Ein starkes Kollektiv mit herausragenden Einzelspielern ist die Hauptzutat für Österreichs Handball-Märchen bei der WM in Katar. Jetzt winkt sogar eine historische Chance - und es gibt gute Gründe, wieso das Team um Teamchef Patrekur Johannesson diese auch ergreifen wird.
Im Erfolg macht man die meisten Fehler, sagt der Volksmund. Österreichs Handballer haben derzeit ziemlich großen Erfolg, die Mannschaft von Teamchef Patrekur Johannesson ist die erste Auswahl des Österreichischen Handball Bunds (ÖHB), die das Achtelfinale einer Weltmeisterschaft erreicht hat.
Vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen Mazedonien bemühen sich alle Beteiligten trotzdem, nicht in Euphorie zu verfallen. "Für die Geschichtsbücher ist der Achtelfinal-Einzug ganz nett, mehr aber nicht", sagt ÖHB-Generalsekretär Martin Hausleitner. Das stimmt natürlich, immerhin stehen der Mannschaft noch mindestens zwei schwere Spiele bevor.
Der Achtungserfolg ist den ÖHB-Männern jetzt aber schon gewiss, was kurz- oder mittelfristig eine andere Verhandlungsbasis schafft in Bezug auf den umstrittenen Bundessportförderungsfonds. Der weist den Handballverband in einer Liste von 60 nationalen Sportverbänden lediglich auf Rang 37 aus - hinter so illustren Disziplinen wie Bahnengolf, Frisbee oder Rollsport.
Österreichs Handballer müssen sich selbst helfen
"Rufschädigung", nannte ÖHB-Präsident Gerhard Hofbauer die Einordnung des Handballs in Österreichs Sportwelt. Seine Proteste verhallten ebenso ungehört wie die Attacken Hausleitners und vieler anderer Funktionäre. Geholfen hat das alles nichts - also helfen sich die Handballer im fernen Katar nun selbst.
In Gruppe B hat Österreich Platz drei schon vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Mazedonien sicher und sogar die Chance, mit einem Sieg noch auf Platz zwei vorzurücken. Der würde in der Runde der besten 16 Mannschaften einen vermeintlich leichteren Gegner bedeuten und damit die Möglichkeit, sogar unter die besten acht Teams der Welt vorzudringen.
Eine hervorragende Abwehrarbeit ist bisher der Schlüssel zum Erfolg. Erst 104 Gegentreffer in vier Spielen hat das Team kassiert, das sind zum Beispiel weniger als Deutschland oder der kommenden Gegner Mazedonien eingefangen haben.
Torhüter Nikolai Marinovic gehört zu den besten seiner Zunft bei diesem Turnier, der 38 Jahre alte Routinier hat 36 Prozent aller Schüsse auf sein Tor abgewehrt und eine fantastische Siebenmeterquote: Sieben von 15 Versuchen des Gegners hat er bisher schon entschärft.
Im Angriff läuft es ebenfalls sehr gut bisher. Mit Rechtsaußen Robert Weber (26 Tore) und Linksaußen Raul Santos (24 Tore) stehen derzeit zwei ÖHB-Spieler unter den Top-Ten-Scorern - keine andere Mannschaft ist so gefährlich über die Außen wie Österreich.
Angstgegner Mazedonien
Trainer Johannesson hat eine homogene Mannschaft geformt, die kaum Schwachstellen hat. Lediglich von der Bank erwartet sich der Isländer mehr Impulse als bisher. Da hat Österreich noch Luft nach oben. Gegen die starken Mazedonier muss auch alles passen, um endlich Revanche nehmen zu können. Zuletzt war Österreich in den Playoffs zur Handball-WM 2012 und vergangenes Jahr bei der EM knapp unterlegen.
Um gegen die erfahrenste Mannschaften des Turniers eine Chance zu haben, muss das ÖHB-Team unbedingt Super-Shooter Kiril Lazarov (29 Tore) in den Griff bekommen. Über den Star des FC Barcelona läuft in den entscheidenden Sequenzen einer Partie alles - ist Lazarov aus dem Spiel, ist Mazedonien nur noch halb so stark. Ein weiterer Knackpunkt ist Keeper Borko Ristovski, der bisher noch nicht im Turnier angekommen scheint und für seine Verhältnisse schwach hält. Der Schlüssel in der Defensive liegt darin, den mazedonischen Rückraum weit genug vom eigenen Tor wegzuhalten. In der Offensive wird es wichtig sein die Außen und Spielmacher Viktor Szilagyi schnell ins Spiel einzubinden.
Im Achtelfinale dürfte der Gegner entweder Slowenien oder Gastgeber Katar heißen, wenn es ganz dick kommt, droht sogar noch Spanien. Alle drei Gegner hätten es in sich. Doch beim ÖHB-Team lautet die Devise ohnehin: Ein Schritt nach dem anderen. "Solange wir im Turnier sind, müssen wir den Fokus auf das nächste Spiel haben", betont Teamchef Johannesson. Gelder aus dem österreichischen Fördersystem haben die Handballer übrigens noch nicht erspielt. "Nur ein Platz unter den besten Acht zählt etwas", sagt Generalsekretär Hausleitner.
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