"Es war ein Schock", erinnert sich Lasse Nygaar Priester an den Tag der Diagnose Herzinfarkt. Olympia-Träume wichen Lebensängsten. Nun kehrt er zurück – und das bei einem Halb-Ironman.
Es beginnt im fernen China vor einem Jahr. Lasse Nygaard Priester tritt beim Triathlon-Weltcup in Chengdu an. Es ist der 29. April. Das Ziel: Punkte sammeln für die Olympia-Qualifikation.
Priester ist einer der Kandidaten für Paris. Der Mann mit der Startnummer 1 gibt in der zweiten Wechselzone nach dem Schwimmen und Radfahren aber auf – kein Lauf mehr. "Ich habe mich da so schlecht gefühlt, dass ich ausgestiegen bin. Auch mehrere Stunden danach ging es mir nicht gut", erinnert er sich.
Die Beschwerden lassen nach. Priester, 28 Jahre alt zu dem Zeitpunkt und voll durchtrainiert, reist weiter nach Japan. Beim Rennen der World Triathlon Championship Series kommt er nicht über Platz 29 hinaus. Über Samarkand in Usbekistan (35. Platz) geht es nach Italien. Mehr als Rang 21 springt auch dort für Priester nicht heraus. Weit unter seinem Anspruch, weit unter seinem Leistungsniveau.
"Eine wilde Tour", sagt er rückblickend in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Priester lächelt dabei. Der gebürtige Norderstedter betont: "Ich hatte bei allem Pech sehr, sehr viel Glück." Denn er erlitt damals einen Herzinfarkt, vermutlich im Rennen in China.
Ein Jahr zwischen Herzinfarkt und Rückkehr
"Die Belastung danach war schon ein immenses Risiko." Eines, das Priester auf sich nahm, weil es er nicht besser wusste und niemals an eine solche Diagnose gedacht hätte. "Lasse Priester hatte einen Leistungsabfall, der dazu führte, ihn eingehender medizinisch untersuchen zu lassen. Dabei wurde der Herzinfarkt – in vereinfachter Laiensprache eine Durchblutungsstörung des Herzens – festgestellt", erklärt Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU). Er ist seit 2008 Chefarzt am Klinikum Osnabrück, von 2012 bis 2024 war er ärztlicher Direktor des Klinikums.
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Nun gibt Priester sein Triathlon-Comeback, gerade mal ein Jahr nach dem China-Wettkampf. Am kommenden Sonntag tritt der mittlerweile 29-Jährige beim Ironman 70.3 Venice-Jesolo an – 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren, 21,1 Kilometer laufen. Aber wie geht das nach so einer Diagnose?
Priester: Diagnose war "ein Schock"
An den Moment, als die Ärzte den Befund hatten und ihm mitteilten, kann sich Priester sehr gut erinnern. "Ich bin ins Herzzentrum von Bad Krozingen gefahren und nach einer entsprechenden Untersuchung haben die Ärzte mir gesagt: 'Sie hatten einen Herzinfarkt'. Ich saß erst mal da und dachte: 'Und jetzt?'", erzählt Priester: "Es war ein Schock."
Ein paar Wochen vorher habe sich alles noch um eine Olympia-Teilnahme gedreht, wo seine Kolleginnen und Kollegen in der Mixed-Staffel später Gold holten. "Und dann fragt man sich: Werde ich jemals wieder Sport treiben können? Gleichzeitig spricht man über Themen wie Lebenserwartung, künftige Lebensweise und man denkt: 'Das geht jetzt hier gewaltig über den Sport hinaus'." Eine Balance zu finden in dieser Phase, sei schwer gewesen. Hinzu kam das Sportverbot – von 30 Stunden und mehr in der Woche auf null.
Keine Einwände für den Comeback-Plan
Im Januar legt Priester wieder mit dem Training los – vorausgegangen waren eingehende Untersuchungen. Nachdem er die Frage nach der Wiederaufnahme des Leistungssports gestellt habe, habe das ärztliche Betreuerteam der DTU das Expertengremium der Arbeitsgemeinschaft Kardiologie hinzugezogen, erklärt Engelhardt: Einwände gab es keine. Gleichwohl die Auflage "einer intensiven und individualisierten sportkardiologischen Betreuung".

Allerdings warnt Engelhardt auch eindringlich: "Allgemeine Rückschlüsse für die Bevölkerung können daraus nicht abgeleitet werden. Nicht jeder Herzinfarkt ist gleich. Zudem steht für den normalen Bürger nicht eine solche Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung, wie für einen Top-Leistungssportler."
Und bei Priester sei es auch kein Herzinfarkt gewesen, "wie wir ihn als Mediziner klassischerweise im Krankenhaus erleben", sagt der Verbandschef und Arzt. "Der Bürger denkt beim Herzinfarkt sofort an einen lebensbedrohlichen Zustand sowie an eine Behandlung auf der Intensivstation", betonen Engelhardt und DTU-Arzt Casper Grim. Grim gehörte auch im vergangenen Jahr als leitender Orthopäde und stellvertretender Chief Medical Officer zum Stab der Mannschaftsärzte des deutschen Olympiakaders.
"So etwas begleitet dich eigentlich in jeder Situation, selbst beim Treppe hochgehen."
Priester belastete die Diagnose. "So etwas begleitet dich eigentlich in jeder Situation, selbst beim Treppe hochgehen", schildert er. Beim Einschlafen erst recht. Mit mehr Wissen gewinne man aber auch in so einer Situation mehr Sicherheit. Hinzu sei die "sehr, sehr, sehr, sehr tolle" medizinische Betreuung gekommen. Komplett mit dem Sport aufzuhören, sei daher auch keine Option für ihn gewesen.
Deswegen wird er sich diese Woche ins Auto setzen, vollgepackt mit Sportklamotten und seinem Triathlonrad. Von Freiburg, wo er lebt und trainiert, geht es nach Italien. Vielleicht mit einem Zwischenstopp in Mailand, wo die Eltern seiner Freundin wohnen.
Am Sonntag um 07:15 Uhr tritt er zu seinem Comeback-Rennen an der Spiaggia del Faro von Jesolo an. Ein Triathlon und doch Neuland nach den bisherigen Rennen über deutlich kürzere Distanzen. "Ein bisschen Aufregung ist schon dabei", sagt Priester. Zu viel Stress oder Druck will er sich jedoch nicht machen.
"Ab und zu muss ich natürlich auch schon dran denken, dass das nach der ganzen Geschichte im vergangenen Jahr eine tolle Sache und ein bisschen Belohnung ist", sagt er. "Ich kann es einfach genießen, dass da was Neues kommt, dass man das macht, weil man es will, einfach, weil man Bock drauf hat." (Von Jens Marx und Philipp von Ditfurth, dpa/bearbeitet von lh)