren kontraproduktiv gegenübersteht, ist irrelevant. Wann es um Emotionen geht oder um Gefühle, die verletzt werden – das ist keine Variable, die auf dem höchsten Level einer professionellen Sportliga interessiert", stellt Edebali klar.

Es gebe Spieler, "die implodieren unter diesem Stress", betont Edebali. Bei Johnson ist das anders, der gebürtige Stuttgarter hat über das "International Pathway Program", ein Programm, das nicht in den USA geborene Spieler fördert, 2019 den Sprung in die NFL geschafft und absolvierte für die New England Patriots, Las Vegas Raiders und die Giants bereits 70 Spiele.

Johnson der Nummer-1-Yoga-Instructor Deutschlands

Johnson hat die harte NFL-Schule kennengelernt, trainierte bei den Patriots unter Legende Bill Belichick und mit Superstar Tom Brady. Viel kann ihn daher nicht mehr schocken. Hinzu kommt laut Edebali: "Jakob Johnson ist der Nummer-1-Yoga-Instructor Deutschlands. Falls ihr Kopfkino braucht, kann ich euch versichern, dass er im Schneidersitz in seinem Wohnzimmer sitzt - mit Räucherstäbchen und Zen-Musik. Und dabei ist er bereit, wieder auf das Feld zu laufen."

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Trotzdem ist die Situation für Johnson nicht leicht. Im Moment ist er wieder im Practice Squad, könnte aber im Rahmen des fünften Spieltags für die Partie am Sonntag bei den Seattle Seahawks wieder hochgezogen werden. Er kann aber auch wieder entlassen werden - was nicht ungefährlich ist.

"Die NFL ist so brutal, wenn es um das Aussortieren geht - deswegen werden viele Spieler irrelevant, sobald sie in Leerlauf kommen", warnt Edebali,

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