Bei Österreichs Auftritt gegen Irland geht es um mehr als "nur" drei wichtige Punkte im Kampf um die WM 2018. Es geht auch darum, ein schwieriges Jahr mit einem guten Gefühl zu verlassen. Gegen die Iren rücken zwei Bankdrücker plötzlich in den Fokus.

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Es ist noch nicht an der Zeit, in Panik auszubrechen. Aber die Situation um Österreichs Nationalmannschaft ist durchaus angespannt, manch einer würde behaupten: prekär.

In der WM-Qualifikation rumpelt das ÖFB-Team bisher durch den Bewerb. Vier Punkte aus drei Spielen sind nicht das, was sich die Mannschaft und Teamchef Marcel Koller vorgestellt haben.


Das Heimspiel gegen Irland am Samstag (18:00 Uhr) wird zu einem Fingerzeig: Zum einen gilt es, dieses wankelmütige Jahr mit dem letzten Pflichtspiel zu einem ordentlichen, versöhnlichen Ende zu führen. Die Mannschaft hat 2016 gewissermaßen ja die komplette Palette an Emotionen abgerissen und ist mit ihren Fans Achterbahn gefahren.

Zum anderen sind drei Punkte Pflicht, wenn man den Abstand nach oben aufholen will. Wales und Serbien nehmen sich im Parallelspiel gegenseitig die Punkte weg, und Österreich könnte mit dem Spitzenreiter gleichziehen.

Ein Remis wäre für die Koller-Elf eine Ernüchterung, eine Niederlage gegen die bisher ungeschlagenen Iren eine mittlere sportliche Katastrophe. Denn dann rücken Platz eins und zwei bei womöglich sechs Punkten Rückstand und nur noch sechs ausstehenden Spielen in fast unerreichbare Ferne.

Die enge Gruppe D

Die Gruppe D ist mit Serbien, Irland und Wales als gefährliche Kontrahenten besonders ausgeglichen, lediglich Georgien und Moldawien fallen qualitativ ein wenig ab. Und nur der Gruppensieger ist sicher qualifiziert, die besten acht Zweiten der neun Gruppen gehen in rund einem Jahr in die Playoffs um die letzten Plätze.

Am Freitag feiert Teamchef Koller, aber Zeit für Sentimentalitäten oder eine kleine Feier bleibt nicht. Dafür ist die Partie am Samstag zu wichtig. Das 2:3 in Serbien im vergangenen Spiel setzt die Mannschaft unter enormen Druck: Das spürt sie gerade - und deshalb geben sich alle Beteiligten einigermaßen zugeknöpft vor dem großen Spiel.

"Wir haben drei Punkte weniger als das Spitzen-Duo. Aber die Qualifikation für die WM ist deshalb nicht weiter weg als vorher", sagte Koller dem "Standard". "Ich habe bereits nach der Auslosung gesagt, dass es eine enge Gruppe wird. Wales, Serbien, Irland und wir sind auf gleicher Höhe. Und Georgien ist ebenfalls stark."

Der Trainer - der bei Teilen der Fans auch in die Kritik geraten ist - versucht im Vorfeld alles, um seiner verunsicherten Mannschaft wieder jenes Selbstvertrauen zu geben, das sie vor der vermaledeiten Europameisterschaft hatte.

Ramazan "Rambo" Öczan im Tor

Österreich war nach einer überragenden EM-Qualifikation bis auf Rang zehn der Weltrangliste gesprungen, hatte sich unter Koller von Platz 72 bis in die Top Ten gearbeitet und war für einige sogar so etwas wie ein Geheimfavorit bei der EM. Dann folgte das Debakel und seitdem fehlen der Mannschaft die Überzeugung und die Willensstärke, um wieder zurückzuschlagen.

Dass gegen die robusten Iren nun auch noch einige wichtige Spieler fehlen werden, macht die Ausgangslage nur noch komplizierter. Ramazan Öczan ersetzt den schwer verletzten Robert Almer im Tor. Öczan und die ÖFB-Auswahl fremdeln noch ein wenig, der Goalie hat sich im ÖFB-Dress bereits einige Patzer erlaubt, seine Bilanz steht bei nur einem Sieg aus bisher neun Spielen.

Und Öczan reiste nun quasi ohne Spielpraxis zur Nationalmannschaft an. Für "Rambo" ist das aber alles halb so wild. "Der fehlende Spielrhythmus ist kein Problem. Das Training in Leverkusen hat hohe Qualität, und man liegt ja auch als Nummer zwei nicht in der Kabine herum."

Schlüpft Schöpf in die Zehner-Rolle?

Den Ausfall von Sebastian Prödl kann Koller auch noch einigermaßen verschmerzen, die kurzfristige Absage von Zlatko Junuzovic aber bringt unter Umständen ein Problem mit sich. Junuzovic war im offensiven Mittelfeld gesetzt, ein Ankerpunkt und mit seiner emotionalen und kämpferischen Art gerade gegen Irland ein kostbarer Spieler.

Vieles deutet darauf hin, dass Alessandro Schöpf in die Zladdi-Rolle schlüpfen wird. Schöpf dreht beim FC Schalke 04 derzeit voll auf, lief im ÖFB-Team der Musik aber ordentlich hinterher. Ob so ein relativ unerfahrener Spieler für die Rolle des Heilsbringers taugt?


Schöpf ist der klassische Joker, kann sofort nach seiner Einwechslung auf Betriebstemperatur hochschalten und der Mannschaft so helfen. Aber jetzt als Starter, auf der Zehn? Es wird ein wenig eine Operation am offenen Herzen, sollte Schöpf tatsächlich beginnen dürfen.

"Man wird sehen, wer spielt. Ich hoffe natürlich, dass ich von Beginn an spielen darf. Mich würde es riesig freuen", sagt der Tiroler vor dem Spiel. "Aber es ist egal, ob ich von Anfang an spiele oder von der Bank aus reinkomme, ich versuche immer 100 Prozent zu geben und für die Mannschaft da zu sein."

Vertrauen auf die Fans

Das klingt sehr zurückhaltend, sehr anständig und brav. Gegen Irland werden aber auch andere Attribute gefragt sein, um die Partie nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. "Die Stärke der Iren ist, dass sie robust sind und sich nichts gefallen lassen. Die gehen in die Zweikämpfe, typisch britisch eben", urteilt Koller.

Aber der Trainer glaubt auch: "Wir haben eine gute Mannschaft, die das Spielerische auf den Platz bringen kann." Oder besser: Er hofft es wohl. Nur so dürften die Iren zu bezwingen sein.

Dass Österreich trotz einiger Verletzter immer noch die besseren Einzelspieler hat, steht wohl außer Frage. Und dann wäre da ja noch ein Faktor, der sehr wichtig werden könnte. "Wir spielen zu Hause, das Stadion ist ausverkauft", sagt Koller. "Unsere Fans werden uns pushen!"

Das letzte Heimspiel des Jahres wird ein ganz besonderes: So viel steht fest. Und es entscheidet auch darüber, wie man dieses Jahr 2016 bewerten wird. Es steht also jede Menge auf dem Spiel für das ÖFB-Team. Und es geht um mehr als nur drei Punkte in einer WM-Qualifikationsrunde.

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