• Cathy Freeman hat am 25. September 2000 mit Gold über 400 Meter Geschichte geschrieben.
  • Doch ihr Olympiasieg war nicht einfach nur ein sportlicher, sondern auch ein politischer und ein höchst emotionaler Erfolg.
  • Am 16. Februar wird Freeman 50 Jahre alt.

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Cathy Freeman musste sich setzen. Sie atmete schwer, nahm immer wieder die Hand vor den Mund. Schaute sich ungläubig um. Es war einer dieser Momente, die man als Zuschauer nicht vergisst. Denn man konnte der damals 27-Jährigen dabei zuschauen, wie ihr der historische Moment immer bewusster wurde, wie er den unmenschlichen Druck, dem sie lange ausgesetzt war, langsam verdrängte. Wie sich alles setzte, wie alles verschmolz.

Wie der Druck krachend von ihren Schultern fiel, dort auf der Tartanbahn im Stadium Australia, umgeben vom grenzenlosen Jubel der 110.000 Zuschauer. Es war der Moment einer ganzen Nation. Historisch, politisch, menschlich, einend. Brachial emotional.

Ein Schlüsselmoment in ihrem Leben. "Alle waren einfach ... so vereint", erinnerte sie sich rund 20 Jahre später in einer vom australischen Sender ABC veröffentlichten Dokumentation. Noch immer sorgt diese Nacht für Emotionen bei Freeman, die am Donnerstag ihren 50. Geburtstag feiert.

Der Jubel war ohrenbetäubend, alles hatte sich in einem Knall förmlich entladen, die Hoffnungen, die Erwartungen, die Empfindungen – und das alles am Ende buchstäblich in unter einer Minute. Magisch, aber auch traumatisch, wie sie einmal zugab – denn ihre Gefühle spielten verrückt. Sie konnte sie nach allem, was passiert war, nur langsam zulassen. Teilweise erst Jahre später.

Sie verrät übrigens auch, was ihr damals noch durch den Kopf ging, als sie die Kapuze ihres Ganzkörperanzuges langsam nach hinten schob, was wie ein Symbol wirkte, wie eine Art Schutzhaut, die sie dank des Triumphs nun behutsam ablegen konnte. Doch Emotionen und Gefühlsausbrüche hin oder her – Freeman war auch Spitzensportlerin. Deshalb galt ihr Blick zunächst der Uhr und damit der eigenen Leistung. Und die hatte einen Makel, findet sie noch heute.

Freeman: "War enttäuscht über meine Zeit"

"Ich war enttäuscht über die Zeit. Ich hätte unter 49 (Sekunden) laufen sollen, aber das bin ich nicht", sagte sie. "Ich bin Olympiasiegerin, aber dieses Gefühl, nicht ganz zufrieden zu sein. Es ist wie ein Juckreiz, der immer da ist." Und das, obwohl sie in 49,11 Sekunden, mit einem Lauf über lediglich 400 Meter, ein ganzes Land vereinte. Ihr Olympiasieg war mehr als eine Medaille, strahlte heller als Gold, war wichtiger als Platz eins.

Denn Freeman stammt von dem indigenen Volk Australiens ab, den jahrhundertelang unterdrückten Aborigines, die diskriminiert, verfolgt und bedroht wurden. So gehörte zum Beispiel ihre Großmutter zur sogenannten "gestohlenen Generation".

In der politischen Geschichte Australiens bezeichnet dies die Generationen von Kindern der Aborigines, die zwischen 1909 und 1969 ihren Familien genommen und in Heimen oder bei weißen Familien untergebracht wurden. Unmenschliche Umstände, die auch Freeman geprägt haben. Wie auch ihre Kindheit mit vier Geschwistern, in Armut, ohne große Möglichkeiten.

Laufen immer eine spirituelle Erfahrung

Freeman hat ihre Wurzeln immer gepflegt, sie ist stolz darauf und machte nie einen Hehl daraus, wo sie herkommt. Eng verbunden mit ihrer Vergangenheit war aber auch Rassismus. Auch etwas, das sie früh wachsen und reifen ließ. Sie musste ihren Weg selbst finden und gehen, denn sie bekam schon in der Schule, wo sie eines von drei Schwarzen Mädchen unter 600 Schülerinnen war, das Gefühl vermittelt, nicht dazuzugehören. Umstände, an denen Kinder leicht zerbrechen können. Das Laufen half ihr aber dabei, dem Chaos zu entkommen; wie für so viele Aborigines war der Sport die Möglichkeit, die schwierigen Lebensumstände für einen Moment hinter sich zu lassen.

"Wenn ich an diese eine Nacht im September denke, erinnere ich mich an mein allererstes Rennen", sagte Freeman. Denn Laufen war "immer – ich wage es zu sagen – eine spirituelle Erfahrung", erklärte Freeman, die über ihren Stiefvater, der zugleich ihr größter Förderer war, zur Leichtathletik kam. "Ich war ein Kind, dem es ziemlich peinlich war, ein Schwarzes Kind zu sein, ein indigenes Kind. Ich bin mit diesem Selbstbild aufgewachsen", sagte sie. Als sie zehn Jahre alt und ein Rennen gewonnen hatte, bekam sie die Trophäe nicht, "weil ich Schwarz war".

Ablehnung spornte Cathy Freeman an

Diese offene Ablehnung hat sie angespornt, es allen zu zeigen. 1994 feierte sie ihren Titelgewinn bei den Commonwealth Games mit der australischen und mit der Aborigine-Flagge. Eine Aktion, für die sie Ärger und Gegenwind bekam. "Ich wollte schreien: 'Seht mich an. Seht euch ... meine Haut an, ich bin Schwarz und ich bin die Beste, die es gibt'", sagte sie.

Damals kam alles zusammen: Sie als sportliche Hoffnungsträgerin, die Vergabe der Spiele 1993 nach Australien, dazu die Aufarbeitung der "Gestohlenen Generationen", die mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts "Bringing Them Home" 1997 weltweit in die Schlagzeilen kam. Gleichzeitig wuchsen die Hoffnungen, die in Freeman gesetzt wurden, geschürt durch sie selbst, der Olympiazweiten von Atlanta 1996, der Weltmeisterin von Athen 1997 und Sevilla 1999. Kaum auszuhalten war die Spannung dann bei der Eröffnungsfeier, als sie als ein Zeichen der Versöhnung das olympische Feuer entzündete.

"Sie läuft für ein ausgesöhntes Australien", brachte der "Sydney Morning Herald", die Aufgabe, die sie damals hatte, auf den Punkt. Das Rennen am 25. September 2000 war meisterhaft und minutiös geplant. Als Dritte bog sie auf die Zielgerade ein und legte gemäß der Strategie, die sie zuvor mit ihrem Trainer Peter Fortune vereinbart hatte, den Turbo ein. Mit Erfolg.

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Das Gefühl, eine höhere Macht hilft

Sie erinnerte sich, dass sie dachte: "Ich kann das gewinnen, ich werde das gewinnen, wer wird mich aufhalten?" Freeman war davon überzeugt, dass sie in diesem Finale immer die Oberhand behalten würde, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr eine höhere Macht hilft. "Ich hatte das Gefühl, dass ich beschützt werde", sagte sie. "Denn diese anderen Mädchen mussten immer gegen meine Vorfahren antreten." Auch sie waren in gewisser Weise da, jubelten mit, schrien mit, als Cathy Freeman auf die Tartanbahn sank.

Ihre Karriere beendete sie 2003, ihre Arbeit, ihr Volk zu inspirieren, setzt sie aber bis heute fort. Denn wie sie vor ein paar Jahren einmal resümierte, ist seit ihrem großen Sieg viel passiert, Australier und Aborigines haben aber noch einen weiten Weg vor sich. 2007 gründete sie die "Cathy Freeman Foundation", die sich darauf konzentriert, indigene Kinder dabei zu unterstützen, ihr Potenzial in der Schule und darüber hinaus auszuschöpfen und ihre Träume zu verwirklichen. Schließlich ist sie auch heute noch das beste Vorbild, dass man es schaffen kann.

Verwendete Quellen:

  • olympics: Cathy Freeman re-lives Sydney 2000 gold that brought Australia together
  • iview.abc.net.au: Freeman
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