Eigentlich hätte man es ja ahnen müssen: Seit 20 Jahren haben deutsche Nationalmannschaften so ihre liebe Mühe mit dem jeweils zweiten Spiel bei einem Großereignis. So viel Mühe, dass es in sieben von zehn Fällen im letzten Gruppenspiel zu einem echten "Endspiel" um den Einzug in die K.o.-Phase kommen musste.
Auch bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gibt es für die DFB-Auswahl eine Knock-out-Partie vor der Knock-out-Phase, dieses Mal gegen die USA. Das 2:2 gegen Ghana lässt die Fußballnation mal wieder den Atem anhalten. Mindestens bis zum kommenden Donnerstag, wenn es in Recife gegen die Mannschaft von Jürgen Klinsmann geht.
Gegen Ghana schwankte die Mannschaft zwischen einigen starken und unerklärlich schwachen Phasen hin und her und kam mit der sehr körperbetonten Spielweise der Afrikaner insgesamt kaum klar. Der deutlich stärkere Gegner und eine gute Portion weniger Spielglück als noch gegen die Portugiesen stellten die deutsche Mannschaft vor einige große Probleme.
Das Zentrum des Spiels war selten einmal in deutscher Hand, trotz der ordnenden Füße von Toni Kroos und Sami Khediras Zweikampfstärke. Philipp Lahm erwischte einen schwachen Tag, er bekam zusammen mit seinen Mitstreitern das Mittelfeld nie so richtig in den Griff.
Auf den Außenpositionen der Viererkette war defensiv größtenteils alles im Lot. In der Offensive machte es sich aber wie schon gegen Portugal bemerkbar, dass insgesamt drei gelernte Innenverteidiger dort ihr Werk verrichten mussten - und nicht etwa Spieler wie Kevin Großkreutz oder Erik Durm, die naturgemäß deutlich mehr Offensivdrang mitbringen.
Deutschland wurde sich und seinem Stil selbst untreu. Der Wechsel zwischen gutem Ballbesitz, der eigene Kräfte spart und die des Gegners langsam schwinden lässt, und zielgerichtetem Offensivspiel mit flachem, vertikalem Spiel wurde phasenweise immer schlampiger. Viele deutsche Angriffe waren schlecht vorbereitet und endeten in einem leichten Ballverlust.
Als sich dann in der zweiten Halbzeit bei beiden Gegentoren auch noch grobe individuelle Fehler dazugesellten, verlor die Mannschaft einige Zeit komplett den Überblick. So kennt man deutsche Mannschaften nicht, der offene Schlagabtausch in der Schlussphase brachte auf den ersten Blick zwar die besseren deutschen Chancen vor dem Tor - im Ansatz, besonders bei den vielen Konterchancen, aber war Ghana selbst da die gefährlichere Mannschaft.
"Es war ein offener Schlagabtausch. Ein irrsinniges Tempo. Die Spieler haben alles gegeben und sich völlig verausgabt. Die Mannschaft hat gute Moral bewiesen, dass sie zurückgekommen ist", sagte Joachim Löw anerkennend. Bevor eine Mannschaft aber gute Moral beweisen kann, muss sie vorher auch einiges falsch gemacht haben.
"Wir haben Ghana durch unsere Fehler ins Spiel zurückgebracht. Die zwei Gegentore waren geschenkt. Das darf bei einer WM nicht passieren. Für uns war das ein Wachmacher. Wir wissen jetzt, dass wir mit beiden Beinen auf den Boden gehören", sagte Torhüter Manuel Neuer selbstkritisch.
Erstmals seit dem Auftaktspiel 2006 (4:2 gegen Costa Rica) kassierte Deutschland in einem WM-Gruppenspiel wieder mehr als ein Gegentor. Und es hätten noch deutlich mehr sein können. Insofern kann der eine Punkt am Ende noch Gold wert sein. Der Punkte- und Tore-Vorsprung auf Ghana bleibt bestehen. Ein Remis gegen die USA reicht Deutschland in jedem Fall für den Einzug ins Achtelfinale.
"Es gibt schon einen Grund, warum diese Gruppe auch Todesgruppe genannt wird. Dieses Ergebnis zeigt es", ließ US-Coach Klinsmann verlautbaren. Der wird sich nun unabhängig vom eigenen Spielausgang gegen Portugal auf eine deutsche Mannschaft einstellen müssen, die nicht nur gewarnt und angestachelt ist - sondern auch so viele Fehler gemacht hat, dass sie fast zwangsläufig daraus lernen wird.
Deutschland benötigt mehr Spielkontrolle als gegen Ghana und die wird sich die DFB-Elf gegen die USA verschaffen. Dass die Bank Spiele nicht nur drehen kann wie gegen Ghana, sondern genügend Spieler bietet, die ab der ersten Minute einer Partie eine völlig neue Farbe geben können, ist spätestens jetzt bewiesen.
Die Diskussionen in Deutschland um die passende Aufstellung gegen die USA werden in den kommenden Tagen rasant an Fahrt aufnehmen. Bis rund eine Stunde vor Spielbeginn wird der Bundestrainer aber nichts durchsickern lassen. So hat es Löw bisher immer gehandhabt. Die Amerikaner werden nicht wissen, auf wen und was sie sich einzustellen haben.
"Ich weiß nicht, wie die Trainingsleistung von Bastian Schweinsteiger ist, aber es wäre mit Sicherheit eine Überlegung wert, Lahm wieder in die Verteidigung zu ziehen und Schweinsteiger zusammen mit Khedira auflaufen zu lassen", sagt etwa web.de-Experte Andreas Brehme. Nur eine von vielen Überlegungen.
Deutschland ist personell und spieltaktisch variabel wie nur wenige Teams bei dieser WM, die Mannschaft hat in zwei Spielen schon zwei Tore nach Standards erzielt und genug Erfahrung mit Spielen, in denen es um Alles oder Nichts geht. Und so viele leichte Fehler wie am Samstag gegen Ghana wird sich die Mannschaft kaum noch einmal leisten.
Und sollte das alles nicht helfen, hilft am Ende immer noch ein Blick in die Statistik. In der Gruppenphase ist schließlich noch nie eine deutsche Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft gescheitert.
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