Als Marcel Koller das ÖFB-Team übernahm, befand es sich in der Fifa-Weltrangliste auf Platz 72. Heute belegen die Österreicher den zehnten Platz und sie können auf eine erfolgreiche EM-Qualifikation zurückblicken. Wie hat Koller das geschafft? Eine Analyse.
Marcel Koller steht für Kontinuität. Kürzlich verlängerte er seinen Vertrag mit dem ÖFB und könnte bei einer erfolgreichen WM-Qualifikation auch noch 2018 bei einem weiteren Großereignis der Coach des österreichischen Nationalteams sein.
Aber auch was seinen Kader betrifft, baut der Schweizer auf Altbewährtes. Koller wechselt vor allem bei seiner Start-Elf weniger durch als seine Vorgänger. Gegenüber seinen Spielern zeigte er stets Loyalität. Marc Janko, Marko Arnautović oder Torhüter Robert Almer steckten bei ihren Clubs teilweise in Krisen. Das hielt Marcel Koller nicht davon ab, ihnen im Nationalteam das volle Vertrauen zu schenken.
Heute führt Janko die Torschützenliste in der Schweiz an, Torhüter Almer zeigt bei Austria Wien Spitzenleistungen und Arnautović ist einer der Schlüsselspieler beim Premier-League Club Stoke City. Dort zeigte er zuletzt wieder öfter, wie torgefährlich er ist.
Marcel Koller, der Vater der ÖFB-Elf
Koller ist es vor allem auch gelungen, den Wildspund Arnautović zu zähmen. Dieser bezeichnete Koller gar als Vater einer Familie. "Und wir, seine Kinder, harmonieren auch sehr gut miteinander", so Arnautović bei einer ÖFB-Pressekonferenz.
Tatsächlich gehören offen ausgetragene Streitereien unter den Spielern der Vergangenheit an. Jeder der ins Nationalteam einberufen wird, freut sich, dort seine Freunde wieder zu treffen. Marcel Koller ist es gelungen, aus dem Team eine verschworene Einheit zu bilden. Sicher einer der Grundsteine des Erfolges.
Als Koller das ÖFB-Team am 1. November 2011 übernahm befand es sich auf Platz 72 der Weltrangliste. Heute findet sich die Mannschaft auf dem bemerkenswerten zehnten Platz wieder.
Als man die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2012 knapp verpasste, erkannte Koller bereits, welches Potenzial in seiner Mannschaft steckt. Er fand ein Team vor, mit dem er weiter arbeiten wollte. Und er wusste, dass sich Österreichs Spieler in ihren Ligen sehr gut weiterentwickeln.
ÖFB-Team mit zahlreichen Leistungsträgern
Auch wenn Koller ein Top-Trainer ist, ohne talentierte Spieler wären seine Möglichkeiten begrenzt gewesen. Der oft belächelte Frank Stronach legte mit seiner Fußballakademie ebenfalls einen Grundstein für die Erfolge des heutigen Nationalteams.
Generell bewähren sich bis auf Robert Almer alle Nationalspieler in ausländischen Ligen. Sie sind in der deutschen Bundesliga und der englischen Premier League zu absoluten Schlüsselspielern geworden. David Alaba wird wohl auch dieses Jahr wieder deutscher Meister werden, auch in der Champions League steht sein Klub, der FC Bayern, im Viertelfinale.
Mit Christian Fuchs bei Leicester City oder Kevin Wimmer bei Tottenham Hotspur stehen die Chancen sehr gut, dass ein Österreicher sich über den Titel in der Premier League freuen wird. Und sogar Österreichs "Sechser" Julian Baumgartlinger, der in 111 Spielen in der deutschen Bundesliga kein einziges Tor erzielte, traf zuletzt zweimal.
Nur nicht die Ziele zu hoch anlegen
Die Form der österreichischen Spieler passt. Es gibt derzeit auch keine Verletzungsausfälle zu beklagen. Koller hat aber auch mit seinen Ersatzspielern Spitzenspieler zur Hand. Für den Erfolg von Koller sprechen seine ruhige Ausstrahlung und seine enorme Kommunikationsbereitschaft mit jedem einzelnen Spieler. Er nimmt sich Zeit für seine Schützlinge und gewann im Laufe der Jahre immer mehr ihr Vertrauen.
Auch taktisch macht Marcel Koller so gut wie keine Fehler. Ebenso wenig hat er es nötig, Österreichs Gegner stärker zu machen, als sie sind. Er peilt mit seinem Team in jedem Spiel einen Sieg an – egal wer auf der anderen Seite steht. Früher, mit der typisch österreichischen Mentalität, hat man sich schnell einmal mit einem Unentschieden oder einer knappen Niederlage zufrieden gegeben.
Und ganz wichtig: Koller hat seinem Team beigebracht, wie es gelingt, einen knappen Vorsprung über die Runden zu bringen. Selten zuvor hat ein österreichisches Nationalteam einen Vorsprung mit so kühlem Kopf zu Ende gespielt wie in dieser EM-Qualifikation.
Jetzt gilt es nur die Erwartungshaltung für das große Turnier in Frankreich nicht zu hoch anzulegen. Das Erreichen des Achtelfinales ist zwar ein realistisches Ziel. Aber ab dann würde jeder Gegner ein richtig schwerer Brocken sein.
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