Das Financial Fair Play der Premier League umgehen? Für den FC Chelsea keine große Sache. Der Klub umgeht die eigentlich strengen Regeln der Liga mit einem ungewöhnlichen Verkauf.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Schulte-Bockum sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der FC Chelsea hat überraschend ein sehr profitables Geschäftsjahr vermeldet. Damit kommen die Londoner um eine Strafe wegen Verstößen gegen die Financial-Fair-Play-Regeln der Premier League herum. Hauptgrund für die positive Bilanz? Der Klub hat seine äußerst erfolgreiche Frauenmannschaft faktisch an sich selbst verkauft.

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Wie aus den aktuellen Finanzberichten hervorgeht, erzielte Chelsea für das Jahr bis zum 30. Juni 2024 einen Vorsteuergewinn von 128,4 Millionen Pfund (ca. 150 Mio. Euro), nachdem in der Vorsaison noch ein Verlust von 90,1 Millionen Pfund (ca. 105 Mio. Euro) zu Buche stand. Dies ist zugleich der Rekordgewinn des zweimaligen Champions-League-Siegers.

Chelsea verkauft Chelsea-Frauen an Chelsea-Eigentümer Boehly

Möglich wurde dies vor allem durch den Verkauf der Frauen-Mannschaft, die nun als eigenständiges Unternehmen unter dem Dach der Holdinggesellschaft BlueCo 22 geführt wird. Deren Hauptgesellschafter ist der amerikanische Investor Todd Boehly - also der Haupteigentümer des ganzen Klubs - und das Private-Equity-Unternehmen Clearlake Capital, dem ein großer Teil der Chelsea-Anteile gehören.

V.l.n.r.: Guro Reiten, Sam Kerr und Erin Cuthbert mit Chelseas Eigentümer Todd Boehly.
V.l.n.r.: Die Chelsea-Spielerinnen Guro Reiten, Sam Kerr und Erin Cuthbert mit Chelseas Eigentümer Todd Boehly. © Sportimage/IMAGO/Paul Terry

Oder eben, auf gut deutsch gesagt: Der FC Chelsea hat die Chelsea Women quasi an sich selbst verkauft.

Der britische Sportjournalist Ben Jacobs schätzt den Wert des Frauen-Teams dabei auf mindestens 150 Millionen Pfund (ca. 175 Mio. Euro). Die exakte Summe wurde von Chelsea nicht veröffentlicht, doch der Verkauf der Tochtergesellschaften, darunter Chelsea Women, brachte insgesamt 198,7 Millionen Pfund (ca. 232 Mio. Euro) ein.

Ein ähnliches Vorgehen praktizierte Chelsea bereits im Vorjahr mit dem Verkauf zweier Hotels. Ohne diese buchhalterischen Tricks hätte Chelsea einen Verlust von rund 70,1 Millionen Pfund (ca. 82 Mio. Euro) verbuchen müssen.

Nach Roman Abramowitsch kamen die Amerikaner

Boehly, der im Mai 2022 gemeinsam mit Clearlake Capital den Klub von Roman Abramowitsch übernommen hatte, nutzte dabei ein Schlupfloch in den Profitabilitäts- und Nachhaltigkeitsregeln (PSR) der Premier League. Die "Sun"-Zeitung betitelt einen entsprechenden Bericht daher auch scherzhaft, "Are you taking the P-SR?" (In Anlehnung an das englische Sprichtwort, "are you taking this piss?", auf deutsch: Jemanden auf die Schippe nehmen).

Die PSR-Regularien erlauben den Verkauf von Tochtergesellschaften und Vermögenswerten an verbundene Unternehmen, solange dies zu einem marktüblichen Preis geschieht. Der sollte hier gegeben sein, denn die Chelsea Women, bei denen auch Deutschlands Nationalspielerin Sjoeke Nüsken spielt, reiten auf einer Erfolgswelle.

Als aktueller Tabellenführer steuern sie daheim auf ihren sechsten Titel in Folge in der Women's Super League zu und stehen international im Halbfinale der Champions League, nachdem sie die Frauen von Manchester City im großen Stadion an der Stamford Bridge 3:0 besiegten.

Auch Kai Havertz schmückt die Bilanz des FC Chelsea auf

Im vergangenen Januar kam zudem die amerikanische Innenverteidigerin Naomi Girma für die weltweite Rekordsumme von 1 Millionen Euro aus der amerikanischen NWSL zu den "Blues" (die hohe Ablösesumme wird aus Chelseas Sicht glücklicherweise erst in die nächste Bilanz einfließen).

Im Männer-Bereich verzeichnete Chelsea Einnahmen durch Spielerverkäufe in Höhe von 152,5 Millionen Pfund (ca. 178 Mio. Euro), darunter 65 Millionen Pfund (ca. 76 Mio. Euro) für den deutschen Nationalspieler Kai Havertz, der zum FC Arsenal wechselte. Trotzdem sank der Gesamtumsatz auf 468,5 Millionen Pfund (ca. 547 Mio. Euro), weil das Männer-Team zuletzt nicht in der Champions League vertreten war.

Auch Olympique Lyon hatte im Jahr 2023 seine Frauen-Mannschaft ausgegliedert und verkauft, was neben mehr Autonomie für die Frauen-Abteilung auch steuerliche und finanzielle Vorteile mit sich brachte. Die Ausgliederung der Frauen-Mannschaft könnte sich also langfristig bewähren.

Ob Chelseas kreativer Bilanztrick nachhaltig ist, bleibt abzuwarten – die Regeln der Uefa sind deutlich strenger als die der Premier League und verbieten solche internen Verkäufe eigentlich. Doch vorerst hat Boehly gezeigt, wie man sich mit finanziellem Einfallsreichtum um die Fair-Play-Vorgaben herum manövrieren kann.

Verwendete Quellen: