Die deutschen Handballer haben sich im dritten WM-Gruppenspiel gegen Tschechien zwar keine Blöße gegeben, zeigten aber altbekannte Probleme. Ein Duo ist aber bereits jetzt auf Weltklasse-Niveau – und absolut verlässlich.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Alfred Gislason nahm es mit einer Mischung aus Galgenhumor und Sarkasmus. "Es ist erstaunlich, wie sehr wir uns das Leben schwermachen, anscheinend können wir nur zweite Halbzeit", sagte der Bundestrainer in der ARD. Und lächelte dabei etwas gequält. Denn das 29:22 im letzten WM-Vorrundenspiel gegen Tschechien war am Ende souverän, weil es auf eine enorme Leistungssteigerung nach dem Seitenwechsel zurückzuführen war. Und erneut auf den Torhüter. Es ist ein echtes Pfund, dass Gislason gleich zwei Keeper hat, die auf Weltklasse-Niveau agieren.

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Gegen die Schweizer am Freitag hielt Andreas Wolff die Mannschaft im Spiel, kam auf 42 Prozent gehaltener Bälle. Gegen die Tschechen am Sonntag legte David Späth mit beeindruckenden 47 Prozent nach. Und wurde wie Wolff zum "Man of the Match" gekürt. "Andi spielt ein super Turnier bis dato und ich bin froh, dass ich jetzt auch meine Akzente setzen konnte. Und wir harmonieren ziemlich gut", sagte Späth.

Denn auch wenn in der Vorrunde vieles Stückwerk blieb und die Verhaltensweisen in Abwehr (zu löchrig), Angriff (zu ungenau) und Anfangsphase (fast immer unkonzentriert) schon ärgerlich verfestigt sind, kann sich das Team auf seine beiden Torhüter verlassen. Und bei Wolff und Späth ist es fast schon egal, wer auf der Platte steht - einer liefert immer.

Der 33 Jahre alte Wolff und der 22-jährige Späth sind in dem Zusammenhang essenziell für das Spiel, aber auch für den Kopf, denn sie peitschen das Team mit ihren Paraden nach vorne. Der extrem emotionale Späth zündet dabei sogar gleich die ganze Halle an.

Torhüter extrem wichtig für den Gesamterfolg

Torhüter sind im Handball heutzutage extrem wichtig für den Erfolg einer Mannschaft. Wolff und Späth heben bei diesem Turnier den Erfolgsanteil auf ein neues Level. Dass beide mit Leistung vorangehen, macht Hoffnung, dass andere Schlüsselspieler wie Juri Knorr, Julian Köster oder Johannes Golla, aber auch Youngster wie Marko Grgic oder Justus Fischer nachziehen. Aber nicht nur einzelne Akteure sind gefragt, sondern im weiteren Verlauf wird es unerlässlich sein, dass das Team als Einheit konstanter auftritt, nicht nur phasenweise, sondern von Anfang bis Ende.

Denn gegen Tschechien trieb der übliche, schleppende Start Gislason mal wieder in den Wahnsinn. Einmal mehr wurden viele leichte Chancen liegengelassen. "Diese Wurfausbeute bereitet mir Kopfzerbrechen", gab Gislason zu.

Denn schon am Dienstag wartet zum Auftakt der Hauptrunde die Neuauflage des Olympia-Finales gegen Dänemark, das seit 31 WM-Spielen ungeschlagen ist. "Wenn wir gegen sie auch so mit den Chancen umgehen, dann ist das Spiel zur Halbzeit schon längst vorbei. Doch auch mit einer sehr guten Wurfausbeute ist es schwer genug", meinte der Bundestrainer. Die Halle wird mit 15.000 frenetischen Zuschauern kochen.

Endlich mal im Flow

Es gibt allerdings auch Mutmacher, wie eine verbesserte Abwehrarbeit und die Erkenntnis, dass die Kaderbreite dafür sorgt, dass Gislason in der Defensive ohne Qualitätsverlust auch personelle Wechsel und Systemänderungen vornehmen kann. "Das macht uns stärker und auf lange Sicht auch schwerer auszurechnen", sagte Kapitän Johannes Golla. Und angestachelt durch Späths Paraden, spielte das DHB-Team in der zweiten Halbzeit einen deutlich mutigeren Tempo-Handball. Und mit zunehmender Spielzeit schaffte es die deutsche Mannschaft dann sogar endlich in einen Flow, in dem sie nur schwer zu stoppen ist.

Renars Uscins, mit acht Toren der beste Werfer, findet es "positiv, wenn wir Fehler machen und nicht optimal spielen und trotzdem die Siege holen. Es ist für uns, für eine junge Mannschaft, extrem wichtig, wenn wir unsere Lehren daraus ziehen". So könne man sagen, dass die Vorrunde nicht optimal gewesen sei, meinte Uscins, "aber wir stehen mit voller Punktausbeute in der Hauptrunde".

Was können Tunesien und Italien?

Das hilft enorm, denn so könnte sich das deutsche Team mit Blick auf das Viertelfinale auch eine Pleite gegen die Dänen leisten. Dann müssen aber zwingend Siege am Donnerstag gegen Italien und am Samstag gegen Tunesien her, denn nur die ersten beiden Mannschaften der Sechsergruppe schaffen es in die K.o.-Runde. Tunesien sei körperlich gut, auch individuell, sagte Gislason. "Sie können wirklich gute Spiele zeigen, sie verlieren aber ab und zu komplett die Linie, weil sie so heißblütig sind."

Und die Italiener "haben eine riesige Steigerung hingelegt in den letzten Jahren, sie haben auch Mannschaften wie die Schweiz, Serbien und Österreich geschlagen", so Gislason. Klar ist: Gegen die beiden Teams wird Deutschland wieder die Favoritenrolle innehaben. Die lag dem DHB-Team bislang nicht so. Fakt ist aber auch, dass das Viertelfinale Pflicht ist. Dass dafür aber nicht nur Wolff und Späth auf hohem Niveau abliefern müssen, allerdings auch.

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