Bei der Handball-EM begleiten ARD und ZDF die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Die Sender setzen in weiten Teilen auf Bewährtes, wobei ein Punkt besser werden könnte. Dafür sorgt vor allem ein Experte für frischen Wind.
Die Begeisterung war deutlich herauszuhören. Johannes Bitter ging mit, fieberte mit, freute sich mit. Die Gruppenphasen-Partie der deutschen Handballer gegen Frankreich war das erste Pflichtspiel für den früheren Nationaltorhüter als ARD-Experte, und der 41-Jährige setzte direkt die passende Tonalität.
Als sich DHB-Kapitän Johannes Golla nach einem Zuspiel noch ein paar Zentimeter Richtung Sechsmeterlinie durchtankte, sich explosiv drehte und verdeckt ins Tor warf, jubelten Kommentator Florian Naß und Bitter über die Art und Weise. "Ich sage Dir, wir müssen irgendwann noch einen Namen für diesen Wurf erfinden. Was gibt's im Turnen? Den Dauser, hab' ich neulich gelernt. Aber das ist der Golla!", sagte Bitter.
Ein starker Einstand für den Weltmeister von 2007, der weiter erklärte: "Nicht reinspringen, um den Abwehrspieler herumwerfen. Der Torhüter ist gestört, das ist so unangenehm! Für mich ist das jetzt der Golla." Für die TV-Zuschauer ist Bitter der Neue neben Naß, der bei der WM im vergangenen Jahr noch alleine kommentiert hatte. Bitter ist eine passende Ergänzung, denn er macht seine Sache gut, geht mit und ist immer noch nah dran, was bei einem so schnellen und emotionalen Sport wie Handball aber deutlich weniger anbiedernd oder seltsam wirkt als es beim Fußball der Fall wäre.
Klare Kante vom Neuen
Gleichzeitig hält er mit Kritik nicht hinter dem Berg, sprach zum Beispiel beim schwachen Auftritt im zweiten Hauptrunden-Spiel gegen Österreich die Probleme immer wieder klar und deutlich an. Gleiches gilt für das bewährte ZDF-Duo Christoph Hamm und Ex-Weltmeister Markus Baur. Die beiden punkten wie gewohnt durch eine überwiegend pointierte Zurückhaltung, während Naß und Bitter die etwas lautere Herangehensweise bedienen. Dabei wissen regelmäßige Zuschauer, dass Naß späte Treffer gegen Nordmazedonien nicht weniger enthusiastisch feiert als wichtige Tore in der Hauptrunde. Ist und bleibt Geschmackssache.
Gut ist: Die Kommentatoren der beiden öffentlich-rechtlichen Sender behalten ihre gewohnte Linie bei, indem sie den Sport, Taktiken und Entwicklungen auch für neue Zuschauer verständlich erklären. Zuletzt waren es stets rund acht Millionen Zuschauer, die die Spiele der deutschen Handballer in ARD und ZDF sehen wollten. Die DHB-Auswahl erlebt ihren inzwischen traditionellen Turnier-Peak, und sicher nicht alle Zuschauer sind mit den Tiefen und Eigenheiten des Sports komplett vertraut.
Hier ist es die Kunst, sich nicht zu sehr im Handball-Universum zu verlieren und neue Fans zu überfordern, gleichzeitig aber die langjährigen Anhänger nicht mit zu viel Offensichtlichem zu langweilen. Die Duos schaffen es, Hintergründe zu erklären, ohne langweilig oder nerdig zu werden. Bei Bitter sind zum Beispiel Einblicke in das Seelenleben eines Torhüters angesichts des beliebten Leistungsträgers Wolff Gold wert. Und echte Highlights sind wie immer die von den Sendern begleiteten deutschen Auszeiten mit den unterhaltsamen Ansprachen von Bundestrainer Alfred Gislason, wenn der Isländer seine Mannschaft taktisch einstellt, antreibt oder auch mal zusammenfaltet.
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Kurze Vorläufe und Analysen
Ein Drahtseilakt bleiben zeitlich knackig-kurze Vorläufe, Analysen und Nachbereitungen durch die Moderatoren und weiteren Experten. Dabei gab es zwei Comebacks. In der ARD ist Moderator Alexander Bommes zurück, er hatte im Vorjahr krankheitsbedingt gefehlt. Er harmoniert gut mit Ex-Weltmeister Dominik Klein, der ebenso wie Ex-Nationalspieler Sven-Sören Christophersen im ZDF ein bekanntes Experten-Gesicht ist.
Auch im Zweiten gibt es in Yorck Polus einen Rückkehrer, nachdem sich der ZDF-Sportchef 2022 zunächst aus der Live-Berichterstattung zurückgezogen hatte. Polus blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte TV-Erfahrung beim Handball zurück, Bommes ist Ex-Bundesliga-Spieler und die beiden Experten ehemalige Nationalspieler – Expertise ist ausreichend vorhanden. Sie wird dann auch verlässlich genutzt und aufbereitet.
Themen bleiben auf der Strecke
Leider sind die rund 15 Minuten vor und nach dem Spiel dann doch etwas zu wenig. In der Pause ist es durch Nachrichtensendungen teilweise noch kürzer. Wichtige oder auch bunte Themen werden daher oft nur angerissen, andere, wie der Wirbel um Spielmacher Juri Knorr und die harsche Legenden-Kritik an seiner Person, finden kaum oder gar keine Erwähnung. Stattdessen ist der Ablauf mit einem Bundestrainer-Interview, der Experten-Einschätzung und Stimmen der Spieler stets ähnlich orchestriert. Der Sport steht dadurch sehr im Fokus, dabei wird aber die Möglichkeit verpasst, dem menschlich facettenreichen Kader noch mehr Profil zu verleihen.
Allerdings sorgen Knorr, Wolff und Co. für reichlich sportliche Akzente, und um die geht es letztendlich. Am Mittwoch fehlt noch ein letzter Schritt für das Halbfinale. Dann ist die ARD wieder an der Reihe. Vielleicht mit einer neuen Bitter-Wortschöpfung.
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