Zum Start der Premier-League-Saison in England trifft der Chelsea FC am Sonntag auf Manchester City. Cheftrainer Enzo Maresca hat für das Duell mit seinem ehemaligen Chef Pep Guardiola - theoretisch - Zugriff auf ganze 42 Spieler. Die Frage ist nur: Warum ist der Kader der Londoner so groß?

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Maresca ist nicht zu beneiden. Der 44-Jährige übernahm vor kurzem das Traineramt beim Londoner Traditionsclub Chelsea. Ein großer Schritt für Maresca, der zuvor Leicester City trainiert hat und Co-Trainer von Pep Guardiola bei Manchester City war. Auch wenn sich der Italiener bislang noch nicht allzu deutlich öffentlich beschwert hat, so wird er nicht glücklich darüber sein, dass sich aktuell 42 Spieler in seinem Kader befinden. Das ist das Resultat der doch recht ungewöhnlichen Einkaufsstrategie der "Blues".

Seitdem ein Konsortium rund um die US-Amerikaner Todd Boehly und Behdad Eghbali die Eigentümerschaft von Roman Abramovich im Jahr 2022 übernahm, gibt es bei Chelsea ein ständiges Kommen und Gehen. Spieler werden gekauft und verkauft, verliehen und zurückgeholt. Allein in diesem Sommer fanden bislang 25 Transaktionen statt – laut "Transfermarkt.de" wurden für 189 Millionen Euro Spieler gekauft und für 103 Millionen wiederum Spieler verkauft.

Dabei ist schon klar, dass – Stand jetzt – nicht alle Ü-21-Spieler einen offiziellen Kaderplatz erhalten können. Denn die Premier League beschränkt – anders als die DFL in der Bundesliga – die Kadergröße auf 25 für Ü-21-Spieler, darunter mindestens acht "Homegrown"-Spieler. Aktuell hat Chelsea jedoch nach allen Berechnungen sechs Spieler zu viel für die freien Kaderplätze. Interessanter wird es beim Blick auf die vielen jungen Talenten, denn insgesamt elf Spieler sind nach 1. Januar 2003 geboren – dem Stichtag für die U-21-Regelung in dieser Saison.

Das britische Sportportal "The Athletic" hat in einem X-Beitrag versucht, die Spieler nach Positionen zu ordnen. Seit Freitagabend sind es nur noch 42 Spieler, weil Lesley Ugochukwu, der 2023 für 27 Millionen Euro aus Rennes geholt wurde, per Leihe nach Southampton gewechselt ist.

In der Vorsaison zwölf Spieler verliehen

Die viel größeren mathematischen Spielchen drehen sich genau um jene Jungtalente. Chelsea hat seit dem Einstieg von Boehly und Eghbali reihenweise U-21-Kicker geholt und anschließend weiterverliehen. Das Ziel dahinter ist, dass man den Wert dieser Spieler steigert und nach einer Weile für eine höhere Transfersumme wieder verkauft. Einen wirklichen Einfluss auf die Leistungen der eigentlichen Premier-League-Mannschaft werden sie zunächst nicht haben – es sei denn, ein Spieler schafft sofort den Durchbruch. Für die erste Mannschaft selbst sind ohnehin meist namhafte Spieler im Gespräch – so zum Beispiel aktuell Victor Osimhen und João Félix.

Im aktuellen Transferfensters hat Chelsea bereits sechs Spieler verliehen, darunter Caleb Wiley an RC Strasbourg, welches sich mittlerweile ebenfalls im Besitz von "BlueCo", der Investmentfirma, die auch Eigentümer von Chelsea ist, befindet. In der Vorsaison waren es sogar zwölf Leihgeschäfte. Man parkt junge Spieler bei kleineren Clubs und hofft, dass sie dort mit hervorragenden Leistungen von sich reden machen. Durch den Verkauf kann man die Einnahmen steigern und entsprechend die "Profit and Stainability Rules" (PSR) der Premier League einhalten. Diese Regularien legen einen Maximalverlust für einen jeweiligen Dreijahreszeitraum fest.

Doch allein der Blick auf die PSR wird Chelseas Transferpolitik nicht bestimmen. Es könnte noch etwas Anderes dahinterstecken: Eine mögliche Transfersperre für den Londoner Club scheint von einigen Verantwortlichen an der Stamford Bridge erwartet zu werden. Die neue Clubführung könnte nach einer Due-Diligence-Prüfung bereits selbst darauf gestoßen sein, dass in der Vergangenheit – noch unter der Eigentümerschaft von Abramovich – zuweilen illegale Zahlungen getätigt wurden.

Vorbereitung auf eine lange Transfersperre?

Die Premier League ermittelt seit November und Richard Masters, der CEO der Liga, geht davon aus, dass diese Ermittlungen in Kürze zum Abschluss kommen. Eine schwerwiegende Strafe könnte folgen. Bei den womöglich illegalen Aktivitäten geht es unter anderem um den Transfer von Eden Hazard zu Chelsea im Jahr 2012. Damals duellierten sich Chelsea und Stadtrivale Arsenal um das Top-Talent von Lille. Angeblich veranlasste Abramovich eine Zahlung von sieben Millionen Euro an den Berater von Hazard, um Chelsea einen Vorteil zu verschaffen. Ähnlich soll es bei der Verpflichtung von Cheftrainer Antonio Conte zugegangen sein.

Zudem geht es bei den Ermittlungen um die Wechsel von Samuel Eto'o und Willian im Jahr 2013 von Anzhi Makhachkala zu Chelsea. Die Spieler kamen nur kurze Zeit, nachdem die Abramovich gehörende Leiston Holdings Zahlungen an zwei Unternehmen von Suleyman Kerimov, dem Besitzer von Anzhi, getätigt hatte. Willian wollte ursprünglich zu Tottenham wechseln, aber entschied sich schließlich doch für Chelsea – angeblich nach einem Telefonat zwischen Abramovich und Kerimov.

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Sollte die Premier League nun Chelsea mit einer heftigen Strafe, darunter einer Transfersperre, belegen, könnte sich die etwas krude Einkaufspolitik doch noch auszahlen. Denn eine längere Transfersperre würde bedeuten, dass Chelsea keine neuen Spieler mehr registrieren könnte. Aktuell im Kader befindliche und verliehenen Talente sind aber bereits registriert und würden entsprechend während der Sperre den Unterbau der Mannschaft bilden können.

Was genau Boehly und Co. im Schilde führen, ist trotzdem nicht ganz klar. Dass sie Spieler vor allem als Assets betrachten, ist wohl unbestritten. Darunter zu leiden haben natürlich dann die Verantwortlichen auf beziehungsweise neben dem Spielfeld, denn irgendjemand muss sich schließlich um all diese Spieler kümmern.

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