Vor dem Spiel am Sonntagvormittag: Gegner Kolumbien ist der heißeste Anwärter darauf, sich neben Deutschland aus der Gruppe H für die K.O-Runde zu qualifizieren. Das untermauerten die Tricolores bei ihrem Auftaktspiel gegen Südkorea mit einem ungefährdeten 2:0-Sieg. Was dieses Team auszeichnet - und was es mit dem Hype um eine 18-Jährige auf sich hat.
Verwirrung um Cheftrainer Nelson Abadía: Der Coach von Las Cafeteras wurde vor der WM für zwei Spiele gesperrt und kann deshalb gegen Deutschland wie schon bei Kolumbiens Auftakt gegen Südkorea das Spiel am Sonntagvormittag nur von der Tribüne verfolgen. Eine offizielle Begründung dafür gab es nicht, aber es wird vermutet, dass zwei verschiedene Umstände zu der Sperre geführt haben.
So soll Abadía einerseits vor acht Jahren bei der WM 2015 mit einem Regelverstoß aufgefallen sein, damals war er noch nicht der Cheftrainer, sondern als Technischer Assistent bei der WM. Zudem wurde er am Ende des Finales der Copa America 2022 des Platzes verwiesen.
Als Cheftrainer ist Abadía seit 2017 angestellt, vorher war er bereits Teil des Stabs seines Vorgängers Fabián Taborda. Abadía scherzte vor der Partie gegen Deutschland, dass er von der Tribüne sowieso die viel bessere Sicht aufs Spiel habe und außerdem so überzeugt von der Arbeit seines Staffs und seiner Spielerinnen sei, dass er auch gleich nach Hause fahren könne. Statt ihm wird Co-Trainer Angelo Marsiglia das Geschehen von der Bank im Blick behalten.
Der Fußball im Land
Eine professionelle Liga wurde erst im Jahr 2017 gegründet, in der Dimayor spielen 18 Teams in drei Staffeln. Vorher hatte es nur regionale Meisterschaften gegeben. Die eigentlich ebenfalls vorgesehene zweite Liga wurde bisher nicht eingeführt. Überhaupt gibt es immer wieder gravierende Probleme, denn seit 2015 haben sowohl aktive wie auch ehemalige Nationalspielerinnen immer wieder auf nicht ausgezahlte Gehälter, sexualisierte Gewalt und Übergriffe aufmerksam gemacht.
Laut eines Berichts von Global Sport Matters hat sich durch die hohe Korruption bisher nur wenig verändert. Ein Teil des Problems ist die doppelte Besetzung von Posten: Ramón Jeurún ist sowohl Präsident des kolumbianischen Verbandes, wie auch Vize-Präsident des südamerikanischen Verbandes CONMEBOL.
Spielerinnen, die auf all das hinwiesen, wurden danach nicht mehr für das Nationalteam nominiert, wie zum Beispiel Daniela Montoya, die zwischendurch mehrfach nicht berücksichtigt wurde, bei der WM aber wieder Teil des Kaders ist.
Der Kader
Die Kolumbianerinnen belegen aktuell den 25. Platz der FIFA-Weltrangliste, viele der Spielerinnen wie die bekannte Catalina Usme sind in der heimischen Liga bei América de Cali oder im Fall von Lady Andrade in Brasilien beim Real Brasília FC unter Vertrag. Ausnahmen sind Stars wie Leicy Santos bei Atlético Madrid und Linda Caicedo bei Real Madrid. Viele der Spielerinnen haben bereits Erfahrungen bei anderen internationalen Turnieren sammeln können.
Alterstechnisch ist der Kader gut gemischt mit Spielerinnen wie der 34-jährigen Diana Ospina einerseits und der talentierten 18-jährigen Linda Caicedo andererseits. Die Verteidigerinnen Carolina Arias und Manuela Vanegas wurden gegen Südkorea mit Gelb verwarnt, da es nach einer zweiten Verwarnung bereits eine Sperre gibt und die Karten erst nach dem Viertelfinale entfallen, müssen sie also aufpassen.
Der Star
Alles dreht sich um Linda Caicedo, die in ihrem jungen Leben schon mehr mitgemacht hat als die meisten anderen. Mit 15 Jahren wurde bei ihr Eierstock-Krebs entdeckt, zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits ihr Profi-Debüt für América de Cali gegeben. Das große Talent der Flügelspielerin machte auch international schnell die Runde, deshalb stand kurz nach ihrem 18. Geburtstag bereits ihr Wechsel nach Europa an: Seit diesem Winter läuft sie für Real Madrid auf.
Die WM ist bereits ihre dritte Weltmeisterschaft innerhalb von nur knapp mehr als einem Jahr, denn sie lief auch für die kolumbianischen U-Teams auf. Das bringt automatisch die Frage der Belastung in so jungem Alter mit sich und so war die Sorge um das Supertalent vor dem Spiel gegen Deutschland groß. Denn im Training zwei Tage vor dem Spiel fasste sie sich an die Brust und ging zu Boden. Der Verband dementierte, dass sie bewusstlos gewesen sei, es habe sich nur um "Müdigkeit" gehandelt. Das Abschlusstraining konnte sie normal mitmachen.
Gegen Südkorea gelang ihr der Treffer zum 2:0-Endstand nach einem waghalsigen Lauf über die linke Seite, von wo aus sie nach innen stürmte und von der Strafraumgrenze schoss. Ihr Abschluss schien eigentlich zu zentral platziert zu ein, um Yoon zu beeindrucken, aber die Torhüterin positionierte sich falsch und lenkte den Ball unglücklich ins eigene Netz.
Der Spielstil
Seit dem abgebrochenen Test vor der WM gegen Irland wird fast nur noch über die kolumbianische Härte gesprochen, dabei haben die Tricolores mehr zu bieten als nur das. Das betonte vor dem Aufeinandertreffen mit Deutschland auch Lady Andrade, die den Spieß gleich mal umdrehte: Kolumbien sei sehr technisch veranlagt und darüber definiere man sich auch, die große Stärke Deutschlands sei die Physis.
Kolumbiens Spiel beruht auf schnellen Kontern über die offensive Dreier-Reihe mit Linda Caicedo, Catalina Usme und Mayra Ramirez. Usme erzielte gegen Südkorea das 1:0 per Elfmeter und hat sich in ihrer Karriere von einer reinen Stürmerin zu einer Vorlagengeberin weiterentwickelt. Es sind häufig ihre Pässe zu ihren beiden Kolleginnen, die für Gefahr vor dem gegnerischen Tor sorgen.
Kolumbien läuft meistens in einem 4-2-3-1 auf, allerdings wurde mit Blick auf die WM auch ein 5-2-2-1 getestet und es ist gut möglich, dass gerade gegen Deutschland die Fünferkette ausgepackt wird. Dabei bestünde die Gefahr, die eigenen Stärken womöglich zu beschneiden, denn diese liegen eindeutig in der Offensive. Nach dem Sieg über Südkorea sind die Kolumbianerinnen in einer sehr guten Ausgangsposition für ein Weiterkommen, selbst wenn es gegen Deutschland eine Niederlage setzen sollte.
Der Moment der WM-Historie
Kolumbien war erstmals 2011 bei einer WM dabei, das bisher beste Ergebnis war das Erreichen des Achtelfinales 2015 in Kanada. Kolumbien schaffte es aus einer Gruppe mit Frankreich, England und Mexiko als bestes drittplatziertes Team. Entscheidend dafür waren ein Unentschieden gegen Mexiko und ein überraschender 2:0-Sieg gegen Frankreich.
Lady Andrade brachte die Tricolores in der 19. Minute in die Erfolgsspur und Catalina Usme schloss in der 3. Minute der Nachspielzeit die Tür zu einem intensiven Spiel. Danach ging es im Achtelfinale allerdings gleich gegen die USA, die mit 2:0 siegten und später den Titel holten.
Verwendete Quellen:
- sport.optus.com.au: Confusion as Colombian coach hit with two-game ban for eight-year-old incident on eve of opener
- sport.optus.com.au: FIFA Women’s World Cup™ star Linda Caicedo suffers health scare at Colombia training
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