Jürgen Klopps Nachfolger Arne Slot gewinnt in seiner ersten Saison in England die Premier League. Ist der deutsche Liebling der Liverpool-Fans schon vergessen? Edelfan Graham Agg macht den Trainervergleich.
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Dass nur ein Jahr später ein anderer Trainer in Anfield ähnlich gefeiert werden würde, schien undenkbar. Eher prophezeiten viele dem ruhigen und unscheinbaren Glanzkopf Arne Slot, der zuvor nur Feyenoord Rotterdam und AZ Alkmaar trainiert hatte, ein frühes Aus. Oder im besten Fall den vierten Platz in der Liga und damit die Qualifikation zur Champions League.
Echte Verstärkungen kamen keine im vergangenen Sommer, der Klopp'sche Kader blieb weitgehend intakt. Die treuen Reds-Fans fürchteten den großen Rückschritt unter dem Niederländer, im besten Fall einen sportlichen Stillstand. Zu groß das Erbe des Deutschen, fürchteten sie auf der Insel.

Bekanntlich kam es anders. In seiner allerersten Saison in England holte der 46-jährige Slot den Titel in der Premier League – und ließ selbst eingefleischte Klopp-Anhänger schwärmen.
Auf Heavy-Metal-Klopp folgt der sanfte Erneuerer Slot
"Liverpool ist bei Slot in besten Händen", sagt Graham Agg, Liverpool-Experte und seit 1989 Dauerkartenbesitzer, im Gespräch mit unserer Redaktion. Der gebürtige Liverpudlianer, 1966 geboren, kennt die Höhen und Tiefen seines Klubs wie kaum ein anderer - und feierte am Sonntag mit
Es war die erste Meisterparty seit 35 Jahren in Liverpool, weil der Meistertitel der Saison 2019/20 aufgrund der Pandemie eher gediegen und zahm begangen wurde.

Fünf Jahre später ein völlig anderes Bild: Die ganze Stadt ist auf den Beinen, die Fans sind auf den Zäunen, rote Rauchwolken stehen in der Luft - und Dutzende Banner mit dem Gesicht des neuen Coaches finden sich überall.
Dass Slot im April 2025 noch Trainer sein würde, geschweige denn ein Gesicht auf Fanflaggen, war so nicht absehbar. Der Druck auf den Niederländer war riesig. Klopp hatte nicht nur Trophäen geholt, sondern Anfield elektrisiert. Slot, zuvor in Europa kaum außerhalb seiner Heimat bekannt, setzte dagegen auf eine andere Spiel- und Kommunikationsstrategie: ruhig, methodisch, analytisch – und erstaunlich effektiv.
Anstatt das gesamte Team umzubauen, veränderte er nur Nuancen. Er schärfte Liverpools Spielanlage: weniger atemloser "Heavy-Metal-Fußball", mehr kontrollierter Ballbesitz. Das brachte der Mannschaft Stabilität – vor allem defensiv. "Letzte Saison unter Klopp war es zu einfach, gegen Liverpool ein Tor zu schießen", erinnert sich Graham Agg. In den bisherigen 34 Ligaspielen hat Slots Liverpool erst 32 Gegentore kassiert, nur Arsenal ist mit 29 Gegentreffern noch besser. "Jetzt steht die Abwehr viel sicherer."
Der Lehrersohn und seine Espressobar
Auch abseits des Platzes setzt Slot Akzente. Statt Klopps Fundament einzureißen und alles anders zu machen, arbeitete Slot an Details und pflegte stille Veränderungen ein. Wie "The Athletic" berichtet, installierte er beispielsweise eine Kaffeebar am Trainingsgelände in Kirkby – eine lachhaft niedrige Investition, die jedoch große Wirkung zeigte.

Denn die Stars lieben ihren Espresso, allen voran Mo Salah und Dominik Szoboszlai, und kommen schon vorm Frühstück zum Trainingsgelände. Auch nach Abschluss aller Einheiten und Besprechungen verweilen die Stars dem Bericht zufolge nun länger an der Kaffeebar. Der neue Treffpunkt fördert den Teamgeist, ließ die Spieler, die meist ländlich mit ihren Familien wohnen, enger zusammenrücken.
Ein weiterer Unterschied: die Intensität der Meetings und Taktikschulungen. Slot, Sohn zweier Lehrer, schließt jeden Trainingstag mit Feedback-Sessions ab, die nicht nur Fehler aufzeigen, sondern bewusst auch die Stärken der Spieler in den Fokus rücken.
Ein Klima des gegenseitigen Vertrauens soll so entstanden sein, schreibt "The Athletic" mit Verweis auf interne Quellen. Das mündete in außergewöhnlicher Leistungsbereitschaft aller Spieler, die die neu eingeführte Ligaphase der Champions League auf Platz eins abschlossen - mit Siegen gegen Spaniens Meister Real Madrid und Deutschlands Meister Bayer Leverkusen.
Ein Versprechen von Mo Salah und Slots Niederlande-Clique
Einer der großen Gewinner unter Slot ist Salah. Mit 28 Ligatoren war der Ägypter der Garant für den Titelgewinn – nicht zuletzt wegen einer speziellen Vereinbarung mit seinem neuen Trainer. "Ich habe ihm gesagt: 'Wenn du mich defensiv entlastest, liefere ich offensiv'", erklärte Salah, einer der laufstärksten und fleißigsten Spieler der Klopp-Jahre. Slot ging auf den Wunsch ein und die Zahlen sprechen für sich. Wie auch die Vertragsverlängerung des wohl besten Liverpool-Spielers des vergangenen Jahrzehntes, dem schon mehrfach unterschriftsreife Papiere mit schwindelerregenden Gehältern aus der Saudi Super League vorlagen.
Auch
Gekommen war Gravenberch als dynamischer und flexibler Achter. Aber: "Was er vor der Abwehr spielt, ist absolut super." Slot setzte früh auf Gravenberch als zentrale Figur im Ballbesitzspiel – und wurde belohnt.
Die niederländische Verbindung im Team – mit Gravenberch, Virgil van Dijk und Cody Gakpo – erwies sich als zusätzlicher Vorteil. "Dass Slot auch Holländer ist, hat sicher geholfen", sagt Agg, der schwärmt, dass van Dijk der zweitbeste Abwehrspieler sei, den er in seinem ganzen Leben live hat spielen sehen. Direkt nach Franz Beckenbauer.
Von Klopp zu Slot: Ein historisches Erfolgsmuster beim FC Liverpool
Apropos Historie: Agg sieht in Liverpools Trainerwechsel eine Parallele zur Klubgeschichte. Als der legendäre Bill Shankly 1974 aufhörte, folgte ihm der ruhige Bob Paisley – und gewann in neun Jahren sechs Meistertitel und drei Europapokale. "Damals ging es von einer großen Persönlichkeit zu einem stilleren Typ, genau wie jetzt von Klopp zu Slot", sagt Agg. "Und wieder funktioniert es."
Natürlich bleibt Klopp eine Ikone in Liverpool. Kein Trainer wird jemals die emotionale Verbindung zum Fanblock "The Kop" ersetzen können.
Niemand weiß das besser als Slot selbst, der nach einem Ligaspiel in der Premier-League-Pressekonferenz gefragt wurde, warum er nach Abpfiff nicht zu den mitgereisten Fans gegangen ist. Worauf Slot sachlich entgegnete, dass es nicht der passende Moment gewesen sei und er nicht jedes Mal zu den Anhängern gehen werde - eine Tradition, die Klopp eingeführt hatte. Stattdessen wächst die Bindung des kühlen Niederländers zur emotionalen Anhängerschaft organisch und langsam. Geprägt von Respekt, gepflegt durch Erfolg.
Trotz der Meisterschaft lief nicht alles perfekt: Das frühe Aus im FA Cup gegen Zweitligist Plymouth, die verlorenen Endspiele im Ligapokal und das bittere Champions-League-Aus gegen Paris Saint-Germain zeigten, dass Slot noch Optimierungspotenzial hat. Zum Glück, denn sein Vertrag an der Anfield Road läuft bis 2027.
Er dürfte aber auch gerne länger bleiben, findet Agg: "Wenn Arne Slot so weitermacht, bleibt er hier vielleicht zehn Jahre. Und hoffentlich holen wir dann noch viele Titel."
Verwendete Quellen
- Telefon-Interview mit Graham Agg
- Mersey Sport Live: Has Slot undermined the legacy of Klopp?
- The Athletic: How Liverpool won the Premier League – featuring Dire Straits, coffee club and one big outburst
- dpa
- kicker.de: Slot ehrt Klopp und lässt Anfield singen