Die deutschen Handballer sind nach dem 31:29 gegen die Schweiz mit zwei Siegen in die WM gestartet. Auf Torhüter Andreas Wolff ist Verlass, auf die anderen Automatismen allerdings noch nicht. Vor allem ein Muster nimmt bedenkliche Ausmaße an.

Eine Analyse
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Andreas Wolff wollte das ganze Lob gar nicht hören. Dass er im Tor der deutschen Handballer gerade mal wieder eine überragende Leistung abgeliefert hatte - geschenkt. Dass er "Man of the Match" wurde - nettes Beiwerk, mehr aber auch nicht. Und dass er das DHB-Team im zweiten WM-Vorrundenspiel gegen die Schweiz beim 31:29 in der Partie hielt – an diesem Abend war das überlebenswichtig. Aber trotzdem auch ärgerlich. Denn wirklich Spaß hatte Wolff gegen die Eidgenossen nicht.

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"Ich glaube nicht, dass ich sagen kann, dass mir das Spiel wirklich gefallen hat", sagte Wolff im ZDF. 48 Würfe hatte er auf sein Tor bekommen, 20 davon hielt er, was eine starke Quote von 42 Prozent ist. Vor allem die Außen trieb er mit acht gehaltenen Bällen bei elf Versuchen schier zur Verzweiflung. Bezeichnenderweise war es eine Parade gegen Gian Attenhofer auf Rechtsaußen bei anderthalb Minuten Restzeit, die bei 30:28 vorentscheidend war.

Wolff ist im Turnier angekommen

"Worauf wir uns heute verlassen konnten, war Andi Wolff, der endgültig im Turnier angekommen ist. Er hat viele Fehler im Angriff wettgemacht, uns so im Spiel gehalten und uns die Möglichkeit gegeben, am Ende ein knappes Spiel zu gewinnen", sagte Kapitän Johannes Golla. Und Bundestrainer Alfred Gislason nannte Wolffs Auftritt "überragend" und "großartig".

Der Hochgelobte war stattdessen angefressen. Wolff zeichnet es aus, dass er den Finger in die Wunde legt, intern sogar noch schmerzhafter als öffentlich. Damit treibt er sich und seine Mitspieler an. Nach der Partie gegen die Schweiz hat Wolff im internen Kreis viel zu erzählen, erstaunlicherweise deutlich mehr als nach dem Polen-Spiel. Denn war der Auftakt holprig, lieferte der zweite Auftritt nur wenige Antworten, sondern sogar noch mehr Fragezeichen.

"Wir haben uns sehr, sehr lange schwergetan, haben auch wirklich teilweise mit dem Rücken zur Wand gestanden und haben wieder mal nicht unser bestes Spiel gezeigt", sagte Wolff: "Wir können froh sein, dass wir gewonnen haben." Für den 33-Jährigen ist nach dem vorzeitigen Einzug in die Hauptrunde klar: "Wenn wir gegen Dänemark spielen, müssen wir drei, vier Gänge hochschalten."

Krimi gegen die Schweiz: DHB-Team zieht in die WM-Hauptrunde ein

Die deutschen Handballer haben sich nach einem schwierigen Spiel gegen die Schweiz vorzeitig das Ticket für die Hauptrunde der WM gesichert. Vor allem DHB-Keeper Andreas Wolff überragte beim knappen 31:29-Sieg.

Bedenkliches Muster

Dann gerne auch früher im Spiel, denn wie schon gegen Polen fanden die Deutschen nur äußerst schleppend ihren Rhythmus. Es ist angesichts der Parallelen zu den beiden Tests gegen Brasilien und der Polen-Partie ein inzwischen bedenkliches Muster, dass die Deutschen stets eine wilde Anfangsphase zusammenspielen und einem Rückstand hinterherrennen. Denn klar sein dürfte, dass das mit zunehmender Gegner-Qualität nicht immer gut gehen wird.

Überraschend viele technische Fehler sorgten gegen die Schweiz für wenig Spielfluss, hinzu kamen die mangelnde Chancenverwertung und ungewohnt große Löcher in der eigenen Abwehr. Die Schweizer konnten zudem einige Tore aus der zweiten Welle oder der schnellen Mitte erzielen.

"Wir sind keine Mannschaft, die gegen jeden Gegner einfach durchspaziert. Wir sind weit davon weg", sagte Gislason, der von der fehlenden körperlichen und mentalen Frische aber nicht überrascht ist. "Die kommen alle aus der Bundesliga, keiner von denen ist frisch, das ist nicht wie in den Olympischen Spielen. Anscheinend ist es so, dass wir ein bisschen Temperatur brauchen, bis das ein bisschen läuft", sagte der 65-Jährige.

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Die Crunchtime kann das DHB-Team

Was dafür schon gut klappt, ist das Auftreten in der Crunchtime. Acht Minuten vor dem Ende lag die DHB-Auswahl noch mit 25:26 zurück, ehe sie – angeführt von Juri Knorr und dem glänzend auftretenden Julian Köster – die Nerven behielt und entscheidend aufdrehte. Als es zählte, lieferte nicht nur Wolff, sondern auch andere Leistungsträger.

Knorr, der nach seiner Knieverletzung auflaufen konnte, kam erstmals nach zehn Minuten und unterstrich in einigen Szenen, wie wichtig er für das deutsche Spiel ist. Und selbst Shootingstar Renars Uscins ist an einem schlechten Tag für sechs Tore gut. "Die Mannschaft hat Charakter gezeigt", sagte Wolff und lobte zudem, "dass wir auch bei zwei, drei Toren Rückstand nicht den Kopf verloren haben."

Auch wenn der Auftritt gegen die Schweiz offenbarte, dass die DHB-Auswahl noch lange nicht in der olympischen Silber-Form ist, stimmt die Ausbeute. Deutschland führt die Gruppe A mit 4:0 Punkten an, vor dem nächsten Gegner Tschechien (2:2) sowie Polen und der Schweiz, die jeweils 1:3 Punkte aufweisen.

Wichtiger Abschluss gegen Tschechien

Die ersten drei Mannschaften kommen in die Hauptrunde, wo als deutsche Gegner bereits Olympiasieger und Weltmeister Dänemark sowie Außenseiter Italien feststehen. Gegen Tschechien geht es für Deutschland am Sonntag um den Gruppensieg und darum, mit wie vielen Punkten man in der Hauptrunde startet, denn die Zähler gegen die qualifizierten Gruppengegner werden mitgenommen.

Wichtig sind daher vier Punkte und damit ein Sieg im letzten Vorrundenspiel. "Die Tschechen haben die beste Abwehr bis jetzt, die sehr robust, sehr beweglich ist", sagte Gislason. Er warnte davor, wieder so anzufangen wie bislang: "Dann werden wir ein richtig schweres Spiel haben. Wir müssen an uns arbeiten und es besser machen, auch in der Breite." Denn nur mit einem überragenden Wolff wird es auf Dauer auch nicht gehen.

Verwendete Quelle:

  • TV-Übertragung ZDF
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