Auf diesen Auftritt wartete die Schachwelt lange: Magnus Carlsen hat am Wochenende zum ersten Mal für den FC St. Pauli in der Schach-Bundesliga gespielt. Sein Debüt verläuft nicht wie geplant, aber gut.
Nur 25 Besucher sind es am Ende, die
Das kleine Problem: Zeitgleich zu seinem ersten Auftritt spielen auch die Fußballer des FC St. Pauli ein Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Die Hoffnung, Carlsens Debüt in den Räumlichkeiten des Millerntor-Stadions austragen zu können, wo es deutlich mehr Plätze gäbe, war für die Schachabteilung des Vereins damit dahin. Stattdessen müssen die Schachspieler in den deutlich kleineren Brahms Kontor in Hamburg ausweichen, der an einem normalen Spieltag sicher ausreichen würde – an diesem jedoch nicht.
Carlsen und der FC St. Pauli? Tatsächlich spielt der beste Schachspieler der Welt aktuell für den Stadtteilklub, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal auch im Schach in die höchste Spielklasse aufgestiegen ist. Was auf den ersten Blick noch nicht ganz zusammen passt, passt beim zweiten umso besser.
Denn auch wenn Carlsen im Schach eher die Rolle von Real Madrid einnimmt, gilt er ebenso wie der linksalternative Fußballverein als unangepasst und eigenwillig. Vor zwei Jahren verzichtete Carlsen als amtierender Weltmeister auf die Verteidigung seines Titels, weil ihm das keinen Spaß mehr machte. Und zuletzt sorgte er im Blitzschach mit dem unerlaubten Tragen einer Jeans samt kurzzeitigem Boykott des Turniers für einen Skandal. Ein Klub wie der FC St. Pauli, der selbst immer mit dem Rebellentum kokettiert, kommt dem Norweger da ganz entgegen.
Carlsen hat wieder ein Kleidungsproblem
Ein Problem in Sachen Kleidung holt Carlsen auch bei seinem Debüt für den Klub wieder ein. Anders als bei der Blitzschach-WM geht es dieses Mal um das Oberteil: Die Teams müssen in einheitlicher Kleidung auftreten, die der Norweger zunächst nicht hat. Dieses Mal aber können die Probleme gelöst werden, bevor der Ex-Weltmeister das Turnier ganz boykottiert. Der Verein stellt ihm einen grauen St.-Pauli-Hoodie, in dem Carlsen schließlich in sein erstes Duell mit dem Niederländer Max Warmerdam geht.
Das Debüt des Norwegers läuft ebenfalls durchaus wünschenswert für Verein und Spieler. Der FC St. Pauli schlägt auch dank eines Sieges seines besten Spielers die SG Solingen und holt damit seinen ersten Sieg in der Schach-Bundesliga jemals. Schon im zweiten Spiel gegen den Düsseldorfer SK wird es für Carlsen dann aber schon schwieriger: Dort trifft er auf den Weltranglistensiebten Yi Wei aus China, gegen den er nur remis spielt.
Die Niederlage seiner Mannschaft gegen den Düsseldorfer SK kann er mit dem halben Punkt am Ende nicht verhindern. Trotzdem: Nach den ersten Partien von Carlsen hat der Aufsteiger die Abstiegsränge erstmal verlassen. "Ich glaube, wir haben ein gutes Team, aber erst einmal ist unser Hauptziel, in der Tabelle zu klettern und den Abstieg zu verhindern, so wie die Fußball-Mannschaft", äußert sich Carlsen letztlich zufrieden.
Fans von St. Pauli kritisieren Carlsen
Auch wenn nicht jeder beim FC St. Pauli den Auftritt des Schach-Superstars ganz unkritisch hinnimmt. Beim Heimspiel der Fußballer waren laut "Hamburger Abendblatt" Flugblätter der Fangruppierung "Nord-Support" im Umlauf, die den Klub für das Engagement von Carlsen kritisierten. Der wirbt nämlich seit kurzem als Botschafter für den 2025 stattfindenden Esports World Cup, bei dem erstmals auch Schach Teil des Programms sein soll. Austragungsland des Turniers ist Saudi-Arabien, eine absolutistische Monarchie, die nur wenig mit den auf St. Pauli vertretenen Werten zu tun hat.
Die Botschafterrolle von Carlsen lasse sich deshalb nicht mit einem Engagement beim Klub vereinbaren, argumentieren die Fans. Vize-Abteilungsleiter von Wersch wiederum sagt, Carlsen werbe nur für Schach beim Esports World Cup, nicht für das Land selbst. Auch mit einer solch genauen Betrachtung seines Handelns müssen Carlsen und die Verantwortlichen bei einem Klub wie dem FC St. Pauli eben rechnen.
Der Norweger selbst kann oder will noch nicht sagen, wie oft er nach diesem Spieltag noch für den FC St. Pauli antreten wird. Laut Abteilungsleiter von Wersch soll es im März nochmal einen Doppelspieltag geben, an dem die Schachspieler dann endlich auch in den Stadionräumlichkeiten spielen werden.
Carlsen soll dann natürlich mit dabei sein. Doch es ist kein Geheimnis, dass das klassische Schach mit langen Bedenkzeiten, das in der Liga gespielt wird, nicht zu den Lieblingsdisziplinen des norwegischen Großmeisters gehört. Und wenn der nicht Bundesliga spielen will, dann macht er das auch nicht.
Verwendete Quellen
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