Erst von den Niederlanden blamiert, am Ende von Deutschland entthront: Bei der WM 2014 wurde die Fußball-Großmacht Spanien auf Normalmaß zurechtgestutzt. Angst und Schrecken verbreitet die "Rote Bestie" vor dem Duell mit Deutschland (Dienstag, 20:45 Uhr live in der ARD und bei uns im Ticker) längst nicht mehr.

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Für die neutralen Fans war es ein Genuss, für die Anhänger der spanischen Nationalmannschaft schlicht ein Desaster. Mit 1:5 verlor der zu diesem Zeitpunkt amtierende Weltmeister sein Auftaktspiel bei der WM 2014 gegen die Niederlande. Angeführt von den überragenden Arjen Robben und Robin van Persie zeigte "Oranje" dem Gegner nicht nur die Grenzen auf, sondern vor allem, woran es beim Kontrahenten haperte: Spielwitz, Schnelligkeit und Zielstrebigkeit. Wer dachte, dass die "Rote Bestie" im darauf folgenden Match gegen Chile umso schärfer zurückbeißt, sah sich schnell getäuscht. Wieder kombinierte sich der Titelverteidiger behäbig durchs Mittelfeld, wieder war es der Gegner, der eiskalt zustach und letztlich mit 2:0 gewann. Spanien war raus - ganze fünf Tage nach Beginn der WM.

Spanien bei der WM 2014: zu alt und zu satt

Mit 28,3 Jahren waren die spanischen Spieler im Schnitt zwei Jahre älter als die des späteren Titelträgers Deutschland. Sieben WM-Finalhelden von 2010 standen gegen die Niederlande in der Startelf. Der Titelverteidiger: Er war alt. Und er war satt.

Und dennoch: Der nach so einem WM-Desaster übliche große Umbruch blieb aus, selbst Trainer Vicente del Bosque durfte sein Amt behalten. Zwar beendeten Stars wie die für die WM-Schmach verantwortlich gemachten Xabi Alonso und Xavi ihre Karrieren in der Nationalmannschaft und machten Platz für die neue Generation wie Isco, Koke und Paco Alcacer. Doch Spieler wie der wegen seiner zahlreichen Fehler gescholtene Torwart Iker Casillas oder der Finaltorschütze der WM 2010, Andres Iniesta, machten weiter. Das Motto war klar: Reform statt Revolution.

"Tiki-Taka" ist längst decodiert

Doch bis dato brachte dies noch nicht den gewünschten Erfolg. Der Testspielniederlage in Frankreich (0:1) folgte eine peinliche EM-Qualifikationspleite in der Slowakei (1:2). Und auch bei den letztlich deutlichen Siegen gegen Mazedonien (5:1), Luxemburg (4:0) und Weißrussland (3:0) ließ der amtierende Europameister viel von der spielerischen Dominanz vermissen, die ihn vor rund acht Jahren so übermächtig werden ließ und ihn in der Folge zu drei Titeln in Serie (zweimal EM, einmal WM) trug. Die internationalen Spitzenteams haben das von Spanien einst in Perfektion betriebene Kurzpassspiel ("Tiki-Taka") ohnehin längst decodiert - auch, weil die Iberer es ihnen leicht machen und den Zug zum gegnerischen Tor zu oft vermissen lassen.

Stattdessen sind sie bei Ballverlust extrem verwundbar und zeigen im defensiven Umschaltspiel erhebliche Mängel, wie das WM-Duell mit den Niederländern offenlegte. "Spaniens Philosophie braucht kleine Veränderungen", sagt daher auch Ex-DFB-Nationaltorwart Bodo Illgner im Gespräch mit dem Sportportal "Spox".

Bodo Illgner macht spanischen Fans Hoffnung

Und Illgner kennt sich in Spanien aus. Der 47 Jahre alte Weltmeistertorwart von 1990 stand einige Jahre bei Real Madrid im Kasten. Er malt für die Zukunft des spanischen Fußball allerdings nicht schwarz. Schließlich zeigten die U-Mannschaften, dass genügend Talente vorhanden sind. In der Tat verfügt Spanien seit Jahren über herausragende Nachwuchskräfte, die regelmäßig in den internationalen Junioren-Wettbewerben um Titel mitspielen. Auf Senioren-Ebene sieht Illgner die deutsche Mannschaft allerdings "im Moment einen Tick voraus".

Für das kommende Match hat das freilich nichts zu bedeuten - zumal sich auch die DFB-Elf seit dem WM-Sieg nicht mit Ruhm bekleckert. Der sportliche Stellenwert des kommenden Testspiels - inmitten der Saison - ist ohnehin äußerst gering. Einzig die drei in der Primera Division spielenden Weltmeister Toni Kroos, Sami Khedira (beide Real Madrid) und Shkodran Mustafi (FC Valencia) dürften bei ihrem "Heimspiel" besonders motiviert sein.

Für die Spanier bietet das Duell lediglich den Reiz, den amtierenden Weltmeister in die Schranken weisen zu können und einen von ganz vielen Schritten zu gehen - bis hin zur alten Dominanz. So dass die "Rote Bestie" spätestens bei der EM 2016 wieder ihr furchterregendes Gesicht zeigt.

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