Gerard Piqué will mit seiner Kings League auch in Deutschland durchstarten, doch hier haben sich bereits andere Ligen breit gemacht. Verträgt der deutsche Markt überhaupt eine weitere?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Gerard Piqué versucht es erst gar nicht mit Zurückhaltung oder mit einem höflichen "Hallo". Der frühere spanische Abwehrstar sieht seine "Kings League" als Vorreiter der Budenzauber-Revivals – und peilt daher auch für Deutschland den Platz als Nummer eins an. "Wir waren die Ersten, wir sind das Original", sagte der 38-Jährige im OMR-Interview. Deutschland habe für die Kings League eine Top-Priorität, er kündigte im Januar an, dass man "sehr bald" starten werde.

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"Wir lieben es, Dinge zu kommunizieren, wenn keiner damit rechnet – und zwar mit einem richtigen Überraschungseffekt und einem großen Aufschlag", sagte Piqué. In Spanien ist diese Art und das Konzept, das von LaLiga-Präsident Javier Tebas einst als "Zirkus" verspottet wurde, komplett aufgegangen.

Dieser Zirkus ist vor allem für die Gen Z gemacht, die mit dem Kleinfeld-Spektakel in der Halle auf Portalen wie Twitch oder YouTube unterhalten wird. Angeführt werden die Teams von ihren Präsidenten, die spanische Internetstars sind. Hinzu kommen Fußball-Legenden wie Iker Casillas. Die Teams sind eine bunte Mischung aus Amateuren, Ex-Profis und Futsal-Kickern.

Schweinsteiger und Salihamidzic mischen in der Kings League mit

Auch für die Kings League in Deutschland gibt es nun die ersten konkreten Namen – und die haben es in sich: Ex-Bayern-Star Bastian Schweinsteiger soll als Präsident der Liga fungieren. Der ehemalige Bayern-Boss Hasan Salihamidzic übernimmt mit dem "No Rules FC" ein eigenes Team.

Außerdem wird 2014er-Weltmeister Mario Götze in der Kleinfeld-Liga mitmischen, daneben werden auch die in Deutschland bekannten Streamer "Trymacs" und "Papaplatte" sowie Kiel-Profi Fiete Arp eine wichtige Rolle in der Kings League spielen. All das gaben die Verantwortlichen wenige Wochen vor dem Start in Deutschland am 12. April auf den Social-Media-Kanälen bekannt.

Toni Kroos ist Mitbegründer der Icon League
Toni Kroos ist Mitbegründer der Icon League. © IMAGO/HMB-Media/Marco Bader

In Deutschland gibt es bereits die Baller und Icon League

Kürzlich ist die Liga in ihre fünfte Saison gestartet, dazu nach Südamerika und Italien expandiert, außerdem fand Anfang des Jahres auch eine WM statt. "Wir sind davon überzeugt, dass wir die Einzigen sind, die ein funktionierendes globales Ökosystem haben werden", kündigte Piqué an.

Doch natürlich weiß Piqué, dass er mit seiner 2022 gegründeten Liga in Deutschland auf zwei bereits etablierte Platzhirsche und damit ernsthafte Konkurrenten trifft: Die von Lukas Podolski und Mats Hummels 2023 eingeführte Baller League und die Icon League um Toni Kroos, die 2024 an den Start ging. Sie ähneln dem Vorreiter sehr beim Konzept. "Wenn dann andere auf die Idee kommen, uns zu kopieren, dann stört mich das nicht, sondern ich empfinde das vielmehr als Ehre", meint Piqué dazu.

Beide Ligen haben in Deutschland ihren Platz nebeneinander gefunden, profitieren vom großen Interesse des jungen Publikums, das vor allem von Influencern wie "MontanaBlack", "Knossi" oder "Eligella" angezogen wird. Grundlage für den Erfolg sind ebenfalls die sozialen Medien wie Twitch, TikTok oder YouTube, wo die Spieltage auf breiter Front gestreamt werden.

Auf Social Media hat die Kings League einen großen Vorsprung

Aber: Die Kings League hat in den sozialen Medien in Sachen Follower einen deutlichen Vorsprung im Vergleich zu den deutschen Ligen. Ein Beispiel: Auf Twitch hat die Kings League 3,3 Millionen Follower, Baller und Icon League kommen auf 324.000 beziehungsweise 224.000.

Die vom Streamingsender DAZN initiierte Infinity League wiederum findet mit einem Ein-Tages-Konzept seit 2024 einmal im Jahr statt, hat so auch eine Nische besetzt und "sich als eigenes Format durchgesetzt", wie Haruka Gruber, Senior Vice President Media bei DAZN, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt.

Ex-Bundesliga-Star Max Kruse läuft in der Baller League auf
Ex-Bundesliga-Star Max Kruse läuft in der Baller League auf. © IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Piqué vor Deutschland-Einstieg mit reichlich Selbstbewusstsein

Trotzdem ist der Ehrgeiz der Piqué-Truppe groß, sie wird bei der Expansion nach Deutschland vom zum Bertelsmann-Imperium gehörenden Medienunternehmen "We Are Era" unterstützt. Man komme mit dem Selbstbewusstsein nach Deutschland, "dass wir egal wo wir waren, den Markt erobert und den Wettbewerb in den Schatten gestellt haben", sagte Piqué: "Unser zeitlicher Vorsprung gibt uns zudem den Vorteil, dass wir bereits aus vielen Problemen lernen konnten – diese Erfahrungen kann man sich nicht kaufen."

Erfolg aber auch nicht, nur weil man der Erste war. Baller und Icon League kämpfen in den nahezu gleichzeitig laufenden Saisons um talentierte Regionalliga- und Oberligaspieler, Influencer, Sponsoren und Marktanteile, denn all das ist am Ende trotz des aktuellen Hypes auch begrenzt. Zuspruch und Begeisterung sind zwar groß, wobei sich aber die Frage stellt, was der deutsche Markt noch braucht und vor allem verträgt.

Dabei geht es auch um simple Fragen wie die Positionierung: Baller League und Icon League gehen dem "normalen" Fußball mit dem Spieltag am Montag aus dem Weg. Was macht die Kings League? Und wie lockt man Zuschauer an und gewinnt den Kampf um die Gunst der Fans?

Kings League muss sich von der Konkurrenz abheben

"Die Baller League und Icon League haben schon ihre Fanbase gefunden", sagt Gruber. Demnach müsse ein sogenannter Unique Selling Point (USP) gefunden werden, um Fans das eigene Produkt schmackhafter zu machen als die bereits existierenden.

Soll heißen: Die Kings League muss etwas finden, womit man sich von der Konkurrenz abhebt. "Dadurch, dass der Einstieg in den deutschen Markt recht spät erfolgt, sind gewisse Möglichkeiten natürlich schon ausgereizt", erklärt Gruber.

Wer aktuell der Marktführer ist, sei "schwer zu sagen", so Gruber: "Die Baller League hat den Vorteil, in Deutschland am längsten zu existieren, expandiert nun nach England. Die Icon League hatte eine vielversprechende Premierensaison." Und die Kings League? "Sie muss noch unter Beweis stellen, dass sie den deutschen Markt versteht", findet Gruber. Denn was in Spanien funktioniert, muss nicht automatisch auch hier aufgehen.

Bei so viel Wettbewerb wäre es nicht ungewöhnlich, wenn nicht nur das Wachstum verlangsamt, sondern sogar gebremst würde. "Natürlich besteht die Gefahr einer Sättigung", sagt Gruber: "Jede Liga muss ihren USP beziehungsweise ihre spezifische Zielgruppe finden. Ich bin skeptisch, ob alle Ligen über einen längeren Zeitraum nebeneinander erfolgreich existieren können."

Infinity League verzichtet auf Ligensystem

Die Infinity League, die nicht nur auf Influencer setzt, sondern mit einigen der größten Klubs kooperiert und das Event mit dem FC Bayern München, Borussia Dortmund, Juventus Turin und Inter Mailand sowie Ex-Stars wie Lucio, Lucas Barrios, Javier Zanetti oder David Trezeguet aufzieht, verzichtet deshalb auch auf eine Expansion.

Ein echtes Ligensystem wird es nicht geben, man plane nicht mit dem klassischen Liga-Format wie die anderen Indoor-Events, erklärt Gruber. "Vielmehr könnten wir uns vorstellen, die Infinity League zukünftig noch internationaler werden zu lassen, das Turnier auch in anderen Ländern und mit anderen Topklubs zu veranstalten."

Wie müssen sich die Ligen aufstellen?

Und wie müssen sich die Indoor-Ligen generell aufstellen, um interessant zu bleiben und den Hype hoch zu halten? "Die Formate müssen sich stets neu erfinden und neue Anreize schaffen, um die Zielgruppen zu unterhalten", betont Gruber.

Gerade die junge Generation, die durch derartige Formate besonders angesprochen werden soll, wolle neben dem klassischen Fußball-Konsum am TV auch anderweitig unterhalten werden, zum Beispiel am Second Screen am Smartphone, so Gruber: "Also muss das jeweilige Format stets so angepasst werden und mit der Zeit gehen, dass die nötige Relevanz erhalten bleibt."

Erst recht, wenn eine weitere Liga in den Markt stößt. Dann ist für Zurückhaltung kein Platz.

Über den Gesprächspartner

  • Haruka Gruber ist Senior Vice President Media beim Sport-Streamingsender DAZN.

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