Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat bei der WM das Viertelfinale erreicht. Gegen wackere Italiener verzückte eine Konstante Bundestrainer Alfred Gislason. Eine Frage nervte ihn allerdings.
Andreas Wolff erwischte das perfekte Timing. Wer weiß, was sonst am Donnerstagabend im zweiten WM-Hauptrundenspiel gegen Italien passiert wäre.
Denn eigentlich wollte Handball-Bundestrainer
"Andi hatte wirklich Pech in den ersten 15 Minuten. Als ich ihn eigentlich auswechseln wollte, hat er losgelegt und überragend gespielt", sagte Gislason in der ARD. Und grinste breit. Denn der Isländer weiß es zu schätzen, dass er bei diesem Turnier der deutschen Inkonstanz in Wolff eine der bislang noch wenigen Konstanten hat.
Wolff liefert sowieso meist verlässlich, und bereits zum zweiten Mal bei dieser WM hielt er das deutsche Team mit einer starken Leistung im Spiel. Überragende 18 Paraden hatte er beim am Ende souveränen 34:27 bei einer Fangquote von 42 Prozent. Er hat ein wackeliges DHB-Team in der Spur gehalten und einen unangenehmen Gegner entnervt. Mal wieder.
Denn perfekt war es gegen das Überraschungsteam der WM nicht, doch optimal ist immerhin die Ausbeute: Deutschland steht vorzeitig im Viertelfinale, womit der "Man of the Match" hinterher "sehr zufrieden" war, wie Wolff im ZDF meinte: "Wir haben uns ein bisschen schwergetan gegen die Italiener. Die haben ein fantastisches Turnier gespielt. Wir konnten froh sein, dass wir das Spiel am Ende deutlich gewonnen haben", sagte er. Und sagte das, was viele rund um das deutsche Team denken: "Ich hoffe, dass es noch nicht das Ende der Fahnenstange für uns ist."
Es ist das Mindestziel, das man mit dem Viertelfinale erreicht hat. Dass es in den Medien von Anfang an um eine mögliche erste WM-Medaille nach dem WM-Titel 2007 ging, hat Gislason akzeptiert. Ein bisschen fuchsig wurde er dann aber doch, als er nach der Partie nach der Medaillen-Form gefragt wurde.
Gislason meckert über Fehlwürfe
"Ihr könnt gerne weiter über Medaillen reden, ich rede über etwas ganz anderes", meinte der 65-Jährige. Er spricht grundsätzlich lieber darüber, was ihm nicht gefallen hat: "Wir hatten wieder 19 Fehlwürfe und mehr als die Hälfte davon alleine gegen den Torhüter. Das ist eine Sache, die uns viel kosten wird."
Gegen die Italiener war die Chancenverwertung ein Problem, weil der Gegner mit einer offenen Abwehr agierte, die nicht leicht zu knacken war. Die deutschen Handballer verschliefen erneut die Anfangsphase, kamen nicht in den Rhythmus. Die Folge waren einige Fehlpässe, technische Fehler und vergebene Möglichkeiten. Die Bedeutung des Duells – eine Pleite hätte das Aus bedeutet – war greifbar, sie lastete wie Blei auf den Schultern des jungen Teams.
Die Abwehr als Mutmacher
Doch mehrere Faktoren griffen endlich einmal gleichzeitig: Die Deutschen übernahmen das Kommando, die Abwehr funktionierte und dominierte, und Wolff erledigte dahinter den Rest. "Die Abwehr war sehr stark", befand Gislason. Vor allem das Duo Johannes Golla und Julian Köster nähert sich der Olympia-Form, die einige aus dem deutschen Team noch suchen, sie verteidigten aggressiv und konzentriert. Es ist ein Mutmacher, dass die Defensive, das Prunkstück bei den letzten Erfolgen, offenbar rechtzeitig auf Betriebstemperatur kommt. Essenziell für den WM-Erfolg wäre es, wenn Abwehr und Angriff gleichzeitig auf hohem Niveau performen.
Dass die Leichtigkeit hier und da weiter fehlt, wollte Golla aber nicht überbewerten. Vielmehr findet er es "manchmal ein bisschen schade, dass wir uns selbst kleiner machen, als wir sind". Denn Italien mag einen Flow haben und nach 28 Jahren WM-Abstinenz ein Märchen erleben, "aber trotzdem haben wir den Anspruch und auch die Qualität, so ein Spiel, auch in der Deutlichkeit, zu gewinnen. Auch mit keinem perfekten Spiel von uns", so Golla. Ihm sei es sowieso lieber, mit viel harter Arbeit dahin zu kommen, "als irgendwann mit zu viel Leichtigkeit auf die Schnauze zu fallen".
Semper bringt Leichtigkeit mit
Die brachte übrigens ein Neuer mit: Der zuvor verletzungsbedingt fehlende Franz Semper feierte nach der Erkrankung von Juri Knorr und Rune Dahmke ein Traum-Debüt. Er sorgte in seinen ersten siebeneinhalb WM-Minuten mit fünf Treffern mit dafür, dass die Italiener in der zweiten Halbzeit auf Abstand gehalten wurden. "Das tut gut und gibt einem auch ein anderes Gefühl innerhalb der Mannschaft", sagte Semper.
Gislason gibt es das Gefühl, dass die Breite des Kaders greift und auch jemand wie Topstar Knorr ersetzt werden kann. Da trifft es sich gut, dass das letzte Hauptrundenspiel am Samstag gegen Tunesien nun sportlich bedeutungslos geworden ist.
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Der Bundestrainer wird "sicherlich dem einen oder anderen, der sehr viel gespielt hat, mehr Pausen geben", wie er ankündigte. Man werde aber "kein Freundschaftsspiel draus machen. Die Jungs wissen alle, dass sie Deutschland vertreten." Daher wolle man eine "sehr gute Leistung bringen und uns auch ein bisschen einspielen für das Spiel danach".
Gegner ist noch offen
Das Spiel danach – wer am Mittwoch im Viertelfinale in Oslo der Gegner sein wird, ist offen. Zwei Runden stehen in der Hauptrundengruppe 3 noch aus. Aktuell würde das DHB-Team auf Portugal (5:1 Punkte) treffen. Zweiter ist Brasilien (4:2) vor Namen wie Schweden (4:2), Spanien (3:3) und Norwegen (2:4). Klar ist: Die Medaillen-Fragen werden nicht weniger. Auch wenn Gislason das im Moment noch nicht hören mag.
Verwendete Quellen
- TV-Übertragung ZDF
- sportschau.de: Gislason - "Wolff hat überragendes Spiel gemacht"
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