- Die WM in Katar polarisiert wie kaum ein zweites Fußball-Großereignis.
- Skandale und Negativ-Schlagzeilen überschatten schon länger das Sportliche.
- Wir haben die größten Kontroversen der vergangenen Monate zusammengefasst.
Streng genommen geschah der erste Skandal bereits am 2. Dezember 2010. Damals wurde die WM 2022 an Katar vergeben – was bis heute zu weiteren Skandalen, Kontroversen und vielen negativen Schlagzeilen geführt hat. Ob nun Menschenrechtsverletzungen, eine eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit oder unfassbare Aussagen: Rund um die umstrittene WM in dem Wüstenstaat (20. November bis 18. Dezember) kochen die Emotionen hoch. Das Turnier wird äußerst kritisch gesehen. Wir fassen einige der größten Kontroversen der vergangenen Monate zusammen.
Eingriffe in die freie Berichterstattung
Für die Gastgeber war es mal wieder negative Publicity, für Kritiker Wasser auf die Mühlen: Journalisten vor Ort kritisieren, dass sie bei ihrer freien Berichterstattung eingeschränkt würden. So sei dem dänische Korrespondenten Rasmus Tantholdt vom Sender TV2 von Sicherheitskräften angedroht worden, die eingesetzte Kamera zu zerstören.
"Sie haben die gesamte Welt eingeladen, hierherzukommen. Warum können wir hier nicht filmen? Das ist ein öffentlicher Ort", sagte Tantholdt zu den Sicherheitskräften und zeigte seine Akkreditierung vor: "Wir dürfen filmen, wo wir wollen. Sie drohen uns damit, die Kamera zu zerstören?" Der Vorfall klärte sich auf, Tantholdt erhielt eine Entschuldigung. Katar liegt in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Rang 119 von 180.
Gekaufte Fans? WM-Organisationskomitee dementiert
Das WM-Organisationskomitee hat Medienberichte über angeblich "gekaufte" Fanparaden im Vorfeld der WM-Endrunde dementiert. "Wir weisen diese Behauptungen, die sowohl enttäuschend als auch nicht überraschend sind, entschieden zurück", teilte das Supreme Committee (SC) mit.
"Fans aus der ganzen Welt – von denen viele Katar zu ihrer Heimat gemacht haben – haben in letzter Zeit zur lokalen Atmosphäre beigetragen, Fanwanderungen und -paraden im ganzen Land organisiert und die verschiedenen Nationalmannschaften in ihren Hotels empfangen", hieß es vonseiten der Katarer. Wie es in Berichten hieß, sollen Anhänger die Möglichkeit gehabt haben, bis zum Turnierende auf Kosten des Gastgebers in Katar zu bleiben. Zum "Paket" gehörten angeblich Flüge, Unterkunft und ein Taschengeld.
Khalid Salman: "Homosexualität ein geistiger Schaden"
Ex-Nationalspieler Khalid Salman tätigte in einem Interview für die ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" irritierende und alarmierende Aussagen. Er habe Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen, sagte Salman. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In seinen Augen sei Schwulsein "haram", also verboten. Damit nicht genug: "Es ist ein geistiger Schaden", sagte er zudem.
Die Empörung war riesig. Bundestrainer
Kritik an Katar eine "beispiellose Kampagne"
Auch der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani, irritierte mit Aussagen, denn er nannte die anhaltende Kritik am WM-Gastgeber im Oktober eine "beispiellose Kampagne" inklusive "Erfundenem und Doppelmoral".
"Wir haben Teile der Kritik zunächst in gutem Glauben sogar als positiv und nützlich erachtet, um Aspekte bei uns zu entwickeln, die entwickelt werden müssen", sagte der Emir bei einer Fernsehansprache: "Aber uns wurde bald klar, dass die Kampagne weitergeht, sich ausdehnt, Erfundenes und Doppelmoral einschließt – bis sie einen Grad an Heftigkeit erreichte, die leider viele Fragen über die wahren Gründe und Motive hinter dieser Kampagne aufwirft."
Die meisten WM-Sponsoren schweigen
Die drei Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Amnesty International und FairSquare haben im Sommer 14 Unternehmenspartner und WM-Sponsoren des Fußball-Weltverbandes Fifa angeschrieben mit der Aufforderung, die Menschenrechte gegenüber der Fifa und Katar anzusprechen.
Das Ziel: Entschädigungszahlungen für Arbeiter, die beim Stadionbau für die WM ums Leben gekommen sind, verletzt oder ausgebeutet wurden. "Sponsoren sollten ihren beträchtlichen Einfluss nutzen, um Druck auf die Fifa und Katar auszuüben, damit diese ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gegenüber diesen Arbeitern nachkommen", sagte Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch.
Die magere Ausbeute: Ganze vier haben geantwortet. "Es ist ein Drahtseilakt für die Sponsoren, den Werbegedanken weiterzuverfolgen und die Kritik zu vermindern", sagt Sportpolitik-Experte Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule in Köln unserer Redaktion.
WM-Hotels lehnen homosexuelle Gäste ab
Mehrere der offiziellen WM-Hotels sorgten im Mai für einen Aufschrei, denn sie lehnten homosexuelle Gäste ab oder äußerten starke Vorbehalte gegen deren Unterbringung. Recherchen des norwegischen Rundfunks hatten den Skandal öffentlich gemacht.
Human Rights Watch berichtete zudem über "sechs Fälle von schweren und wiederholten Schlägen und fünf Fälle von sexueller Belästigung in Polizeigewahrsam" gegen Personen der LGBT-Gemeinschaft.
Amnesty: Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Katar
Die unzähligen Toten auf den Baustellen in Katar sind seit Jahren bekannt. Amnesty International berichtete dann zudem von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im privaten Sicherheitssektor, von Zwangsarbeit und Strafandrohungen. Die WM-Organisatoren mussten die Ausbeutung von Arbeitern schließlich einräumen.
Über allem steht auch immer der Vorwurf des Sportswashing. Dass also die WM von Katar genutzt wird, um den eigenen Ruf aufzupolieren. Amnesty hat die Situation in Katar im vergangenen Jahr intensiv untersucht und einen "Reality Check" vorgenommen.
Ein wichtiges Ergebnis: Katar hat nach jahrelangem internationalem Druck seit 2017 wichtige Fortschritte gemacht. Das große Aber: Die unzureichende Umsetzung und Durchsetzung dieser Reformen habe dazu geführt, dass die Auswirkungen auf das Leben vieler Arbeiter leider begrenzt seien.
Trotzdem: "Die Reformen sind in der Region einmalig und könnten eine echte und dauerhafte Wirkung haben – allerdings nur, wenn sie vollständig umgesetzt und durchgesetzt werden", sagt Ellen Wesemüller, Pressesprecherin Amnesty International in Deutschland, unserer Redaktion. Es sei enorm wichtig, "dass diese Reformen jetzt greifen, damit sie auch nach der Weltmeisterschaft Bestand haben." Bedeutet: Man muss Katar weiter auf die Finger schauen.
Verwendete Quellen:
- spiegel.de: Mehrere WM-Hotels in Katar lehnen homosexuelle Gäste ab
- amnesty.de: Bestandsaufnahme 2021
- sport1.de: WM-Kritik: Katars Emir schlägt zurück
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