Die Wahl zum Weltfußballer des Jahres sorgt mal wieder für Aufsehen: Mit Cristiano Ronaldo gewinnt der größte Showact den Titel, nicht unbedingt der beste Fußballer. Das Wahlprozedere schreit förmlich nach einer Reform. Aber selbst dann bleiben Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Veranstaltung.
Man muss es nicht immer mit Johan Cruyff halten. Hollands Ikone eckt immer wieder an, gerne auch mit den mächtigen Verbänden des Fußballs. "Eine Wahl von ein paar Journalisten und den Trainern und Kapitänen, die ohnehin nur ihre eigenen Spieler wählen - was soll das sein?", ätzte König Johan vor der Vergabe des Ballon d'Or am Montagabend.
Es gibt nicht wenige, die die Wahl zum Weltfußballer als Farce und reine Werbeveranstaltung verstehen: Für die Spieler und Trainer, ihre Ausrüster und Sponsoren - und natürlich für den Weltverband Fifa selbst.
Personenkult wird in neue Sphären gehoben
Die inszenierte sich in güldenen Farben und im Hochglanzformat und hebt den Personenkult im Mannschaftsspiel Fußball in neue Sphären. Der Abend von Zürich war wie eine der letzten Sendungen von "Wetten, dass...": Aufgeblasen, überfrachtet mit Nichtigkeiten. Eine Karikatur ihrer Ursprungsidee.
Veranstaltungen wie diese fördern die Glorifizierung des Personenkults, der ohnehin schon völlig außer Rand und Band geraten ist. Dass der Gewinner des Ballon d'Or für den besten männlichen Spieler,
Es unterstreicht die Unsinnigkeit der gesamten Wahl und reduziert den Kanon der Fragen auf die simple Einschätzung: Wer hat in den letzten zwölf Monaten den höchsten Promi-Faktor erreicht?
Die Antwort konnte nur lauten: Cristiano Ronaldo.
181 Nationaltrainer, 182 Nationalmannschaftskapitäne und 181 Medienvertreter vergaben fünf, drei oder einen Punkt für ihre drei Favoriten. Ronaldo siegte am Ende mit großem Abstand. Der Real-Star holte sich über 37 Prozent der Punkte, die beiden Kontrahenten Leo Messi und Manuel Neuer kamen jeweils nur auf knapp 16 Prozent.
Ronaldo hätte sich wohl am liebsten selbst gewählt
Das immer gleiche Spiel aus subjektiver Sympathie und klub- oder verbandsinterner Verpflichtung ergab auch in diesem Jahr einen eigenartigen Mix mit teilweise skurril anmutenden Bewertungen. Vom größten bis runter zu den kleinsten Verbänden waren alle Trainer, Kapitäne und Journalisten gleichberechtigt in ihrer Stimmabgabe.
Es darf sich deshalb auch niemand darüber beschweren, wenn Griffith Quinton, Kapitän der Karibik-Insel Antigua und Barbuda, seine fünf Punkte der belgischen Nummer eins Thibaut Courtois gibt. Oder wenn Emmanuel Sheldon und Francis Lastic von der Nachbarinseln St. Lucia einen verwegenen Vorschlag haben: Der Kapitän und der Nationalcoach des 150.000-Einwohner-Fleckchens haben sich für Mario Götze als Weltfußballer ausgesprochen.
Cristiano Ronaldo als Spielführer Portugals hat übrigens für Sergio Ramos, Gareth Bale und Karim Benzema gestimmt. Alle drei sind Teamkollegen Ronaldos bei Real Madrid. Ronaldo hätte sich wohl am liebsten selbst gewählt, das immerhin verbietet die Fifa bei ihrer Wahl. Messi wählte Angel di Maria, Andres Iniesta und Javier Mascherano - zwei Verbands- und einen Klubteamkollegen.
Ziemlich exotisch mutet die Meinung von Weißrusslands Nationalcoach Andrej Zygmantowitsch und Englands Roy Hodgson an, die den Argentinier Javier Mascherano als besten Fußballer des letzten Jahres sehen wollten. Ekuadors Rafael Vizuete hielt ebenso die größten Stücke auf Toni Kroos wie Mosambiks Kapitän Ivan Khan Dario.
Lewandowski favorisierte Ronaldo
Manuel Neuer hatte keine Chance, nicht einmal der Gefolgschaft seiner Kollegen aus dem Klub, der Bundesliga oder seines Berufsstands konnte er sich sicher sein. Sein Münchner Klubkollege Robert Lewandowski etwa gab Ronaldo fünf und Neuer nur drei Stimmen - beim FC Bayern dürfte man deshalb ein wenig die Nase rümpfen. Auch die deutschen Trainer Uli Stielike oder Volker Finke tanzten aus der Reihe. Sie favorisierten Ronaldo beziehungsweise Arjen Robben. Und kein einziger Torhüter-Kapitän wählte den Kollegen Neuer als Weltfußballer.
Immerhin stimmte der deutsche Medienvertreter Karlheinz Wild vom Fachmagazin "Kicker" unauffällig lokalpatriotisch: Fünf Punkte gingen an Neuer, drei an Thomas Müller und einer an Philipp Lahm. Den einzigen Vollausschlag an Punkten bekam Bastian Schweinsteiger vom Vertreter aus Uruguay: Der Journalist Ricardo Pineyrua sah den Bayern-Star ganz vorne.
Es gab nur drei Kapitäne und zwei Nationaltrainer, die für keinen einzigen der drei Bestplatzierten abgestimmt haben. Dafür aber gleich sechs Journalisten: Die aus Madagaskar, Lesotho, Kirgisistan, Bhutan, Burkina Faso und Vanuatu, einem souveränen Inselstaat im Südpazifik.
Man muss es nicht mit Johan Cruyff halten. Aber ein etwas anderer Bewertungsmodus würde die Einordnung der reinen Leistung der Spieler wohl eher begünstigen.
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