Es war ein aufregendes Jahr für Viktoria Schnaderbeck, sowohl persönlich als auch beruflich. Eine Agenturgründung, ihre ersten Schritte als TV-Expertin im ORF - alles das waren Meilensteine. Doch auch die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball hat die ehemalige ÖFB-Kapitänin intensiv begleitet und sieht nicht nur positive Entwicklungen.

Ein Interview

Erstmal herzlichen Glückwunsch! Sie erwarten mit Ihrer Frau Ihr erstes Kind!

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Viktoria Schnaderbeck: Dankeschön! Es ist eine schöne Nachricht und freut uns natürlich extrem. Gerade in unserer Konstellation ist das nicht selbstverständlich. Echt sehr, sehr schön!

War es Absicht, mit der Familienplanung bis nach Ihrer aktiven Karriere zu warten?

Grundsätzlich war Familienplanung für mich und meine Frau immer ein Thema. Aber bezüglich der Karriereplanung war es für mich schon so, dass ich das abwarten wollte. Aber nicht per se, sondern weil es einfach die Situation so hergegeben hat. Ich wusste, ich werde nicht mehr lange spielen, und wollte mich nicht von der einen in die andere Sache reinstürzen. Wir hatten auch noch eine Reise geplant. Es gab ein paar Dinge, die wir noch erleben wollten. Dass es jetzt so schnell nach der Hochzeit geklappt hat, war ein kleines Wunder. Und wir hoffen natürlich, dass alles auch gut funktioniert und klappt.

Wenn Ihr Baby erst einmal da ist – glauben Sie, es hilft, dass Sie inzwischen Ihre eigene Chefin sind?

Ich hoffe es zu glauben. Es erlaubt auf jeden Fall eine gewisse Flexibilität. Das merke ich dieses Jahr schon ohne Kind. Natürlich, manchmal musst du dann am Wochenende arbeiten, wenn andere freihaben. Aber das nimmt man gerne in Kauf. Es hilft sicher auch, dass ich oftmals von zu Hause aus arbeite. Man kann in der Mittagspause oder während anderer Lücken unterstützen. Und wenn es nur 15 Minuten sind. Diese kleinen Pausen machen ja oftmals den Unterschied.

Was war für Sie persönlich das einschneidendste Erlebnis im Jahr 2023? Die Gründung Ihrer Agentur?

Die Agenturgründung (für Sport-Marketing, Anm. d. Red.) war natürlich perspektivisch und beruflich gesehen das größte Projekt und ist es sicher in einer gewissen Form immer noch. Man hat eine ganz andere Verantwortung, weil man plötzlich ein Team ist. Privat hat unsere Hochzeit sehr viel Planung in Anspruch genommen und war ein wirkliches Highlight. Natürlich ist auch die Schwangerschaft ein Highlight, aber ich würde mir das ganz große Highlight mit der Geburt für 2024 aufsparen. Aber es gibt auch andere Sachen, die mir persönlich viel bedeutet haben und tolle Möglichkeiten waren. Ob es die Einladung ins Uefa Football Board war, wo man sich in Nyon mit vielen aktiven und ehemaligen Vertreterinnen aus dem Frauenfußball getroffen hat. Das war eine große Ehre. Oder auch die Möglichkeit, beim ORF als Expertin bei der WM 2023 und jetzt auch bei einem Nationalteamspiel der Männer dabei gewesen zu sein. Das waren Meilensteine, die für mich persönlich wichtig waren. Deswegen war es ein aufregendes und wirklich schon sehr, sehr gutes Jahr.

Schnaderbeck: Pionierarbeit "erfordert vor allem Mut"

Ob als Expertin beim Männerfußball oder auch mit Ihrer Agentur – wie anstrengend ist es, ständig Pionierarbeit leisten zu müssen?

Es erfordert vor allem Mut. Es wäre natürlich einfacher, sich in ein gemachtes Nest zu setzen. Du hättest alles schon serviert. Aber so musst du dir alles selbst aufbauen. Und das ist anstrengend, erfordert Zeit und Ressourcen. Aber es ist eine große Chance, dass du wirklich etwas nachhaltig verändern kannst. Und diese Seite übertrumpft die andere. Ich habe den Vorteil, dass ich mir als Speakerin schon seit einigen Jahren ein zweites Standbein aufgebaut habe. Das gibt mir die finanzielle Gelassenheit und Möglichkeit, die Agentur so aufzubauen, dass ich nicht alles annehmen muss, sondern wirklich das tun kann, was ich für wichtig und richtig empfinde und die Agentur so gesund wachsen lassen kann. Und die Konstellation als Vortragende, Agenturchefin und ORF-Expertin lässt sich gut kombinieren, weil es planbar ist. Aber es ist durchaus anstrengend. Daher muss ich mir immer wieder bewusst auch Limits setzen. Ich will nicht den Punkt überschreiten, an dem man Gefahr läuft, auszubrennen.

Warum war es Ihnen wichtig, nach Ihrer Karriere im Fußball zu bleiben?

Es war für mich gar nicht zwangsläufig wichtig, im Fußball zu bleiben. Ich wollte nicht unmittelbar in einem Vereins- oder Verbandsumfeld sein. Ich wollte nicht mehr in dem Rad gefangen sein. Aber mit der Agentur hatte ich die Möglichkeit, Sport und Wirtschaft zu kombinieren. Das hat mich schon immer interessiert. Der Blick über den Tellerrand. Aber ich wollte mit Sportler:innen zusammenarbeiten. Meine Expertinnenrolle im ORF macht mir in der aktuellen Regelmäßigkeit Spaß. Aber Woche für Woche würde ich es nicht machen wollen.

Weil man dann wieder zu nah dran ist?

Genau. Dann wäre ich wieder voll in der Fußballblase und das möchte ich aktuell nicht. Das war ich gerne und leidenschaftlich für viele Jahre meines Lebens. Aber jetzt genieße ich es, diese Freiheit zu besitzen, es in meiner Hand zu haben, wann ich mit drin bin oder nicht.

"Vielleicht hat es diese Bühne gebraucht, als einen Notruf sozusagen."

Viktoria Schnaderbeck über den Fall Rubiales

War das Jahr 2023 ein gutes Jahr für Frauen im Fußball?

Ja, auf jeden Fall. Aber es war schon auch irgendwie bizarr. Die WM hatte tolle Rekorde, mit Superzahlen, mit Supererfolgen, mit tollem Fußball, aber dann kam der Fall Rubiales und hat sehr überschattet. Leider. Vielleicht hat es aber auch diese Bühne gebraucht, als einen Notruf sozusagen. So könnte man es vielleicht positiv deuten. Aber die Geschichte an sich ist auch für mich immer noch sehr präsent. Was nach wie vor gigantisch ist, sind die Zuschauerrekorde in einigen Ländern. Erst gerade gab es bei Arsenal gegen Chelsea in England einen neuen Rekord, auch in Deutschland gibt es immer wieder Zuschauerrekorde. Und deswegen würde ich sagen, es war absolut ein gutes und tolles Jahr für den Frauenfußball.

Sie haben den Fall Rubiales gerade angesprochen. In diesem Zusammenhang sind die Spanierinnen in den Streik getreten und haben seinen Rücktritt und Jorge Vildas Entlassung erzwungen. Und sie waren nicht die ersten, die in diesem Jahr gestreikt und dadurch Veränderungen erreicht haben. Auch die Französinnen und die Kanadierinnen haben Rücktritte von hochrangigen Verbandsmitarbeitern erreicht. Haben Frauen im Fußball mehr Macht als je zuvor?

Macht ist immer relativ, aber ich glaube, sie haben mehr Macht als noch vor wenigen Jahren, weil sie wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Und man hat eigentlich gar keine Möglichkeit mehr und keinen Grund wegzuschauen. Also selbst jemand, der Frauenfußball nicht mag - was absolut in Ordnung ist -, muss respektieren und tolerieren, dass es tolle Zuschauerwerte gibt, dass Frauenfußball attraktiv ist, dass es mehr Sponsoren und höhere Einschaltquoten gibt. Das sind Fakten, über die kannst du nicht hinwegsehen. Das erhöht den Druck.

Gott sei Dank gibt es sehr viele Frauen, die aufstehen, den Mund aufmachen und Opfer bringen. Keine Spielerin der Welt streikt freiwillig, um einfach nur Aufmerksamkeit zu erzeugen. Also einerseits hat man hier ein gewisses Standing, aber andererseits gibt es sehr viele Persönlichkeiten, die bereit sind, diesen Kampf auch anzunehmen. Und das ist auch eine Erkenntnis für mich: Es funktioniert noch nicht von selbst. Du musst immer noch und wieder kämpfen und proaktiv sein, fragen, fordern, anbieten, damit es konstant aufwärts geht. Die Mädels, die aktuell aktiv sind, sind bereit dazu. Aber das ist für mich keine Selbstverständlichkeit, weil man das aus dem Männerfußball historisch gesehen kaum kennt. Vereinzelt gibt es welche, die sich für Themen eingesetzt haben, aber nicht so viele und auch nicht so länderübergreifend.

"Du musst immer noch und wieder kämpfen, proaktiv sein, fragen, fordern, anbieten, damit es konstant aufwärts geht"

Viktoria Schnaderbeck

Das heißt, die Vorbilder im Frauenfußball sind enorm wichtig. Wen würden Sie im vergangenen Jahr da in einer Vorreiterinnenrolle sehen?

Eine, die man nennen muss, ist Meghan Rapinoe, die jetzt ihre Karriere beendet hat. Sie hat so viel gemacht für ihr Land, für den Frauenfußball, für die ganze LGBTQ+-Community. Sie hat sich politisch engagiert und sich nicht immer beliebt gemacht. Eine, die in Deutschland immer wieder ihren Mund aufgemacht hat, ist Alex Popp. Es gibt aber viele andere Spielerinnen, die man hier auch erwähnen müsste. Ein gutes Vorbild sind auch immer die Engländerinnen als ganze Mannschaft, die große Vorbilder in der Gesellschaft sind.

Schnaderbeck: "Man muss aufpassen, dass man nicht die Bodenständigkeit verliert"

Sehen Sie auch negative Veränderungen, die die Popularität des Frauenfußballs mit sich bringt?

Man sieht gewisse Trends, die in Richtung Männerfußball gehen und das ist größtenteils gut so. Die Gehälter passen sich an, die Professionalität wächst. Man bewegt sich in die Richtung, in die man sich bewegen möchte. Ich glaube, man muss aufpassen, dass man mit mehr Geld nicht die Bodenständigkeit verliert und die Natur, die den Frauenfußball ausmacht. Wenn man in den sozialen Medien dann plötzlich zwei, drei Millionen Follower hat, vielleicht auch schon ein "Stalking-Objekt" ist, darf man das nicht unterschätzen. Das betrifft aktuell noch einzelne Personen. Wenn es zukünftig 50, 10, 500 Spielerinnen sind, die das betrifft, dann nimmt die Nahbarkeit ab. Auch zum Schutz der eigenen Person. Ich glaube aber, es ist wichtig, auch den nachfolgenden Generationen klarzumachen, woher man kommt, wofür wir gekämpft haben. Das wird spannend zu sehen, wie es weitergeht, wenn die heutigen Pionierinnen ausscheiden.

Wohin geht es für den Fußball der Frauen im Jahr 2024?

Ich glaube, dass die Richtung ähnlich sein wird wie 2023. Der Trend wird weitergehen. Die Uefa installiert wichtige Initiativen und die nationalen Verbände investieren tendenziell mehr auf allen Ebenen. Es wird auch in den Landesverbänden immer mehr gemacht. Auch in Österreich, das jetzt noch nicht mit Deutschland oder England vergleichbar ist, werden mehr Ressourcen geschaffen. Ich glaube, der nächste Schritt muss sein, nicht mehr nur auf England, Deutschland und Amerika zu schauen, sondern auf Länder wie die Schweiz, Belgien, Österreich. Nur so findet nachhaltige Entwicklung statt: an der Spitze und in der Breite.

Zur Person

  • Viktoria Schnaderbeck spielte elf Jahre für den FC Bayern München und holte in dieser Zeit zweimal die Deutsche Meisterschaft. 2018 folgte der Wechsel zum FC Arsenal, wo sie englische Meisterin wurde. Im August 2022 gab sie ihr Karriereende bekannt. Inzwischen hat die Österreicherin eine eigene Agentur gegründet, die Sportlerinnen auch auf dem Weg nach der aktiven Karriere unterstützt.
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