Es ist alles für ein großes Finale bereitet. Der Gegner steht fest: Argentinien. Ein Spiel noch, dann kann, wird, muss die deutsche Mannschaft die goldene WM-Trophäe in die Höhe recken. Noch nie war der WM-Titel so greifbar - und dafür gibt es gute Gründe.
Es war das langweiligste Spiel dieser Weltmeisterschaft. Das Halbfinale zwischen den Niederlanden und Argentinien hätte wahrscheinlich auch nach drei Tagen noch 0:0 gestanden. Gottseidank gibt es das Elfmeterschießen. Der Krampf hätte sonst nie ein Ende gefunden. Dennoch überwiegt die Freude. Nicht nur darüber, dieses Spiel überlebt zu haben, sondern auch aufgrund der Erkenntnis: Der Gegner der deutschen Mannschaft - es ist Argentinien geworden - ist schlagbar. Auch wenn Deutschland noch nicht Weltmeister ist - es gibt gute Gründe, weshalb es 24 Jahre nach dem letzten Triumph 1990 dieses Mal wieder klappten wird:
1. Das Spielkonzept der Argentinier führt nicht zum Ziel
Fast könnte man meinen, bei Argentinien sitzt Jose Mourinho auf der Bank, so leidenschaftlich mauerte sich die "Albiceleste" durch das Turnier. Die Defensive ist ohne Frage das Herzstück im Spielkonzept von Trainer Alejandro Sabella. Die Argentinier lassen ihren Gegnern wenig Raum und gehen humorlos in die Zweikämpfe. Gegen die Niederlande standen zu fast jedem Zeitpunkt acht Spieler hinter dem Ball. Diese defensive Spielweise heißt jedoch auch, dass die Offensivkräfte - also vor allem Lionel Messi - allein auf weiter Flur stehen. Druck nach vorne kommt so kaum zustande. Das hat gegen die Niederlande funktioniert, weil auch die "Elftal" sich auf Defensivarbeit beschränkte, gegen Deutschland wird die argentinische Verteidigung jedoch auf mehr Gegenwehr treffen. Und auf einen möglichen Rückstand können die Argentinier mit dieser Spielweise kaum reagieren.
2. Ein Team gegen einen Superstar
Auf Twitter wurde nach dem überragenden Spiel der deutschen Mannschaft vor allem ein Ausspruch immer wieder geteilt: "Argentinien hat Messi, Portugal hat Ronaldo, Brasilien hat Neymar - Deutschland hat ein Team". Das fasst sehr gut zusammen, was das DFB-Team so stark macht. Die Spieler halten zusammen wie Pech und Schwefel. Das Kollektiv steht über allem. Argentinien hat hingegen - wenn wir ehrlich sind - nur Messi. Und vielleicht ein bisschen Gonzalo Higuain. Aber hauptsächlich ist es Messi, der ab und zu für eine Offensivaktion sorgt. Nimmt man ihn aus dem Spiel, passiert bei Argentinien nach vorne gar nichts mehr. Das macht die "Gauchos" so herrlich ausrechenbar. Und dass die DFB-Elf Superstars ausschalten kann, hat sie schon im Spiel gegen Portugal bewiesen. Geht man nach der Fifa, ist Weltfußballer Cristiano Ronaldo ja sogar noch ein bisschen stärker als Messi. Und beim letzten WM-Aufeinandertreffen zwischen Deutschland und Argentinien 2010 stand Messi auch schon auf dem Platz und war völlig unsichtbar. Das Ergebnis damals: 4:0 für Deutschland.
3. DFB-Team ist selbstbewusst, aber auch demütig
So groß die Euphorie unter den deutschen Fans, so demütig geht die Nationalmannschaft mit dem 7:1-Sieg gegen Brasilien um. In der Kabine sei es ganz ruhig gewesen, berichtete Mats Hummels nach dem Spiel gegen die Selecao. Es wird keine Energie an verfrühte Freude verschwendet. Der Kantersieg gegen den Gastgeber war zwar schön, ohne Titel wird er jedoch sehr wenig wert sein. Das weiß die deutsche Mannschaft natürlich. Dennoch ist der psychologische Vorteil aus einem solchen Spiel nicht wegzudiskutieren. Ein Team, das Brasilien in bester Trainingsspielmanier aus dem Turnier kegelt und sich dabei kaum groß anstrengen muss, kann mit breiter Brust und bestens erholt in ein solches Finale gehen. Argentinien muss sich dagegen erst einmal 120 Minuten und ein Elfmeterschießen aus den Beinen schütteln.
4. Brasilien steht hinter der deutschen Mannschaft
Gut, sie waren im ersten Moment sicherlich ein bisschen böse auf Deutschland. Aber inzwischen haben sich die Brasilianer beruhigt und werden am Sonntag wie eine Wand hinter dem deutschen Team stehen. So gesehen ist es der Idealfall, dass Argentinien im Elfmeterschießen doch noch das Finale erreicht hat. Denn wenn die Fans des Gastgeber eines noch mehr hassen, als 1:7 gegen Deutschland zu verlieren, dann ist es ein möglicher WM-Titel für Argentinien. Das Finale dürfte sich für die deutsche Mannschaft also fast wie ein Heimspiel anfühlen. Und auch wenn das statistisch gesehen nicht unbedingt mit einem sicheren Sieg gleichgesetzt werden kann, ein netter Zusatz ist es doch.
5. Es erinnert doch sehr an 1990
Eine WM in einem warmen Land. Ein Endspiel gegen Argentinien. Die "Albiceleste" abhängig von einem Superstar. Ein deutsches Kollektiv. Ein Auftaktsieg gegen einen Geheimfavoriten. Knappe Siege in der K.O.-Runde. Erinnert Sie das an etwas? Smells like 1990, oder? Zumindest ein bisschen. Also wir wollen uns das auf jeden Fall einreden. Auch wenn wir gut darauf verzichten können, dass das Spiel erst durch einen Elfmeter entschieden wird. Andreas Brehme kann ihn nämlich dieses Mal nicht mehr schießen. Denn der muss als unser WM-Experte für uns das Finale kommentieren.
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