Debra Madsen präsentiert in Europa und den USA einen Film über ihre verstorbene Partnerin, die Para-Athletin Angela Madsen. "Row of Life" zeigt die ungewöhnliche Geschichte der im Rollstuhl sitzenden Ruderin – und die heilsame Wirkung, die Sport im Leben haben kann. Ein Gespräch über Hoffnung und Dankbarkeit.
Debra Madsen ist gerade auf einem Urlaubsschiff unterwegs, als sie Zeit für ein Video-Interview findet. Allein diese Tatsache wirkt ironisch, fast schon zynisch. Sie zeigt das Meer hinter sich, auf das sie aus dem Zimmer herausschauen kann – und ist gleichzeitig froh, im Warmen zu sein.
Eine Abenteurerin, wie ihre verstorbene Frau, wollte sie nie sein. Es stößt sie regelrecht ab. Bei Angela und Debra Madsen fällt vieles aus der Norm. Die 62-jährige Amerikanerin hat gerade die ersten Stationen der Tour hinter sich, auf der sie den Film über ihre verstorbene Partnerin vorstellt.
Obwohl sie laut eigener Aussage nicht gern auf Menschen zugeht und kein extrovertierter Mensch ist, ist sie überaus herzlich und freut sich, über den Film sprechen zu können. "Row of Life" dokumentiert das letzte große Abenteuer von Angela Madsen: eine Fahrt mit dem Ruderboot von Kalifornien nach Hawaii, wo sie nie ankam.
Allein im Ruderboot über den Ozean – das war ihr Ding. 2007 war sie die erste Sportlerin mit Behinderung, die über den Atlantik ruderte. Madsen war nicht nur begeisterte Surferin und Ruderin. Im Kugelstoßen gewann sie 2012 bei den Paralympics in London die Bronze-Medaille. 2016 in Rio startete sie außerdem im Speerwurf.
Im Frühjahr 2020, kurz vor ihrem 60. Geburtstag, machte sich Angela Madsen auf den Weg von Los Angeles nach Honolulu, rund 4.000 Kilometer. Auf der Fahrt gab es Turbulenzen: Sie musste ins Wasser, um die Schiffsschraube zu reparieren. Sie überlebte den Tauchgang nicht. Wie genau sie ums Leben kam, ist bis heute unklar.
Frau Madsen, wie geht es Ihnen dabei, wenn Sie heute den fertigen Film über Ihre Frau sehen?
Debra Madsen: Wir haben den Dokumentationsprozess 2007 angefangen. Ich bin keine Filmemacherin, ich kann aus all dem Material nichts machen. Umso dankbarer bin ich für das, was dabei herausgekommen ist. Die Botschaft ist großartig, Angela wäre sehr dankbar. Sie wollte immer diesen Film haben. Es war das Letzte, was sie zu mir am Telefon gesagt hat: Mach das fertig! Wir haben ihn fertig gemacht – und ich dachte mir: Wow, das ist ein richtiger Film!
Der Film ist fertig, das Projekt ist geschafft. Ist das schwer zu begreifen?
Es war schwer für mich zu begreifen, dass der Film so gut wird. Ich wollte – so gut es geht – nicht im Film vorkommen. Jetzt bin ich wesentlich präsenter, als ich es sein wollte. Es ist eine schöne Geschichte, dass da ein Mensch ist, der seinen Traum lebt. Zu mir sind viele Menschen gekommen, die mir von ihrem Schicksal erzählt haben. Ich habe einen jungen Mann getroffen, um die 30. Er dachte, dass sein Leben vorbei sei. Er hat den Film geschaut und sagte mir danach: 'Ich bin okay, ich komme durch.' Das ist die ganze Botschaft.
Was ist die Botschaft?
Geh' einfach. Lebe deine Träume, denn das Leben ist kurz.
Angela hat beim Militär eine Verletzung an ihrem Rücken erlitten und hart dafür gearbeitet, dass es ihr wieder besser geht. Doch sie hat eine Operation gebraucht, die fürchterlich schiefgegangen ist. Sie konnte sich niemals vorstellen, in einem Rollstuhl zu sitzen, sie dachte, dass ihr Leben vorbei ist. Leute von der Gruppe der Veteranen mit Handicap sagten zu ihr, sie soll an den Rollstuhl-Spielen teilnehmen. Dann hat sie realisiert, dass sie immer noch Sport machen kann – nur eben anders. Surfen hat sie am liebsten gemacht. Also ist sie auf ihren Knien gesurft. Sie hat sich immer verrückte Tricks gesucht.
Vor acht Jahren habe ich einen Mann getroffen, um die 40, dem es nicht gut ging. Ich dachte, er würde sich das Leben nehmen. Ich habe ihm von einem Sportcamp erzählt und dass er dort hingehen soll. Vor ein paar Wochen habe ich ihn auf einem Sportfestival wiedergetroffen. Er fährt immer noch Fahrrad, macht Gewichtheben. Ein kleiner Teil kann so viel verändern.
Also ist die Botschaft: Sport heilt?
Wenn Sport dein Ding ist! Man kann alles machen, woran man hängt, wofür man eine Leidenschaft hat. Fotografieren, Filme machen.
Was ist Ihre Leidenschaft?
Meine Leidenschaft war es einfach, um Angela herum zu sein und nicht mit Menschen reden zu müssen. (lacht) Jetzt ist es meine Leidenschaft, Angelas Botschaft weiterzutragen. Ich will, dass Menschen ihr bestes Leben leben. Ich will Menschen ermutigen.
Wann haben Sie und Filmemacherin Soraya Simi nach Angelas Tod gewusst, dass Sie den Film fortführen wollen?
Ich wusste immer, dass wir den Film machen werden. Das war wirklich das Letzte, was Angela zu mir am Telefon gesagt hat. Wir hatten kein Filmmaterial vom Boot, das ist alles verloren gegangen. Soraya hat das noch nie vorher erlebt, dass jemand, der ihr nahestand, gestorben ist. Sie war wirklich zerstört. Sie hat oft gesagt: Ich kann das nicht fertig machen. Ich habe aber gesagt: Wir müssen das fertig machen. Soraya hat Archivmaterial gefunden, das dazu gepasst hat. Und es hat besser gepasst, als ich je dachte.
Hat der Film Sie geheilt?
Es war eine verrückte Zeit. Ich konnte wegen Corona kein Volunteering mehr machen, dann ist Angela gestorben. Es gab keine Sportfestivals mehr. Der Film hat mir definitiv geholfen. Nach Deutschland zu gehen, um den Film dann vorzustellen, war unglaublich.
Was, denken Sie, würde Angela Ihnen und Soraya über den Film sagen?
Sie wäre dankbar dafür, dass es den Film gibt. Meine Enkelkinder haben den Film zum ersten Mal im Kino auf der großen Leinwand gesehen und haben gesagt: Er ist schön. Traurig, aber lustig.
Wie emotional war es für Sie und Ihre Familie?
Für mich ist es ein Film der Hoffnung und kein Film der Traurigkeit. Es gibt Stellen im Film, da denke ich: 'Oh, das ist typisch Angela!' Sie hat den Ozean geliebt. Wäre sie jetzt hier mit mir, würde sie die ganze Zeit aufs Wasser schauen und die Wellen studieren. Sie wollte einfach immer draußen sein, auf dem Meer. Verrückt. Das ist nicht meins.
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Was haben Sie von dem Filmprojekt gelernt?
Ich hatte jahrelang Zweifel und habe dann gesehen, dass das Projekt gelingen kann. Fremde Menschen können den Film sehen und wissen, was seine Botschaft ist. Das ist ziemlich cool für mich.
Über die Gesprächspartnerin
- Debra und Angela Madsen lernten sich 2006 bei Debras Arbeit kennen. Sie war Sozialarbeiterin, Angela half ihr dabei, einen Jungen im Rollstuhl zu motivieren, rudern zu gehen. Angela wollte eigentlich gar keine Beziehung eingehen, weil das Rudern für sie immer an erster Stelle stand. 2013 heirateten die beiden.
Verwendete Quellen
- Interview mit Debra Madsen am 08.04.2025
- Film "Row of Life"
- Zeit.de: "Wir dachten, sie wäre unbesiegbar"
- Frankfurter Allgemeine: Ihr letztes großes Abenteuer
- Süddeutsche.de: "Ich bin froh, dass sie ihren Traum gelebt hat"