Die österreichische Handball-Nationalmannschaft zählt zwar nicht zur internationalen Spitze, könnte aber bei der Heim-Europameisterschaft für eine Überraschung sorgen. Nicht nur wegen der Unterstützung der Zuschauer, sondern auch wegen dem vielleicht besten österreichischen Handballspieler aller Zeiten.

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Volle Hallen, gute Stimmung, spannungsgeladene Spiele – die Handball-Europameisterschaft 2020 steht in den Startlöchern. Österreich zählt gemeinsam mit Schweden und Norwegen zu den Gastgebern. Und es ist gut möglich, dass Österreich eine der Überraschungsmannschaften sein wird.

"Je nachdem, wie wir in das Turnier starten und was für eine Mentalität möglich ist, können wir weit kommen", verspricht Kapitän Nikola Bilyk im Gespräch mit unserer Redaktion.

Es ist nicht die erste Handball-Europameisterschaft im eigenen Land. Die EM 2010 fand sogar komplett in Österreich statt. Damals überstand die ÖHB-Auswahl die Vorrunde, war allerdings der starken Konkurrenz in der Hauptrunde nicht gewachsen und landete insgesamt auf Platz 9.

Trotzdem war es das beste Ergebnis, das eine österreichische Nationalmannschaft jemals bei einem Großturnier erzielte. Und fast noch wichtiger: Der Handball löste in Österreich eine bis dato ungeahnte Begeisterung aus. 8000 Zuschauer und mehr kamen damals zu den Spielen.

Bilyk denkt gerne an dieses Ereignis zurück. Damals war er ebenfalls in der Halle – und zwar als Bodenwischer. "Das war unfassbar. Ich habe das Turnier hautnah miterlebt. In der Halle herrschte eine fantastische Stimmung", erzählt der 23-Jährige.

Bei der WM nur Platz 19

Eine ähnliche Stimmung möchte er nun erneut entfachen. Dafür wären gute Ergebnisse erforderlich. Nach dem Jahre 2010 tat sich die österreichische Auswahl bei den Welt- und Europameisterschaften meist schwer. Nie wieder landete die Auswahl in den Top Ten – wenn sie überhaupt qualifiziert war. Bei der Weltmeisterschaft 2019 belegte Österreich zuletzt Platz 19.

Bilyk schätzt die Ergebnisse realistisch ein: "Für uns ist es ein großer Erfolg, wenn wir uns überhaupt für eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Trotzdem möchten wir uns weiter verbessern und uns nicht mit diesen kleinen Erfolgen zufriedengeben. Wir haben eine sehr junge Mannschaft."

In der Mannschaft steckt also viel Entwicklungspotential. Und eine Europameisterschaft im eigenen Land, bei der die Spieler von Tausenden Fans nach vorne geschrien werden, bietet eigentlich beste Voraussetzungen, um das Potential zu entfalten.

Nikola Bilyk – Kapitän und Schlüsselspieler

Bilyk ist der Schlüsselspieler der Nationalmannschaft – vielleicht sogar der beste Handballspieler, den es in Österreich jemals gab. Bereits mit 19 Jahren wechselte er in die deutsche Bundesliga zum Rekordmeister THW Kiel und war dort vom ersten Tag an ein absoluter Leistungsträger.

Seine Stärken: Er ist im Rückraum auf der Mittelposition (also als Spielmacher) und als linker Rückraumspieler flexibel einsetzbar, hat eine gute Spielübersicht und einen starken rechten Wurfarm.

Handball ist ein Mannschaftssport

Viktor Szilágyi ist beim THW Kiel als Geschäftsführer der Vorgesetzte von Bilyk. Früher war Szilágyi selber Nationalspieler, absolvierte 201 Länderspiele für Österreich und stand auch bei der EM 2010 im eigenen Land auf dem Spielfeld.

Er warnt davor, die ganze Last auf den Schultern von Bilyk abzuladen. "Handball ist ein Mannschaftssport. Nikola kann die Mannschaft nicht alleine leiten. Es gibt auch andere Spieler im Kader, die viel Erfahrung haben", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Wen er damit meint? "Vor allem die Spieler, die über viel Turniererfahrung verfügen oder auch in der deutschen Bundesliga spielen", antwortet er. Das seien zum einen die beiden Außenspieler Raul Santos und Robert Weber. Aber auch Torwart Thomas Bauer, der mit Porto in der Champions League spielt, zähle für ihn dazu.

Minimalziel: Hauptrunde

Österreich trifft in der Gruppe B zunächst auf Tschechien (10. Januar, 18:15 Uhr). Danach folgen die Partien gegen die Ukraine (12. Januar, 18:15 Uhr) und Nordmazedonien (14. Januar, 18:15 Uhr). Die beiden Gruppenersten ziehen in die Hauptrunde ein.

"Ab dem Erreichen der Hauptrunde wäre das eine gute EM", sagt Szilágyi. "Genauso wichtig ist, wie sich die Mannschaft präsentiert. Wir werden volle Hallen und eine außergewöhnliche Medien- und Zuschauerpräsenz haben. Daher ist es wichtig, dass der Funke überspringt und die Zuschauer spüren, dass sich die Mannschaft komplett zerreißt."

Ales Pajovic: Nationaltrainer mit wenig Erfahrung

Auch für Ales Pajovic wird die Europameisterschaft eine ganz neue Erfahrung sein. Erst im März wurde er als Nationaltrainer von Österreich vorgestellt. Allzu viel Trainererfahrung hat der Slowene nicht. Lediglich den österreichischen Verein HSG Graz hat er bislang trainiert – teilweise als Trainer und Spieler in Personalunion.

"Die Mannschaft ist intakt. Jetzt liegt es an mir, die letzten Prozente herauszuarbeiten", sagte Pajovic im Interview mit dem "Kurier". Für den Österreichischen Handballbund (ÖHB) geht es bei der EM um weit mehr als nur ein gutes Ergebnis.

Es geht darum, im Land des Wintersports und Fußballs Werbung für den Handball zu betreiben. Bilyk sagt daher: "Ich hoffe, dass die Europameisterschaft das ganze Land mitreißt."

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Nikoly Bilyk
  • Interview mit Viktor Szilagyi
  • Kurier (3/2019) "Mit Druck allein funktioniert nicht viel"
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