• Eigentlich war es als Mediendirektor der Job von Abdullah Ibhais, die WM in Katar in einem besonders glänzenden Licht zu präsentieren.
  • Als jedoch Arbeitsmigranten der WM-Baustellen streiken, die seit Monaten auf ausstehenden Lohn warten, ändert sich für ihn alles.
  • Er solidarisiert sich mit den Arbeitern, geht mit Chatprotokollen in die Öffentlichkeit. Wenig später wird er verhaftet, ihm wird unter anderem die Veruntreuung von Geldern vorgeworfen.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Geschichte von Abdullah Ibhais zeigt, wie weit man in Katar bereit ist zu gehen, wenn der schöne Schein des WM-Gastgeberlandes in Gefahr ist.

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2019 arbeitet Abdullah Ibhais als Mediendirektor für das Supreme Committee for Delivery and Legacy, die Regierungsbehörde, die für die Planung und Durchführung der Fifa-Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar verantwortlich ist. Seine Aufgabe ist es also, die WM, das Gastgeberland und alles, was dazugehört, nach außen in den schönsten Farben zu präsentieren.

Am 4. August 2019 läuft das Handy von Ibhais heiß. In der WhatsApp-Gruppe "Crisis Comms" (dt. Krisenkommunikation) wird diskutiert, wie man die auflodernden Streiks und Proteste der Arbeitsmigranten, die unter anderem auf den WM-Baustellen für monatelang ausstehenden Lohn demonstrieren, am besten unter den Teppich kehrt und welchen "Spin" man der Geschichte gibt, wie es OK-Chef Hassan Al-Thawadi ausdrückt, dass sie nicht mit der WM in Katar in Verbindung gebracht werden.

Die WhatsApp-Protokolle

Die WhatsApp-Protokolle dieses Tages liegen der Fußballzeitschrift "Josimar" und auch der "Sportschau" vor. Ibhais selbst tritt darin als Stimme der Vernunft auf. Er spricht selbst mit den streikenden Arbeitern, filmt die Interviews teilweise und trägt die Information, dass viele von ihnen schon seit Monaten auf ihren Lohn warten, keine Ausweispapiere mehr hätten und hungern müssten, auch in die WhatsApp-Gruppe seiner Kolleginnen und Kollegen - mit einer klaren Empfehlung: Keine falschen Tatsachen nach draußen zu geben und erst einmal die Belange der Arbeitsmigranten zu lösen. Unter anderem schreibt Ibhais: "Unsere Arbeiter sind Teil des Streiks und wir haben uns mit ihnen getroffen. Wir können nicht sagen, dass hier keine WM-Arbeiter gestreikt haben."

Auf seine Nachrichten erhält Ibhais teils hitzige Antworten. Aus dem Chatverlauf wird deutlich, dass die katarischen WM-Verantwortlichen, allen voran Al-Thawadi, in jedem Fall verhindern wollen, dass die Belange der Arbeitsmigranten mit der WM in Verbindung gebracht werden. Der schöne Schein soll gewahrt werden.

Täuschen und verschleiern

In einem anderen Chatverlauf, der ebenfalls "Josimar.com" vorliegt, spricht Ibhais mit seiner Vorgesetzen Fatima Al Nuaimi.

Al Nuaimi schreibt: "Wenn Probleme aufgedeckt werden, weiß ein starkes PR-Team, wie man diese Probleme verschleiert. So machen das die Saudis und Dubai auch."

Ibhais antwortet: "Nein. Khashoggi. Jemen. Prinzessin Haya. Libyen. Fakten kann man nicht bestreiten. Wir müssen das Problem beheben und dann den PR-Teil machen. Lügen sind nicht Katars Art und sollten es auch nicht sein."

Er sei inzwischen überzeugt, schreibt Ibhais weiter, dass "wir Teil des Problems sind, wir versuchen unseren Namen reinzuwaschen und Problematiken mit unserem Ruf zu lösen, ohne jedoch echten Wandel zu sehen. [...] Sind wir wirklich Teil einer Verschwörung, die die Ausbeutung von Arbeitern verschleiert!?"

Im weiteren Verlauf des Gesprächs weist Al Nuaimi Ibhais daraufhin, dass seine Aussagen als persönliche Beleidigung aufgenommen werden würden.

Ibhais wird verhaftet

Am 12. November 2019 wird Ibhais in seinem Büro verhaftet und zu Befragungen abgeführt. Laut Ibhais wird er schwer unter Druck gesetzt und bedroht, ein Anwalt wird ihm verweigert. Am 29. April 2020 wird der Vater von zwei kleinen Kindern unter anderem wegen Veruntreuung von Geldern und Bestechung zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil stützt sich laut Human Rights Watch vor allem auf das laut Ibhais unter Druck entstandene Geständnis des Angeklagten, das er inzwischen widerrufen hat. Der Rest der vor Gericht vorgebrachten Beweise gegen Ibhais sei laut Human Rights Watch "vage, lediglich ein Indiz und in manchen Fällen widersprüchlich".

Ibhais geht in Berufung und bleibt so zunächst auf freiem Fuß, dennoch wird er am 15. November verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Laut "Josimarfootball.com" vermutet er, dass die katarischen Behörden ein Interview seinerseits mit norwegischen Journalisten verhindern wollten, das am 15. November nachmittags stattfinden sollte. Ibhais tritt im Gefängnis in den Hungerstreik, verliert 20 Kilo, sein Berufungsverfahren wird im Schnellverfahren abgeschmettert, bis heute sitzt er im Gefängnis.

Die Fifa schweigt

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Fair Square nehmen nach Ibhais' Inhaftierung auch die Fifa in die Verantwortung. In einem Brief fordert Human Rights Watch den Fußball-Weltverband und Gianni Infantino auf, sich für einen fairen Prozess für Ibhais einzusetzen.

"Es macht immer mehr den Anschein, dass Abdullahh Ibhais aufgrund von Verdächtigungen und Paranoia inhaftiert ist und nicht aufgrund von Beweisen für ein Fehlverhalten", erklärt Nick McGeehan, Direktor der Menschenrechtsorganisation FairSquare nach dem Prozess. "Er wird wahrscheinlich so lange dort bleiben, bis die Fifa ein Mindestmaß an Verantwortung für sein Wohlergehen übernimmt und fordert, dass er den fairen Prozess bekommt, den er verdient."

Die Reaktion der Fifa ist ein einziger Satz vom 8. November 2021, nachdem Ibhais seinen Fall selbst über die Whistleblowing-Plattform der Fifa meldete: "Die Fifa ist der Meinung, dass jede Person das Recht auf einen fairen Prozess hat, in dem alle ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren eingehalten und respektiert werden." Ansonsten schweigt der Weltverband.

Abdullah Ibhais "ist ein Gefangener dieser Weltmeisterschaft"

Am 20. November beginnt die WM in Katar. Ibhais wird dann noch immer im Gefängnis sitzen. Im Interview mit der ARD-Sportschau erzählt einer seiner Brüder, dass dessen Haftbedingungen strenger geworden seien. Er dürfte keinen Besuch mehr außer seiner Frau empfangen. "Sie wollen ihn von der Außenwelt abschotten", ist sich Ziad Ibhais sicher. "Und das zeigt, wie sehr sie Angst vor ihm haben. Und es zeigt, dass sie wissen, dass er nicht im Gefängnis ist, weil er ein Verbrecher ist. Er ist da, weil er zum Schweigen gebracht werden muss." Offenbar soll sich Ibhais nun sogar in Isolationshaft befinden.

Die Familie hat die Hoffnung auf ein faires Verfahren jedoch weiterhin nicht aufgegeben. Sie wollen weiter Druck auf die katarischen Behörden ausüben, sagt Ziad Ibhais "Sportschau.de". "Damit wir nicht auf Kosten von Menschen, die inhaftiert sind, und von Menschen, die ihrer Rechte beraubt werden, an der Weltmeisterschaft teilnehmen. Denn mein Bruder ist ein Gefangener dieser Weltmeisterschaft."

Quelle:
  • "Josimarfootball.com": The trial of Abdullahh Ibhais
  • "Josimarfootball.com": Arrested because of media appointment?
  • "Sportschau.de": Katar – Wollte der WM-Chef Berichte über Arbeitsbedingungen auf WM-Baustellen verhindern?
  • "Sportschau.de": "Abdullahh ist ein Gefangener dieser WM"
  • Human Rights Watch: FIFA: Faires Verfahren für Whistleblower aus dem WM-Organisationskomitee sicherstellen
  • Twitter-Account von Benjamin Best
  • Offener Brief von Human Rights Watch und Fair Square an Gianni Infantino
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