Magnus Carlsen arbeitet eifrig daran, sein Imperium zu vergrößern. Vom traditionellen Spiel hat sich der Schachkönig losgesagt, stattdessen möchte er seinen eigenen Weltmeister krönen.

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Magnus Carlsen scheut sich nicht vor (Bauern-)Opfern. An der holsteinischen Küste will der Schachkönig seine neue Turnierserie im Alternativ-Modus eröffnen, einen eigenen Weltmeister darf er allerdings nicht krönen. Der Weltverband Fide hat das verboten - und kriegt nun die volle Breitseite ab.

"Nötigung der Spieler", "Machtmissbrauch" und "gebrochene Versprechen" prangerte der Norweger Carlsen in seiner auf X veröffentlichen Brandrede an, seine Ansprache an den Fide-Präsidenten Arkadi Dworkowitsch kommt einer Aufforderung gleich: "Wirst du zurücktreten?"

Wochenlang befanden sich der Weltverband und die "Freestyle Chess Operations GmbH", im Vorjahr von Carlsen gemeinsam mit dem millionenschweren deutschen Unternehmer Jan Henric Buettner gegründet, in intensiven Gesprächen. Eine freundliche Co-Existenz hatten beide Seiten einander versichert, nur eine letzte große Frage hing noch in der Luft: Darf das Unternehmen am Ende der fünf Stationen umfassenden "Grand Slam Tour" einen Weltmeister küren?

Carlsen ist vom besseren Schach überzeugt

Im "Schach960" wohlgemerkt - einem Format, bei dem die Anordnung der Figuren auf der Grundreihe ausgelost wird. Eröffnungstheorie ist somit passé, stattdessen sind Kreativität und Flexibilität gefragt. Unlängst ließ Carlsen - immerhin fünfmaliger Titelträger im traditionellen Modus - in der Financial Times verlauten, er sei "der tiefen Überzeugung, dass dies ein besseres Spiel" sei als das klassische Schach. Auch weite Teile der Schach-Elite sind begeistert, beim am Freitag beginnenden Auftaktevent in Weissenhaus (bis 14. Februar) sind auch der aktuelle Weltmeister Dommaraju Gukesh (Indien) und das deutsche Schachtalent Vincent Keymer mit von der Partie.

"Nein", beschloss der Weltverband nun aber nach reiflicher Überlegung, er wolle die Integrität des WM-Titels nicht gefährden - und überhaupt treibe Freestyle die "Untergrabung des klassischen Schachs" voran, von den "unbegründeten Anschuldigungen gegen die Fide" mal abgesehen. Das Unternehmen müsse von der Weltmeisterschafts-Referenz absehen, ansonsten werde der Verband von jedem Spieler eine Verzichtserklärung fordern.

Freestyle verschob den WM-Anspruch zum Schutz der Teilnehmer - und setzte Dworkowitsch mit der Veröffentlichung der Kommunikation unter Zugzwang. Denn der Fide-Präsident soll versprochen haben, dass die Spieler "in keinster Weise" betroffen sein würden. Dieses Versprechen sei aber gebrochen worden. "Die Spieler rufen mich alle an, fühlen sich hilflos, unter Druck gesetzt", erzählte Buettner dem NDR. Am Sonntag will er die Teilnehmer am runden Tisch entscheiden lassen: "Wenn die sich einig sind und nicht mehr bei der Fide mitmachen wollen - vielleicht ist das der Beginn vom Ende der Fide."

Carlsen ist das Problemkind des Weltverbands

Denn auf klassisches Schach hat vor allem Carlsen lange schon keine Lust mehr, stattdessen ist der einstige Wunderknabe nun lieber das Problemkind der Fide. Seinen WM-Titel mochte er schon 2023 nicht mehr verteidigen, bei der Blitzschach-WM im letzten Jahr zog er sich zunächst zurück, weil er nicht in Jeans antreten durfte. Der Verband lenkte ein, Carlsen kehrte ans Brett zurück und sorgte prompt für den nächsten Eklat: Im Finale bot er seinem Kontrahenten kurzerhand an, den Weltmeisterschaftstitel zu teilen.

Als eine "Lektion im Bezug auf die Regeln" wertete Dworkowitsch dies noch und gab sich geschlagen - diesmal aber griff er voll durch. Und König Carlsen tobte. Schließlich leitet der 34-jährige Norweger die Geschicke nicht nur auf, sondern auch abseits des Schachfelds. Der Zug vor das Gericht ist bereits angekündigt. Die Hängepartie geht weiter. (sid/bearbeitet von jum)

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