Thomas Hitzlsperger hat sich als homosexuell geoutet. Er ist nicht der erste Fußballer, der diesen Schritt gewagt hat. Doch er ist der erste, den fast jeder deutsche Fußballfan kennt. Der ehemalige Nationalspieler kann mit seinem mutigen Schritt zum Vorbild eines neuen Fußballs werden, glauben Experten.
Es ist ein wichtiges Interview, das
Dieses erste Ziel hat er zweifelsohne erreicht. Nicht nur Deutschland spricht darüber. Hitzlsperger wird gelobt für seinen Mut. Jörg Litwinschuh, Geschäftsführer des Projekts "Fußball für Vielfalt"*, nennt den ehemaligen Bundesliga-Profi des VfB Stuttgart und des VfL Wolfsburg ein Vorbild, das gebraucht wird. Litwinschuhs hofft, dass "sich Veränderungen im Fußball auch auf andere Sportarten auswirken. Deshalb sind wir sehr froh, wenn ein Fußballspieler - auch wenn es kein Aktiver mehr ist - sich traut, seine Homosexualität öffentlich zu machen."
Hitzlsperger war es auch schon zu seiner aktiven Zeit ein Vorbild, ein mustergültiger Spieler mit einem strammen Schuss. Ein "schwerer Brocken", wie er sich im "Zeit"-Interview selbst bezeichnet. Der 31-Jährige hat 52 Spiele für die Nationalmannschaft bestritten, wurde mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister und wird in England noch immer mit dem Spitznamen "The Hammer" gehuldigt. Er ist der perfekte Kandidat, endlich mit dem verstaubten Klischee aufzuräumen, Homosexuelle seien zu weich, um im harten Männersport Fußball zu bestehen. Das findet auch Dirk Leibfried. Der Journalist und Autor hat zusammen mit Andreas Erb das Buch "Das Schweigen der Männer: Homosexualität im deutschen Fußball" geschrieben und sich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt.
"Unglaublicher Wille und Selbstdisziplin"
Er glaubt, Hitzlspergers Outing mache der Öffentlichkeit klar, dass Homosexuelle auch "auf sehr hohem Niveau spielen" können. Hitzlspergers Leistungen auf dem Platz müsse man nun sogar höher bewerten: "Denn jahrelang mit dem Druck und Versteckspiel leben zu müssen und trotzdem dieses hohe Niveau zu leisten, da gehören unglaublicher Wille und Selbstdisziplin dazu."
Auch andere ehemalige Fußballer ziehen den Hut vor Hitzlspergers mutigem Schritt. Darius Kampa, ehemaliger Bundesliga-Torhüter in Nürnberg und Mönchengladbach, kennt Hitzlsperger noch aus seiner aktiven Zeit und ist mit ihm befreundet. Kampa findet das Outing "bemerkenswert", versteht jedoch, dass der 31-Jährige bis nach Karriereende gewartet hat: "Du bietest natürlich eine wahnsinnige Angriffsfläche, vor allem bei Auswärtsspielen. Ich habe ja auch hinterm Tor viele Dinge erlebt. Da gibt es nicht nur Nettigkeiten, die man von den Fans gesagt bekommt." Kampa selbst hätte kein Problem mit einem homosexuellen Mitspieler gehabt: "Mir war es immer egal, ob jemand auf Brüste, Hintern oder vielleicht einen Mann steht. Am Ende war mir immer nur wichtig: Hilft er mir und der Mannschaft am Wochenende. Und was er danach macht, ist ja sein Bier."
Diese Haltung teilt der frühere Torhüter scheinbar nicht mit allen Profifußballern. Denn Hitzlsperger berichtet in dem Interview mit der "Zeit" auch von "Aufforderung zur Ausgrenzung und zur Gewalt" in der Kabine. Ein weiterer Grund, weshalb sich der ehemalige Nationalspieler gegen ein Outing zu seiner aktiven Zeit entschieden hat.
Die Angst vor der Reaktion
Ein Hauptgrund, weshalb sich nicht noch mehr Fußballer outen, ist die Angst vor der Reaktion. Die Reaktion der Medien, der Fans, der Mitspieler. Diese Angst kann nur dann verschwinden, "wenn wir es schaffen, dass das Thema in den nächsten Wochen und Monaten in der Öffentlichkeit mit einer gewissen Normalität diskutiert wird und es bei einem Zweiten und Dritten diesen Hype gar nicht mehr gibt, dann ist der Weg bereitet, sich relativ angstlos an die Öffentlichkeit zu wenden", glaubt Autor Dirk Leibfried.
Genau das ist Hitzlspergers Ziel: "Ich will dazu beitragen, dem Thema die Exklusivität und damit die Schärfe zu nehmen." Damit spricht er vor allem die Medien an, von denen auch Leibfried nun besondere Sensibilität erwartet wird. Wichtig ist vor allem, "das Thema nicht in die Schmuddelecke zu drücken", meint der Autor des Buches "Das Schweigen der Männer", "sondern den Menschen klar zu machen: Diese Schicksale, wie das von Hitzlsperger, gibt es in ganz Deutschland - ob in der Kreisklasse oder der Bundesliga." Denn mit dem Ammenmärchen, dass es im Fußball keine homosexuellen Spieler gibt, hat Hitzlsperger mit seinem Outing endgültig aufgeräumt.
Es wäre ein schöner Effekt, wenn der Mut des Ex-Stuttgarters Schule machen würde und so zur "Normalisierung der Situation" (Litwinschuh von "Fußball für Vielfalt") beitragen könnte. Und vielleicht erfüllt sich irgendwann die Hoffnung von Dirk Leibfried: "Ich wünsche mir, dass irgendwann, wenn die Tribüne von den Fernsehkameras abgelichtet wird, zwischen den Spielerfrauen auch zwei Männer sitzen - als Begleitung ihrer Lebenspartner, die unten auf dem Fußballplatz spielen." Hitzlsperger jedenfalls hat das seinige dazu getan.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.