Der frühere Welthandballer Daniel Stephan spricht im Interview mit unserer Redaktion über die deutschen Leistungen bei der Handball-EM und erklärt, was es gegen Dänemark im Halbfinale für einen Sieg braucht. Einen deutschen Spieler sieht Stephan als "Besten der Welt".
Herr Stephan, Deutschland steht im Halbfinale der EM. Haben Sie das vor dem Turnier erwartet?
Vor dem Turnier habe ich mich mit der Auslosung und dem möglichen Weg beschäftigt. Da muss man sagen, dass die deutsche Mannschaft auch ein bisschen Glück gehabt hat, was auch dazugehört. So ist sie, bis auf Island, den starken nordeuropäischen Teams aus dem Weg gegangen. Doch die Spiele müssen erst einmal gespielt werden. Mit dem Sieg gegen die Schweiz zum Auftakt wurde ein guter Grundstein bei den Fans und für die Euphorie gelegt. Und die Konstellation in der Hauptrunde war auch günstig für das DHB-Team, auch wenn sie gegen Österreich mit zwei blauen Augen davongekommen sind. Daher ist der Halbfinaleinzug keine komplette Überraschung für mich.
Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Faktoren für den deutschen Erfolg bei der EM?
Die Mannschaft hat mich überzeugt, trotz mancher Schwächephasen. Sie haben sehr viel Emotionen reingebracht und Charakter gezeigt. Bundestrainer
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Stephan über Knorr: "Mann für die besonderen Momente"
Wie sehen Sie die Leistungen von Spielmacher Juri Knorr, der teilweise auch in der Kritik stand?
Er ist einfach der Mann für die besonderen Momente im deutschen Team, spielt dabei aber auch mit viel Risiko. Aber man darf nicht vergessen: Er ist erst 23 Jahre alt und bringt schon jetzt alles mit, was einen Spitzenspieler auszeichnet. Vorne ist er variabel, kann ins Eins-gegen-Eins gehen oder aber per Schlagwurf abspielen. Außerdem erkennt er blitzschnell die Situation. Natürlich macht er noch einige Fehler, aber seine Entwicklung ist auch noch nicht abgeschlossen.
Wie sehr schadet die Niederlage gegen Kroatien dem deutschen Team in Sachen Selbstvertrauen?
Wären wir die einzige Nation gewesen, der das passiert wäre, hätte ich auch eher einen Bruch im Turnierverlauf gesehen. Aber Dänemark und Schweden haben ebenfalls ihre abschließenden Duelle verloren. Natürlich wollen die Spieler, die Partie gewinnen, aber der große Siegdruck ist nicht mehr da. Vielleicht fehlen dann einfach die letzten Prozentpunkte. Zudem wurde viel gewechselt, um die Belastungen gleichmäßig für alle zu halten. Es ist daher einfach eine menschliche Reaktion.
Im Halbfinale geht es jetzt gegen Weltmeister Dänemark. Wie schätzen sie die deutschen Chancen ein?
Für mich sind die Chancen des DHB-Teams nicht wirklich groß. Dänemark hat einen qualitativ besseren Kader und viel mehr Erfahrung. Aber die 20.000 Zuschauer in Köln sind natürlich ein großes Faustpfand für die Deutschen. Mit einem überragenden Andi Wolff und einer starken Abwehr haben wir sicherlich eine Chance, aber selbst dann muss alles passen. So braucht es im Angriff auf jeder Position hochprozentige Trefferquoten. Nur dann haben wir überhaupt eine Chance.
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Wie groß sind Deutschlands Chancen auf eine Medaille im verbleibenden Teilnehmerfeld mit Schweden, Frankreich und den Dänen?
Wir haben zwei Chancen, eine Medaille zu gewinnen. Mit einem Sieg gegen Dänemark wäre diese schon sicher. Fakt ist, dass die drei anderen Teams jeweils einen besseren Kader haben, als die deutsche Mannschaft. Ich will aber nicht pessimistisch sein, denn wenn jeder an seine Leistungsgrenze geht, ist für das deutsche Team alles drin. Wenn sich dann tatsächlich die Chance ergibt, muss man diese auch nutzen.
Abschließend die Frage aller Fragen: Wer wird Europameister?
Mein Tipp ist Dänemark. Frankreich hat zwar die besten Einzelspieler auf dem Feld, aber im Tor haben sie Schwächen und dort kann Dänemark mit seinem starken Duo Niklas Landin/Emil Nielsen auftrumpfen.
Über den Gesprächspartner
- Daniel Stephan wurde 1998 als erster deutscher Spieler zum Welthandballer gewählt. Als Spieler gewann er zwei deutsche Meisterschaften sowie drei Pokaltitel. Bis heute hält er mit elf verwandelten Siebenmetern in einem Spiel einen Bundesliga-Rekord.
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